Die Wahrheit: Erotisches Finale

Bis zum Abpfiff sind der Jackie und der Hubsi unterwegs. Auf keinen Fall, hat der Hubsi gesagt, werde er sich ein Champions-League-Finale beim Renato anschauen ...

Damit das Bier im Münchner Biergarten beim Finale in der Königsklasse des Trinkens nicht schal wurde, bekam es einen Bayernschal umgelegt. Bild: dapd

... inmitten von Feierabendfuzzis und Spaghettispießern und ohne die geringste Fankultur.

Der Jackie hat gesagt, dass ihm der FC Bayern von Haus aus höchstens egal sei, aber der Hubsi hat gemeint, in diesem Falle gehe es um ein Event, da spiele sein lächerlicher Zweitliga-Patriotismus keine Rolle, und genießen könne man den Höhepunkt der Königsklasse nur in angemessener Atmosphäre.

Das wisse er auch erst, seit er neulich die Vorsitzende eines FC-Bayern-Damenfanclubs kennengelernt habe, die ihm demonstriert habe, dass durch das Drumherum eine erotische Spannung entstehe, die sich hinterher geradezu explosiv entlade. Da ist der Jackie doch hellhörig geworden und hat gemeint, anschauen könne man sich ja als Münchner selbst den FC Bayern mal.

Das Stammlokal des Damenfanclubs, eine Pilskneipe mit dem Namen „Bei Hotte“, liege zwischen Milbertshofen und Moosach, hat der Hubsi gesagt. Da gehe man am besten zu Fuß hin, weil man mit dem Auto sowieso nirgends durchkomme und die U-Bahnen sicher randvoll mit Geproll seien. Außerdem könne man so unterwegs noch ein paar Warm-up-Events im Olympiazentrum abklappern und sich schon mal in Fahrt bringen, um mit den euphorisierten Hasen mithalten zu können.

Also haben sie sich beim Renato sechs Bier für unterwegs geholt und auf dessen verwunderten Blick gesagt, er könne ihnen den Schuh aufblasen mit seinem lahmen Altherrengekicke.

Im Olympiazentrum war ein Riesenhalligalli. Der Jackie und der Hubsi haben sich von einer konsternierten Budenverkäuferin zwei Red-Bull-Wodka-Maß zusammenschütten lassen und ein paar Rappern zugeschaut, die verzweifelt versucht haben, das Werbegeschrei aus allen Richtungen zu überbrüllen.

Dann sind sie aufgebrochen, haben sich in der allgemeinen Panik aber verlaufen und niemand fragen können, weil es so laut war, und wie sie zum fünften Mal an einem Reklamestand für einen Geländewagen vorbeigekommen sind, hat der Jackie den Typen, der dort am Herumkrakeelen war, am Kragen gepackt und gesagt, wenn er nicht sofort das Brüllen aufhöre und ihm sage, wie man von hier nach Moosach komme, hole er die Polizei.

Wie sie dann endlich in der Dachauer Straße angekommen sind, hat der Hubsi zwar noch gewusst, dass die Kneipe irgendwas mit „Bei“ heißt, aber nicht mehr bei wem, also haben sie „Bei Wolfi“, „Bei Gabi“, „Bei Fritze“, „Bei Matze“, „Bei Geli“, „Bei Klaus“ und „Bei Heini“ jeweils ein kleines Bier getrunken und vergeblich nach weiblichen Fußballfans gesucht.

Dann ist es dunkel geworden, und weil der Hubsi gemeint hat, dass er sowieso nicht mehr besonders gut sieht und endlich feiern will, sind sie in den erstbesten Laden mit einem Fernseher hinein, haben „Stern des Südens“ gegrölt und erst nach einer Weile gemerkt, dass dort alles blau war.

Am Sonntagnachmittag hat der Jackie den Hubsi angerufen und gefragt, wie er heimgekommen sei, und der Hubsi hat gesagt, er sei noch gar nicht daheim, sondern am Flughafen, mit einer Meute von Engländern, die nur bemerkt hätten, dass er keiner von ihnen und nicht der auf dem Ticket angegebene Stephen Jones ist, weil er nach dem Aufwachen so einen Brand gehabt habe und ein englischer Fußballfan kein Wasser trinkt.

Da hätten sie ihm ein Bier spendiert und dann noch eins, und jetzt sitze er hier mit einem aufgewärmten Rausch und wolle von Eventkultur überhaupt nichts mehr wissen, sondern nur noch nach Hause und ins Bett.

Und da ist dem Jackie klargeworden, dass der Typ, mit dem er nach dem Spiel drei Stunden lang über die erotische Wirkung von Fußballspielen diskutiert hat, gar nicht der Hubsi war, aber das war ihm vorläufig auch vollkommen egal.

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kari

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