Kein Beifall für die Präsidentin

Der Deutsche Schwimmverband hat chaotische Tage hinter sich. Nun soll Sportdirektor Ralf Beckmann doch bleiben

BERLIN taz ■ Nichts scheint zu sein, wie es vor wenigen Tagen, im allerschlimmsten Chaos, noch gewesen war. Denn: Man redet wieder miteinander im Deutschen Schwimmverband (DSV). Nachdem der Sportdirektor Ralf Beckmann seinen Rücktritt bei den nationalen Kurzbahn-Meisterschaften in Essen verkündet hatte, soll nun am Samstag in einer Präsidiumssitzung nochmals über die Zukunft des Chefcoaches gesprochen werden. Beckmann hatte erklärt, dass er sich zurückziehe, weil der Verband ihm kein akzeptables Angebot unterbreitet habe. Nur vordergründig geht es dabei ums Formelle: Beckmann forderte einen Vertrag über fünf Jahre; angeboten wurde ihm aber nur einer über drei. Doch was sich hinter der Offerte des Verbandes verbirgt, darf Beckmann getrost als Affront auffassen. Der Coach ist 59 Jahre alt. Ihm geht es auch um eine soziale Absicherung für die nächsten Jahre. Hauptamtlich ist er als Sportdezernent in Wuppertal tätig, für seine Aufgabe als Cheftrainer aber ist er beurlaubt. Frühzeitig hatte Beckmann um Klärung gebeten, um seine Dienststelle informieren zu können. Mehrere Fristen hatte der DSV verstreichen lassen.

Beckmann, von der ehrgeizigen Präsidentin Christa Thiel kurz nach ihrem Amtsantritt im Jahre 2001 als Kapazität ersten Ranges präsentiert, hat gute Arbeit geleistet, wenngleich ihm Quartalskritiker das vermeintlich schwache Abschneiden bei den Olympischen Spielen in Athen ankreideten. Der Coach erlebte massive Eingriffe in seinen Kompetenzbereich. Beckmanns Pläne, den Wettkampfmodus nach amerikanischem Vorbild, dem Modell der Trials, zu reformieren, wurden verworfen. Auch das war ein Affront. Insider berichten, der Coach sei der als keineswegs uneitel geltenden Präsidentin zu präsent geworden, wiewohl auch Beckmanns Hang zur Selbstdarstellung manchen Athleten missfällt: „Er erhält einfach jene Aufmerksamkeit, die sie gern für sich hätte“, sagt Horst Melzer, der Coach der SG Essen und Mitglied im Trainer-Rat, dessen Stimme unter den Aktiven viel Gewicht hat.

Es ist nicht das erste Mal, dass Thiels Lavieren Unverständnis auslöst. Im Januar diesen Jahres hielt sie die Verbandsleute mit dem Plan in Atem, kurzerhand die Schwimm-WM nach Deutschland zu holen, da im vorgesehenen Veranstaltungsort Montreal finanzielle Engpässe aufgetreten waren – obschon absehbar war, dass dabei nichts herauskommt. Der Presserummel war garantiert; doch einmal mehr zeigten sich Interne verärgert über den Stil: Im DSV werde nach der Devise „Charme und Channel“ regiert; auch Aktive wie der Weltklasse-Sprinter Mark Warnecke bedienen sich gegenwärtig der Indiskretion und monieren ein dekadentes Auftreten der Chefin, die grundsätzlich erster Klasse zu Terminen fliege, während der Coach stets Economy buche. Aus all dem geht vor allem eines hervor: Basis und Spitze haben nichts mehr miteinander gemein.

Nun traten Athleten und Trainer den Diskussionen um ihren Chefcoach entgegen. Am Rande der Kurzbahn-Meisterschaften kursierte eine Unterschriftenliste. Fast alle forderten darauf den Verbleib Beckmanns. Die Erhebung der Athleten ist auch ein Misstrauensantrag gegen die Präsidentin. Zehrte sie anfänglich noch von den Meriten, dem Verband klare Strukturen gegeben zu haben, gerät sie nun immer mehr in die Kritik. „Frau Thiel will Beifall dafür erhalten, dass sie einen Fernsehvertrag abgeschlossen hat. Das ist nichts weiter als ihre Pflicht. Wir hätten sie gefeiert, wenn sie einen hoch dotierten Sponsorenvertrag abgeschlossen hätte. Aber das ist nicht passiert“, sagt Melzer. Er moniert, dass Thiel den Verband nach „Gutsherren-Mentalität“ führe. Für Christa Thiel kommt die Krise zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Sie kann im Augenblick vieles gebrauchen, nur keine Turbulenzen. Sie gilt als mögliche Kandidatin für den Vorsitz der Fusionsorganisation aus DSB und NOK. Vielleicht lenkte Thiel auch deshalb ein, weil ihr bewusst ist, dass der verbandsinterne Krach die eigenen Pläne gefährdet.

STEFAN OSTERHAUS