Die Wahrheit: Klon mit Bombengenen

Einzigartiger Freizeitpark mit geklonten Despoten aus aller Welt in chinesischen Provinz zerstört.

Welcher Kim Jong Il ist echt und welcher von den Chinesen geklont? Bild: ap

„Die Explosion kam still und heimlich, ohne Vorwarnung“, jammert Prof. August Schorf und rauft sich sein graues Haar. Wir befinden uns in der chinesischen Provinz Xingjiang, unweit der Grenze zu Kirgisistan.

Der 74-jährige China-Immigrant und Reproduktionsexperte aus Buxtehude bei Hamburg kann es immer noch nicht fassen. Der Boden ringsherum ist mit Trümmern übersät.

„Dabei stand unser Diktatoren-Freizeitpark kurz vor der Eröffnung“, sagt Schorf eindringlich und haut mit sein knöchrigen Faust frustriert auf einen Altar, der eine passgenaue, heil gebliebene Kopie des Petersdom-Altars ist. „Eine Schande“, fügt Schorf nach einer Weile zitternd hinzu. Zu seiner Rechten liegt eine halb verbrannte Hakenkreuzflagge, direkt neben einem Porträt von Stalin. „Zwei Jahrzehnte Knochenarbeit waren umsonst“, schluchzt Schorf.

Vor 22 Jahren hatte der hochaufgeschossene Professor China bereist und dort einen befreundeten Wissenschaftler getroffen. Dieser hatte ihn gefragt, ob es nicht möglich sei, Adolf Hitler und andere Persönlichkeiten der Zeitgeschichte wieder zum Leben zu erwecken. „Für mich war das natürlich zunächst eine absurde Vorstellung“, erklärt Schorf, der jedoch, einmal angestachelt von der Idee, selbst nicht mehr von ihr loskam.

Ein Jahr nach seiner Reise schrieb ihm sein befreundeter Kollege, mittlerweile als Beirat der chinesischen Regierung in Peking tätig, einen Brief: Die aufstrebende Weltmacht China brauche unbedingt einen lebensechten Freizeitpark für die Stärkung der zeitgeschichtlichen Volksbildung, hieß es darin. Und ausgerechnet Professor Schorf aus Buxtehude sollte die Leitung des Jahrhundertprojekts übertragen werden.

„Da konnte ich natürlich nicht nein sagen“, erklärt Schorf und verdreht gedankenverloren seine Augen. „Wer will schon Schafe oder Hühner klonen, wenn er sich auch am Menschen versuchen kann?“

Der Rest sei ein Kinderspiel gewesen. Als er in seiner neuen Forschungsheimat ankam, habe er ein intaktes Wissenschaftszentrum mit fleißigen und willigen Mitarbeitern vorgefunden. „Sogar das Erbmaterial hatten die Chinesen schon besorgt. Die kommen an alles ran. Ob Stalin, Hitler oder Kim Jong Il – ich hatte sie alle.

Ich hatte schon Gene von jedem Diktator in meiner Pipette“, verrät Schorf und deutet unter der Hand an, dass sogar das Erbmaterial von Angela Merkel und Barack Obama im Kühlhaus gelagert werde. „Aber wer will Merkel schon zweimal haben“, lacht Schorf kurz auf und schaut dann wieder verbittert ob der vergebenen Chancen.

Plötzlich kommt der Wissenschaftler in Fahrt und gerät ins Schwärmen. „Den kleinen Adolf hätten Sie mal sehen sollen, ein Prachtexemplar“, sagt Schorf wild gestikulierend und zeigt auf einen in Trümmern liegenden Reichsadler zu seiner Rechten. Die Faktoren Anlage und Umwelt habe er bei der Aufzucht optimal austariert, so Schorf. „Klon-Adolf war herrisch, hatte eine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung und wäre in wenigen Tagen siebzehn geworden. Er hatte sogar schon seine Rotzbremse und den Scheitel.“

Ganz so reibungslos wie erhofft sei es jedoch nicht abgelaufen. Als Problemvariable stellte sich im Nachhinein die chinesische Leihmutter heraus, eine Pädagogikstudentin aus Schanghai. „Da sie kein akzentfreies Deutsch beherrschte, konnte Adolf bis zuletzt Wörter wie ’Krieg‘ oder ’Rasse‘ nicht richtig aussprechen“, erklärt Schorf.

„Das hörte sich immer an wie ’Klieg‘ und ’Lasse‘ “, seufzt Schorf und schüttelt sein graue Forschermähne. „Unter den gegebenen Umständen war das Ergebnis dennoch nahezu perfekt. Und den Besuchern des Parks wäre der Akzent vermutlich nicht einmal aufgefallen.“

Und dann, ohne Vorwarnung, weicht die Freude der Erinnerung aus Schorfs Augen. Zurück bleibt ein gebrochener alter Mann mit wirrem Haar. Der Professor deutet auf ein kleines, ebenfalls zerstörtes Gebäude unweit der großen Halle – die Anzuchtstation, in der man Kim Jong Il aufgezogen hatte. „Kim Jong Il war einfach zu frühreif.“

Schon mit sieben Jahren hätte er im Schlafsaal seine eigene kleine Taschenatombombe gebaut, und mit neun seine Nanny in die Luft gesprengt. „Vierzehn wurde er gestern, er war frühreif – und das war’s dann“, jammert Schorf. „Alles hat Kim Jong Il Zwei zerstört, mein ganzes Leben“, lamentiert Schorf, und man ahnt, welche enorme Wucht die kleine Neutronenbombe besaß, die Kim zusammen mit Stalin und Franco im Chemieunterricht gebastelt hatte.

„Noch einmal von vorn anfangen, dafür bin ich zu alt“ sagt Professor Schorf, der Wissenschaftler aus Buxtehude bei Hamburg, dessen Lebenstraum über Nacht ruiniert wurde. Fast hätte er die Welt verändert. Zum Glück nur fast.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.