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Einigung bei Finanztransaktionssteuer naht„Attac wird trotzdem noch gebraucht“

Attac-Gründer Peter Wahl über die Annäherung von Regierung und Opposition bei der Finanztransaktionssteuer, angedeutete Ausnahmen und taktische Schlaumschlägereien.

Protest gegen den Fiskalpakt vor dem Kanzleramt. Bild: dapd
Malte Kreutzfeldt
Interview von Malte Kreutzfeldt

taz: Herr Wahl, ist die Einigung beim Spitzengespräch von Regierung und Opposition der Durchbruch für die Finanztransaktionssteuer?

Peter Wahl: Es auf jeden Fall eine ganz wichtige Weichenstellung und insofern sehr positiv. Aber in trockenen Tüchern ist die Sache noch nicht, denn bei den weiteren Verhandlungen kann das Konzept noch stark verwässert werden. Der Druck darf darum nicht nachlassen.

Was für Verwässerungen befürchten Sie denn?

In dem verabschiedeten Papier werden ja schon Ausnahmen angedeutet, etwa für Pensionsfonds. Dazu darf es nicht kommen.

Ist es nicht nachvollziehbar, dass mühsam angesparte Privatrenten vor der neuen Steuer geschützt werden?

Nein. Denn betroffen wären ja nur solche Fonds, die aktiv spekulieren, indem sie ihr Portfolio häufig umschichten. Bei ordentlichen Pensionsfonds, die längerfristig agieren, fiele die Steuer praktisch nicht ins Gewicht.

Peter Wahl

Der 64-Jährige ist Mitgründer von Attac Deutschland. Attac war 1998 in Frankreich als „Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürger“ entstanden.

Wie unterscheidet sich das jetzt diskutierte Modell denn von dem, was Attac und andere Gruppen ursprünglich gefordert haben?

Zum einen bei der Verwendung der Einnahmen: Da war für uns immer klar, dass sie teilweise für Umwelt und Entwicklung genutzt werden, während es jetzt nur um Eurokrise und Wachstum geht. Ansonsten kommt das Modell unseren Vorstellungen schon recht nahe – abgesehen davon, dass gerade Devisengeschäfte, die bei der ursprünglichen Tobinsteuer im Mittelpunkt standen, zu niedrig besteuert und teilweise ausgenommen werden. Hier fordern wir Nachbesserungen. Der Handel mit Anleihen und Derivaten ist komplett erfasst, könnte aber auch noch höher besteuert werden. Aber es ist ein guter Anfang.

Wie schnell kann die Steuer denn jetzt Realität werden?

Wenn tatsächlich der politische Wille da ist, kann schon nächste Woche bei der EU-Finanzministertagung der Prozess für die verstärkte Zusammenarbeit, also das gemeinsame Handeln von mindestens neun Staaten, begonnen werden. Dann kann innerhalb von wenigen Monaten die Entscheidung fallen und die technische Implementierung beginnen. Erhoben werden könnte die Steuer Mitte 2013, spätestens Anfang 2014.

Im Gegenzug stimmt die Opposition jetzt dem Fiskalpakt zu, den Attac scharf kritisiert. Ist das die Sache wert?

Diese Alternative stellt sich in der Realität nicht, denn die SPD hat leider nie ernsthaft erwogen, dem Fiskalpakt nicht zuzustimmen. Das war nur taktische Schaumschlägerei.

Wenn jetzt sogar die FDP einer umfassende Finanzsteuer selbst im kleinen Kreis zustimmt, wird Attac dann eigentlich noch gebraucht?

Selbst wenn die Steuer jetzt tatsächlich kommen sollte, sind die ganz großen Probleme damit nicht vom Tisch. Die Regulierung der Finanzmärkte bleibt auf der Tagesordnung. Wenn ich mir angucke, was da bisher passiert ist, fürchte ich, dass Attac noch lange gebraucht wird.

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3 Kommentare

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  • H
    Hans

    Buzz, Buzz, Buzz. Alles nur Buzz. Die Regierung und der opportune Teil der Opposition haben sich für etwas ausgesprochen, was zwar vor ein paar Jahren noch interessant gewesen wären, doch mittlerweile völlig egal ist.

     

    Die Regierung hat mit unseren Steuergeldern die Banken ausgezahlt und macht jetzt mit dem Fiskalpakt wider der Verfassung den Laden damit dicht.

     

    Bald wirds hier finster in Europa. Nicht nur dass sie unsere gemeisname Währung killen wollen, sondern die Armen noch ärmer...

     

    Gute Nacht Deutschland, gute Nacht Europa, war schön mit euch.

  • C
    chris

    Sorry liebe Leute; träumt mal schön weiter

     

    So gern ich die Einführung der Transaktionssteuer sehen würde. Die bisher abgesprochenen Annäherung ist nicht das Papier wert, auf dem sie steht. Es ist nicht nur die Ausnahmen der Pensionsfonds, sondern es sind die insgesamt zu schwammigen Definitionen und wenig konkreten Anwendungsbereiche und Instrumente. Man landet schon allein deshalb nur bei der früheren Börsenumatzsteuer und/oder der englischen "Stamp Duty". wenn überhaupt jemals was dabei n der Praxis rauskommt. Die Einschätzungen Poffallas und Schäubles ("kommt so alles eh nicht") sind alllein aus praktischen Grründen richtig.

     

    Und da ist auf der andere Seite das bisher in den Papieren enthaltene, "darf nicht die realwirtschaft behindern". Na ja, jeder "Steuer" behindert qua Definition irgendwie die Realwirtschaft. Ebenso sind unzählige weitere Sätze und Begründung in den Papieren enhalten, die zum Ausstieg bzw. zur Verzögerung genutzt werden können.

     

    Die "Erfolge" beim Thema Wachstum sind noch kleiner. Alles bereits heute durch Umwidmung von Mitteln möglich, die Aufstockung der Mittel der Europäischen Investitionsbank (EIB) sind die sprichwörtlichen Peanuts. Altschuldentilgungsfonds gibt es ebenfalls schon in der Praxis (da eben nicht mehr alle Schulden bedient werden, müssen Abschläge in Kauf genommen werden) und wird nicht in der Form kommen, wie sich SPD/Grüne das vorstellen. Projektbonds sind gleichfalls unzureichend, um allein die seit mehr als 10 Jahren De-Industrialisierung in weiten teilen Europas auch nur annähernd aufzufangen.

     

    Im Ergebnis ist die ganze Veranstaltung eine große Schaumschlägerei, bei der es nur darum geht, dass SPD/Grüne für die 2/3 Mehheit zum "Fäkalpakt" sorgen. Auch das deutet Peter Wahl ja richtig an. Es gab und gibt keinen ernsthaften Ansatz, hier nicht zuzustimmen. Wenn man als Opposition aber (i) die Richtung der Regierung im Prinzip teilt und (ii) keine alternative anbietet, dann muss man (iii) einige Feigenblätter bekommen, damit man sich die Zustimmung dann doch mit großer medialer Show "abringen" lässt. Sorry, was für luschen. Und die Medien machen hier noch brav mit! Wenn man schon nicht ernsthaft opponieren will, dann bitte nicht das Maul aufreißen und mit intellektueller Demenz glänzen!

     

    Einzig Die LINKE opponiert und bietet durchaus realistische Antworten an. Ob sie alle stets richtig sind mag man ja bezweifeln und es politisch sicher alles ganz igitt. Aber hier wird zumindest ein Mindestmaß an demkoratischer Ernsthaftigkeit an den Tag gelegt und die Mögliekeit des Politikwechsels angedeutet. Aber in dem Zustand ist mit SPD/Grünen leider kein Blumentopf zu gewinnen. "Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix"

     

    Schade wieder mal eine glänzende Gelegenheit verpasst, die Nullnummer von Regierung abzuwatschen und "Mutti" vorzuführen!

  • L
    lukas

    Der Fiskalpakt, initiiert von den Deutschen,

    schafft die Demokratie in den Beitrittsstaaten ab

    unter Gewährung diktatorischer Machtbefugnisse

    auf die Haushalte ganzer Nationen!!!!

     

    Deutschland bringt wieder das Joch und die Abschaffung der Demokratie über Europa

    im Bilde einer "weiblichen Vernunft", die es

    nicht gibt.

    Egal wie die Sache ausgeht, Deutschland ist

    durch diesen höchst hirnverbrannten Autoritarismus

    für die Folgeschäden im eigenen Land und

    bei den beteiligten Nationen mitverantwortlich!!!!!

    Das heißt, wir zahlen noch mehr, verlieren noch

    mehr wirtschaftliche Substanz und beteiligen uns

    an der kulturellen Auslöschung der kleiner

    EU-Mitgliedsstaaten!

    Die SPD wird wieder ein Steigbügelhalter der Idiotie.

     

    Der Fiskalpakt für zum repräsentativen

    Parlamentarismus und das darf nicht sein.

    Die Staatsanleihenpapiere müssen selektiv entwertet

    werden, um die Völker über den Schuldscheinbesitzern

    zu stellen. Das gebietet die Menschenrechtskulturtradition Europas!!!

    Deutschland soll niemals für Südeuropa haften!!!!!!!

    Deutschland soll niemals Südeuropa entvölkern!!!

    Nie wieder Gauleiter, nie wieder Bürokratenherrschertum, nie wieder Abschaffung

    der Bürgerrechte und der bürgerlichen Kulturinstitutionen! Nie wieder Parteienfilz

    an den Hochschulen! Nie wieder Blankohaftungsschecks

    für den Mist Klüngelinkompetenzler!