Ungehorsam führt zum Erfolg

Wer genug Wirbel macht, kann in kurzer Zeit was erreichen: Die East Side Gallery ist wohl gerettet

VON SEBASTIAN HEISER

Ziviler Ungehorsam mit Erfolg: Als am Freitag das erste Mauerstück aus der East Side Gallery herausgebrochen wurde, haben Demonstrantinnen und Demonstranten die Absperrbänder bei der East Side Gallery durchbrochen. Die Polizistinnen und Polizisten sahen sich dann nicht länger in der Lage, die Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter zu schützen. Die Arbeiten stoppten. Die Bilder gingen um die Welt.

Vier Tage später ist klar: Die Demonstrantinnen und Demonstranten haben gewonnen. Die geplante neue Brücke über die Spree für Fußgängerinnen und Fußgänger sowie Radfahrerinnen und Radfahrer soll plötzlich auch ohne direkte Straßenanbindung auskommen. Die 22 Meter East Side Gallery, die für die Brücke fallen sollten, sind wohl gerettet. Und auch wegen der zweiten Mauerlücke für die Zufahrt zu einem geplanten Neubaukomplex wird nach einer neuen Lösung gesucht.

Flexible Politik

Das zeigt: Politikerinnen und Politiker reagieren, wenn der Protest groß und laut genug ist. Demokratie funktioniert. Und natürlich ist es auch noch möglich, das nächste Ziel zu erreichen: ein durchgehender Park am gesamten Ufer entlang der East Side Gallery ohne den Neubau von Wohnungen. Es wird zwar deutlich schwerer, für eine vergleichsweise profane Grünfläche so viel internationale Aufmerksamkeit zu bekommen wie für die Mauer, die für die Teilung Europas und die sozialistische Diktatur steht. Aber am Ende kommt es nur darauf an, wie laut und entschlossen die Demonstrantinnen und Demonstranten sich dafür einsetzen und wie wenig sie bereit sind, sich von irgendwelchen Absperrungen aufhalten zu lassen.