Dem Regen zugehört

Der Klang am Ende einer langen Geschichte: Der Musiker und Installationskünstler Gordon Monahan führt heute im Hamburger Bahnhof „Theremin in the Rain“ auf, bevor er nach Kanada zurückkehrt

VON TOBIAS RAPP

Es ist gar nicht so einfach, zu Gordon Monahan vorzudringen, an diesem verfrosteten Spätnovemberdienstag, an dem er im Aktionsraum des Hamburger Bahnhofs die letzten Feinheiten seiner Installation „Theremin in the Rain“ erledigen will. Einen Passierschein am Eingang gilt es zu holen, das Gebäude zu durchqueren, dann ist die Tür verschlossen, einer der Wachleute erklärt sich für nicht zuständig, funkt einen Kollegen herbei, und der lässt einen schließlich hinein. Normaler Museumsbetrieb so weit und eigentlich nicht weiter der Rede wert – würde es hier nicht um Gordon Monahan gehen. Da fällt es einem auf. Denn so unterschiedlich die Dinge waren, die Monahan in den vergangenen Jahren in den verschiedensten Berliner Locations veranstaltet hat, eines waren die Orte nie: schwer zugänglich oder gar abgeschlossen.

Tatsächlich ist der Raum auch nur deshalb abgeschlossen, weil Monahan sich um ein paar Minuten verspätet hat – noch in seiner Jacke fängt er sofort an zu erklären, was es mit all den Gerätschaften und Drähten auf sich hat, die sich über eine kleine Bühne und ein vorgelagertes Podest erstrecken: Von einem Theremin aus werde er das Tropfen von Wasser auf eine ganze Reihe von aufgehängten Tellern steuern; dieser Sound werde aufgenommen und weiterverarbeitet; die langen Drähte seien Klaviersaiten und sie würden von einem kleinen Motor zum Schwingen gebracht, der von einem Tänzer bewegt werde. Schließlich bricht er lächelnd ab: „Eine Klanginstallation ist ein Instrument.“ Man stellt sie in einem bestimmten Raum auf, passt sie dem Raum an – und dann spielt man sie.

Dutzende, vielleicht sogar hunderte von Künstlerinnen und Künstlern sind in der letzten Zeit nach Berlin gezogen – Gordon Monahan geht. Dreizehn Jahre war er hier, aber „Theremin in the Rain“ ist seine vorläufig letzte Arbeit in Berlin. Wobei ihm diese Formulierung gar nicht recht ist – er sei die ganzen Jahre schon immer zwischen Berlin und seiner Farm in Kanada hin- und hergependelt, sagt er, mit einem Schwerpunkt in Deutschland allerdings. „Das drehe ich nun einfach um, das Studio hier gebe ich nicht auf.“

Gordon Monahan war, als er 1992 auf Einladung des DAAD nach Berlin kam, bereits ein anerkannter Klangkünstler. Er hatte Physik und Musik studiert und eine Ausbildung als klassischer Pianist. Seinen Namen hatte er sich mit verschiedenen Installationen gemacht, die sich cageianisch mit der Manipulation des Klaviers oder mit der Dekonstruktion des Lautsprechers beschäftigten.

Doch in Berlin begann nun seine zweite Karriere als Trash- und Kitschkünstler, die sich parallel zu und neben seinem ernsteren Arbeiten entwickelte, sich mit diesen aber auch verband. Da gab es etwa den „Glowing Pickle“, eine Baracke am Eingang zu einem abgerockten Hinterhaus in der Brunnenstraße, die man passieren musste, wollte man sich etwa ins Boudoir begeben, einer semilesbische Deep-House-Lounge. Dorthin rettete Monahan mit einem Partner dutzende von technischen Geräten, die aus einem abgeschafften Ostgerätepark der Humboldt-Universität und der Charité stammten. Er verschaffte den Messgeräten und wieder angeschlossenen Maschinen ein neues Leben im „Glowing Pickle“, der wie ein surreal piependes und fiependes, leuchtendes Raumschiff anmutete. Um Mitternacht wurden die Kisten versteigert, das Rausgeld wurde in einer von Monahan erfundenen Währung ausgezahlt, mit der man im Grunde nichts machen konnte, als noch mehr Maschinen kaufen.

Eigentlich war das DAAD-Stipendium auf ein Jahr beschränkt, aber Monahan blieb. „Man konnte ja damals schlecht sagen, interessant hier, ich komme in ein paar Jahren noch mal wieder. Das war eine Once-in-a-lifetime-Sache, und man wunderte sich im Grunde die ganze Zeit, wie lange so ein Zustand sich halten kann – jetzt wissen wir es. Im Grunde erstaunlich lange.“ Natürlich blieb dieses Herumexperimentieren, dieses Bespielen von Räumen, die man sich einfach nehmen konnte, nicht ohne Einfluss auf sein restliches Tun. Denn so streng eine Installation wie „Theremin in the Rain“ ist: Ihr Zeremonienmeister Gordon Monahan, der in ihrem Zentrum steht, spielt auch hier auf der Saite seiner Erfahrung als Organist der Trashpop-Band Fuzzy Love weiter, mit der er regelmäßig im Schmalzwald auftrat, einer Experimentalbar, die er in den späten Neunzigern betrieb.

Monahan spricht sehr gut Deutsch – darauf angesprochen winkt er ab: das sei schlicht dem Umstand geschuldet, dass, wer sich in der Nachwendezeit im Ostteil der Stadt herumgetrieben habe, eben viel mit Menschen zu tun gehabt habe, die kein oder nur schlecht Englisch sprachen. Irgendwie muss man sich ja verständlich machen. Dies dürfte ihn vom Großteil der Künstler unterscheiden, die ihm in den vergangenen Jahren aus dem angloamerikanischen Raum nach Berlin gefolgt sind: Mittlerweile kann man sich in einer riesigen internationalen Künstlercommunity bewegen und prima klarkommen, ohne ein Wort Deutsch zu können.

„Theremin in the Rain“, heute im Hamburger Bahnhof, 20 Uhr. Um pünktliches Erscheinen wird gebeten