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Die WahrheitTief im Turboloch

Ein Schmieröljournalist unterwegs für Volkswagen.

Ein geile Maschine, so eine Ducati, aber muss man da gleich einen feuchten Schaltknüppel bekommen? Bild: dapd

Motor-Journalisten sind Männer mit Benzin im Blut, Oktan in der Schreibe und stets genügend Öl in der Lampe. Unbestechliche Protokolleure der Pferdestärken, Formulierungsschmiede der Premiumklasse, die es dank serienmäßigem Metaphern-Antiblockiersystem nie aus der sprachlichen Kurve trägt.

Ihre Sätze schnurren seidenweich dahin wie ein Zwölfzylinder aus dem Hause Benz. Kurz: Ihre Dichtungskunst kennt kein Turboloch.

Ein besonders schönes Beispiel für leidenschaftliche Motoren-Poesie lieferte kürzlich Jochen Wagner in der Süddeutschen Zeitung mit seinem Artikel über den Kauf der italienischen Motorradmarke Ducati durch den VW-Konzern. Unter der Überschrift „Käufliche Liebe“ (SZ v. 30. 4. 2012) besingt er in bester Hofschranzen-Manier die Entscheidung des VW-Patriarchen:

„Geld macht auch sinnlich. Ferdinand Piëch, unumstrittener König bei VW, hat viel Geld, um messbaren Profit in maßlose Passion zurückzuverwandeln … Piëch ist gerade 75 Jahre alt geworden oder jung genug geblieben, sich zum Geburtstag einen Wunschtraum zu erfüllen. 870 Millionen Euro soll das Schnäppchen gekostet haben, plus 200, 300 Millionen Schulden, die die Bologneser Meccanica noch mit sich herumgeschleppt hat. Der Reiz der mobilen Schönheit war also gewaltig … Das ist pure Passion, Leidenschaft, die Leiden schafft.“

Etwas weniger abgegriffene Formulierungen hätte es für das süddeutsche Premiumblatt vielleicht schon sein dürfen. Aber Geld macht eben auch Journalisten sinnlich, verwirrt ihre Sinne, verwandelt nüchternes Formulierungshandwerk in glühende Formulierungslust.

„Doch der Mythos (Ducati) lebt, bar rationaler Argumente oder Legitimationen, von Arbeitsplätzen abgesehen, im ökologischen Szenario aus Peak Oil und Klimagau. Es ist einzig die notorische Lust am motorischen Tanz auf dem Asphalt.“ Den Wagner mit einem motorischen Tanz auf dem Parkett der deutschen Sprache zu beschreiben versucht. Was genau er damit meint, wird zwar nicht klar – klar aber ist eines: Hier schreibt kein blutleerer Berichterstatter, hier komponiert ein leidenschaftlich Liebender eine Hymne an den Mythos der Marke, der er selbst verfallen zu sein scheint.

„Ihn versteht, wer einmal eine Ducati gefahren, gefühlt hat. Dieser Eindruck brennt sich in Leib und Geist ein, der Ducati-Ritt wird unlöschbar auf der seelischen Festplatte gespeichert – unter Schlüsselerlebnisse.“ Doch sind diese motorischen Erweckungserlebnisse auch wahr? „Was so schön, so beweglich, so reizend ist, muss wahr sein. Welche Modelle es auch sind, ihr Authentizitätssiegel ist der 90-Grad-V-Desmo-Motor.“

Wagner ist ein Süchtiger, süchtig nach einer „Droge aus Motor, Chassis und Finish für Speed, Grip, Drive und: Sound.“ Und wie alle Süchtigen hat er nicht mehr die volle Spannung am Keilriemen, seine Testfahrt mit dem Wunder-Bike kann er jedenfalls nicht beschreiben. „Was sich aus dem Erlebnis im Stand entwickelt, kann man nicht beschreiben.

Eine Duc verstehen, heißt sie fahren, und zu hören. Sie rumort mitunter nimmer ganz TÜV-konform, aber unfassbar schön. Eine Sirene, akustisch ein Ohrenschmaus, optisch eine Augenweide, technisch ein Gedicht, pure Poesie. Dies Gesamtkunstwerk ist einmalig.“ So wie Wagners Ode an den Mythos.

Sein Text rumpelt mitunter nimmer ganz Duden-konform, ist aber dadaistische Poesie in reinster Form, absolut zweck- und sinnfrei. Weiß Wagner doch: „Reiz ist nicht nur Schönes in Bewegung. Schön ist auch, was zweckfrei gefällt und vergnügt. Piëch sei Dank bereichern das kunstgeschichtliche Bonmot und die ästhetische Maxime nun auch den Markt. Ducati ist ein Spielzeug gefälligen Vergnügens …

Ducati, das ist Anmut, Grazie und Speed. Und die Sehnsucht nach Stil.“ Die sich im verschwurbelten Schmierfilmjournalismus des Jochen Wagner so bald wohl nicht erfüllen wird. Aber für eine weitere Karriere als Hofberichterstatter im Hause Piëch hat er sich mit diesem Text in jedem Fall empfohlen. Vielleicht bereichert er ja bald die VW-Werkspostille „Der Schaltknüppel“ mit seinen Ergüssen.

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6 Kommentare

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  • J
    Jeeves

    Der Imprerativ/Plural von "lesen" ist: "lest", Herr Jeremias Leserer.

  • DB
    Der Bär

    Ach, Rüdiger Kind !!

    Mag sein, dass der Berliner Looser bevorzugt mit einem alten Draht-Esel aus Amsterdamer Hinterhof-Coffeeshop-Produktion seine Runden dreht und dies auch noch gut findet.Aber : Ist das schon in der TAZ eine "Wahrheit" wert ? Und wenn ich ihren Schrieb so lese ist mir klar:Sie haben noch niemals eine DUC gefahren und wohl auch noch keine aus der Nähe gesehen.Warum schreiben sie dann über dieses Thema ? Immer Easy mit dem Schaltknüppel und seinen Ergüssen kann ich da nur sagen. Schöne Grüße aus Baden.

  • F
    Feinfinger

    Eine Ducati mit Trockenkupplung rasselt im Stand derart kakophonisch, dass einem eher unwohl wird. Nicht alle Ducs haben einen V-Motor. Es gab auch mal sehr schöne Scrambler mit 250 bzw. 350 Kubikzentimeter Hubraum und nur einem Zylinder. Wie so vieles im Leben, ist es halt eine Geschmacksfrage. Für mich bleibt immer noch der Klang eines alten Guzzi mit V-Motor in Kombination mit offenen Dellortos und einem Lafranconi sportizione Schall"dämpfer" eine sinfonische Offenbarung. So sind wir irrealen Technikfreaks eben. Peakoil ist in ca. 30 Jahren. Wenn es bis dahin keinen adäquaten synthetischen Benzinersatz gibt, kaufen wir die Simson-Elektroschwalbe oder den Elektroller von MZ. Dafür verzichte ich auch gerne auf Urlaubsflüge, weil ein innereuropäischer Flug zumeist soviel CO2- produziert, wie 25.000 km auf dem Motorrad.

     

     

    @ Gilgalad: In den späten 70ern gab es mal von Peugeot eine Automatikmofa mit Keilriemen als Endantrieb. Das hat sich aber nicht durchgesetzt. Dafür aber hin und wieder der Zahnriemen. Vermutlich meint er aber den "häßlichen" Zahnriemen zur Ventilsteuerung, welcher die "schöne" Königswelle ersetzt hat.

  • JL
    Jeremias Leserer

    Da gibt's so viel unausgesprochene Fakten auf der Welt, die dem Mensch bewusst machen könnten, dass bspw. sein Essverhalten seine CO²-Bilanz am meisten beeinflusst und dann echauffiert man sich über jemanden, der ein Hobby hat. Hr. Wagner äußert sich ja auch nicht tendenziös über taz Fahrradfahrer. Ließt mal eure eigene Netiquette

  • 2
    22765

    Wenn das Dr. T.,rip, wüsste, bekäme ER einen Lagerschaden. So schwülstig wie eine Harley-D. Fulldresser...

    Das Gute an der Übernahme ist, dass Ducati jetzt einen Technologie Transfer erhalten wird (oder umgekehrt VW) und das Ducati Finanziell abgesichert in die Zukunft fährt.

  • G
    Gilgalad

    nettes geschreibsel, aber keilriemen am motorrad, mmh, nicht mal an einer duc.