Die Wahrheit: In der Tasche des Chefs

Ultimative „Wahrheit“-Tipps für die nächste Gehaltsverhandlung.

Das Geld behält der Chef gern selbst. Bild: ap

Wenn permanent irgendwelche Gewerkschaften in Deutschland für mehr Lohn streiken und ihn sogar bekommen, dann ist auch für den unorganisierten Arbeitnehmer die Gelegenheit günstig, den alten Knauser, der sich Chef schimpft, um ein paar Penunzen mehr anzuschnorren. Doch wie stellt man es richtig an?

Dubiose Ratgeber überschwemmen den Buchmarkt, unbestätigte Gerüchte machen die Runde auf den Bürofluren. Ratlose Arbeiter stehen zögerlich vor der Tür ihres Chefs, verharren noch im Klopfen, nur um auf dem Absatz umzudrehen und sich bitterlich weinend in der Abstellkammer einzuschließen. Wie gut, dass es da Die Wahrheit gibt – mit ihren ultimativen Tipps für eine erfolgreiche Gehaltsverhandlung.

Der richtige Ort

Auch Ihr Vorgesetzter hat feste Zeiten für seinen Stuhlgang. Reservieren Sie sich die Toilettenkabine nebenan. In dieser zutiefst persönlichen Situation, entwickelt sich schnell ein produktives Gehaltsgespräch jenseits von Vertragsklauseln und Kosten-Nutzen-Analysen. Sorgen Sie aber im Vorfeld dafür, dass in den Kabinen Klopapiermangel herrscht. Eine helfende Hand in Zeiten der Not, die frisches Toilettenpapier reicht, hilft, Vertrauen aufzubauen.

Der richtige Zeitpunkt

Wählen Sie mit Bedacht den richtigen Moment für die Gehaltsverhandlung. Befolgen Sie dazu effektive psychologische Tricks, die nahezu immer zum Erfolg führen. Ihr Chef ist ein Familienmensch? Besuchen Sie ihn spontan am Sonntagmittag! Vielleicht grillt er gerade mit der ganzen Familie im Garten. Bei Grillwurst und kaltem Bier lässt es sich sehr viel angenehmer über Ihre persönliche Zukunft im Unternehmen plauschen als bei lauwarmen Bürokaffee und trockenem Kantinenkuchen.

Die richtige Kleiderwahl

Entgegen landläufiger Meinung ist Chic nicht immer Trumpf. Die Schlabberbuxe und das fleckige T-Shirt im Büro demonstrieren, dass Sie sich in Ihrem Job wohlfühlen. Sie identifizieren sich zu einhundert Prozent mit Ihrer Arbeit und wollen nicht mehr zwischen Privatleben und Büro unterscheiden. Ihr Chef wird mit Freuden anerkennen, dass Sie weit entfernt sind von dem entfremdeten Arbeiter, den Karl Marx beschreibt. Fallen Sie bewusst auf! Abgelaufene Plastikschlappen stechen hervor aus einem Meer von polierten Lederschuhen. Wenn Sie so eigenwillig gekleidet zum Gespräch mit dem Chef erscheinen, wird dieser allein aus Mitgefühl einer saftigen Gehaltserhöhung zustimmen.

Die richtige Einschätzung

Sie haben es eine ganze Woche lang es geschafft, keinen Kunden am Telefon anzubrüllen? Sie haben fast immer den Hörer abgenommen, obwohl ein Anrufer Sie beim Solitärspielen gestört hat? Sie können sich sogar noch verschwommen an die Aufgaben erinnern, die Ihnen Ihr Chef letzte Woche mit dem Vermerk „dringend!“ aufgetragen hat? Dann sollte Ihre Leistung auch entsprechend gewürdigt werden. Frei nach dem Motto „Wer viel fordert, wird viel erreichen“, legen Sie Ihrem Chef eine umfassende Liste vor: 50 Prozent Gehaltssteigerung, fünf zusätzliche Urlaubstage, eigenes Büro und selbstverständlich ein eigener Chauffeur – schätzen Sie sich ruhig realistisch ein. Ihr Chef wird sich das geringste Übel herauspicken. Das hat er in unzähligen Managementseminaren gelernt.

Die richtige Vorbereitung

Unvorbereitet in ein Gehaltsgespräch zu gehen, ist wie unbewaffnet Hooligans zu schubsen. Finden Sie im Vorfeld heraus, wie Ihr Vorgesetzter tickt. Pflegt er eine heimliche Affäre? Surft er auf Pornoseiten während der Arbeitszeit? Hat er sich Boni unter den Nagel gerissen, die anderen Mitarbeitern galten? Rechnet er die private Nutzung des Dienstwagens nicht korrekt ab? Gibt es Fälle von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz? Falls nicht, kleiden Sie sich ruhig etwas aufreizender. Gelegenheit macht Diebe! Praxistipp: Die unternehmensinterne IT-Abteilung ist Ihr bester Freund. Spendieren Sie dort ruhig öfter einen Kaffee.

Die richtige Strategie

Ihr Chef bleibt stur und will partout keiner Gehaltserhöhung zustimmen? Tränen und Geschrei haben nicht geholfen? Dann bleibt Ihnen ein letzter Trumpf: Die Selbstverstümmelung. Greifen Sie sich den Tacker Ihres Chefs und bearbeiten Sie damit Ihren Unterarm. Lochen Sie sich mit dem Locher ein neues Ohrloch! Zerschneiden Sie sich mit der Schere die Kleidung! Schreiben Sie sich mit einem Marker wilde Hasstiraden auf die Stirn! Nehmen Sie die Tastatur und schmettern Sie sich diese mit voller Wucht ins Gesicht, sodass die Buchstaben einzeln erkennbar sind! Schütten Sie sich heißen Kaffee über den Kopf! Und dann ab zum Betriebsrat. Misshandlungen im Job sind schließlich kein Kavaliersdelikt.

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kari

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