Teure Freundschaftsdienste: Landesförderung auf Umwegen
Niedersachsens Landesrechnungshof moniert, dass der frühere CDU-Wissenschaftsminister Lutz Stratmann ein Forschungszentrum des inzwischen insolventen Reeders Niels Stolberg illegal bezuschusste.
HANNOVER taz| Lange hat man nichts mehr vom früheren niedersächsischen Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) gehört. Seit der damalige Ministerpräsident Christian Wulff ihn 2010 aus dem Amt warf, ist er einfacher Abgeordneter. Er sagt selbst, er befinde sich auf dem Rückzug, sitzt im Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten sowie Medien, von dem er sagt, dass „da nicht gerade viel passiert“.
Kollegen nennen ihn „den teuersten Spaziergänger des Landes“, weil Stratmann seine 6.000 Euro Diät plus 1.048 Euro Aufwandsentschädigung dafür kassiert, dass er auch mal unentschuldigt dem Plenum fernbleibt.
Dass nun sein Name wieder eine Rolle spielt, dürfte den Minister a.D. nicht freuen, denn es geht um die einst enge Verbindung zum Ex-Reeder Niels Stolberg, die Stratmann auch an seine eigene, vergangene Wichtigkeit erinnert. Damals, als er Macht hatte.
Der Fall: Niedersachsens früherer Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) soll dem Reeder Niels Stolberg beim Bau des Maritimen Forschungszentrums Elsfleth trotz Kritik an dem Projekt Geld zugeschustert haben.
Die Kritik: "Obwohl eindeutige Ausschlusskriterien für eine Förderung vorlagen, hat die Spitze des Wissenschaftsministeriums unter Minister Stratmann nach kreativen Wegen gesucht, um dessen Duzfreund Stolberg aus der Patsche zu helfen", sagte Gabriele Andretta von der SPD. "Ein Minister-Spezi" habe geschäftliche Vorteile zu Lasten des Steuerzahlers erzielt, erklärte die Linke. In der heutigen Sitzung des Haushaltsausschusses wird der Fall behandelt. FEZ
Damals, als allerdings vielleicht auch nicht immer alles mit rechten Dingen zuging, wie der niedersächsische Landesrechnungshof herausgefunden hat. Demnach spielte Stratmann im Sommer 2009 eine fragwürdige Rolle bei der Finanzierung des Maritimen Forschungszentrums im Weser-Städtchen Elsfleth, dessen Konzept der Reeder Stolberg erdacht hatte.
Der warf seinerzeit mit seinem Geld geradezu um sich – über seine Verhältnisse, wie man seit der Pleite seiner Reederei Beluga Shipping vor gut einem Jahr weiß. Auf der ostfriesischen Insel Spiekeroog kaufte er sich großräumig ein, in Oldenburg wollte er eine Handball-Halle mit Nachwuchsinternat stiften, und in Elsfleth ließ er mit seinem Geld und dem der Fachhochschule Oldenburg, Ostfriesland, Wilhelmshaven das 3,6 Millionen Euro teure Forschungszentrum errichten.
Man hatte den Eindruck, nichts gehe mehr ohne Stolberg, dessen blonder Schopf oft an der Seite des Ministers Stratmann auftauchte. Eine Duz-Freundschaft. Sie hätten, sagt Stratmann heute, keinen Kontakt mehr, aber damals „das eine oder andere Glas Wein getrunken“, wohl auch auf Spiekeroog, jener Insel, die beiden am Herzen liegt.
Die Fachhochschule sollte 1,71 Millionen Euro der Baukosten für das Forschungszentrum übernehmen, Stolberg wollte den Rest finanzieren und die Anlaufkosten für zehn Jahre übernehmen. Mit solchen Versprechen trat er auf, auch deshalb war er angesehen und beliebt. Stratmann sagt, er sei damals nicht der einzige gewesen, der in Stolberg „einen honorigen Mann“ sah.
Weil es Kritik der zuständigen Behörden an dem Projekt gab, wurde Stolberg ungeduldig – und fing 2008 an zu bauen, wobei die Landeshaushaltsordnung eine Förderung bereits begonnener Baumaßnahmen untersagt. Als dann auch kein Landesgeld floss, wandte sich Stolberg an Stratmann, worauf die landeseigene Förderbank N-Bank die Unterstützung doch noch möglich machte. Im Rahmen eines sogenannten Asset-Deals sollte die FH Gebäudeteile erwerben und die in eine gemeinsame GmbH einbringen.
Höchst fragwürdig, weil die FH die Gebäudeanteile von einem Dritten hätte erwerben müssen, das Land aber bereits an der GmbH beteiligt war, der die Gebäude gehörten. Sollte da das Verbot der Förderung trickreich umgangen werden? Die Fördermittel tröpfelten dann aber erst nur, worauf ein Mitarbeiter Stolbergs per E-Mail an Stratmann um Beschleunigung bat. Der Minister kritzelte auf den Mail-Ausdruck: „Das ist wirklich unerträglich. Das Thema muss jetzt erledigt werden.“ Wenige Tage später war das Geld dann offenbar da.
Stratmann sagt, er habe damals erstmals von Asset-Deals gehört; dass das angreifbar sein könne, habe er nicht gewusst. Weil alle das Forschungszentrum wollten, habe er entschieden, es so zu machen, wie es die N-Bank vorgeschlagen hatte. „Und ich würde das immer wieder so machen“, sagt der Minister a.D.
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