Blauhelm-Mission in Syrien gescheitert: Die UN ist ratlos und uneinig
Der Leiter der Blauhelme vor Ort begründet im Sicherheitsrat die Unterbrechung seiner Mission, die in einem Monat ausläuft. Die politischen Differenzen bestehen weiter.
GENF taz | Nach dem faktischen Scheitern der UN-Misson (Unmis) in Syrien mit 300 unbewaffneten Militärbeobachtern herrschen im Sicherheitsrat und unter den zuständigen UN-Funktionären große Ratlosigkeit und Uneinigkeit.
Auf einer vertraulichen Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates in der Nacht zum Mittwoch begründete der norwegische Leiter der Unmis, General Richard Mood, seine Entscheidung vom Wochenende, die Mission zunächst auszusetzen.
Angesichts der Kämpfe zwischen Getreuen von Staatschef Baschar al-Assad und der Opposition sei die Arbeit für die Blauhelm-Soldaten zu gefährlich geworden.
Allein in der vergangenen Woche seien die Beobachter bis zu zehnmal beschossen oder von Gruppen angegriffen worden, sagte der Norweger nach Angaben von Teilnehmern in der von Deutschland beantragten Ratssitzung.
Um die Mission wieder aufzunehmen, müssten sowohl die Regierung als auch die Opposition den Beobachtern Bewegungsfreiheit zusichern, sagte Mood. Die Regierung habe ihm ein solches Versprechen in den vergangenen Tagen bereits gegeben, nicht aber die Opposition.
„Im Moment haben wir entschieden, die Mission und ihr Mandat nicht zu verändern – ihre Aktivitäten bleiben aber ausgesetzt“, erklärte der französische Chef der UN-Abteilung für friedenserhaltende Einsätze, Untergeneralsekretär Hervé Ladsous, nach der Sitzung des Sicherheitsrates.
Er erinnerte daran, dass das aktuelle Mandat des Rates für die Unmis am 20. Juli ausläuft. „Also müssen wir sehr schnell darüber nachdenken, was unsere Optionen für die Zukunft sind.“
Neben einem endgültigen Abbruch der Mission hätte der Rat zumindest theoretisch die Option, die Zahl der Militärbeobachter erheblich aufzustocken und sie mit einem neuen, robusteren Mandat zu versehen.
Waffen erlauben
Damit hätten sie eine größere Unabhängigkeit von den syrischen Sicherheitskräften und mehr Bewegungsfreiheit. Außerdem würde das die Durchsetzung gegenüber allen Konfliktparteien notfalls mit Waffengewalt erlauben.
Doch die Chancen für eine Einigung der fünf Vetomächte des Rates auf ein entsprechendes Vorgehen sind gering.
Zwar hatten US-Präsident Barack Obama und der russische Präsident Wladimir Putin nach einem Gespräch am Rande des G-20-Gipfels im mexikanischen Los Cabos zunächst übereinstimmend erklärt, dass sie einen politischen Übergang zu einem „demokratischen und pluralistischen System“ in Syrien unterstützen.
Doch zum Abschluss des Gipfels betonte Obama den Dissens: „Ich will nicht vorspielen, dass derzeit die USA und der Rest der internationalen Gemeinschaft mit Russland und China auf einer Linie sind“, erklärte er.
Russland und China sind dagegen
In Gesprächen mit Putin und dem chinesischen Staatsoberhaupt Hu Jintao habe er „klargemacht, dass Syriens Präsident Baschar al-Assad aus Sicht der US-Regierung auf keinen Fall an der Macht bleiben könne“. Putin und Jintao hätten sich dieser Haltung aber „nicht angeschlossen“.
Russische und US-amerikanische Diplomaten konnten auf Anfrage der taz Meldungen aus syrischen Oppositionskreisen in Istanbul nicht bestätigen, wonach Moskau undWashington bereits über einen konkreten Plan für einen Machtwechsel in Syrien diskutieren.
Der angebliche, bislang nicht veröffentlichte Plan, dessen Text ein ehemaliger syrischer Diplomat am Mittwoch unter Regimegegnern verbreitete, sieht die Gründung eines Militärrates für eine Übergangszeit vor. Was aus Assad und seiner Familie werden soll, wird nicht erwähnt.
Leser*innenkommentare
Thomas H
Gast
Es wird den Versuch eine Deals zur Eindämmung der Syrien-Krise geben, zwischen den das Assad-Massenmordregime am Leben haltenden Mächten Russland und China auf der einen, und den USA, der EU und der Arabischen Liga auf der anderen Seite.
Aber der versuchte Deal (Amtsenthebung Assads und Entmachtung seines megakorrupten Familienklüngels durch einen eingesetzten syrischen Militärrat) wird an den hochkomplexen innersyrischen Gegebenheiten und an zahlreichen weiteren Faktoren scheitern (wie z.B. dem Umstand, dass einflussreiche Kreise innerhalb der Machteliten in Moskau und Peking die USA und den Westen in Syrien stellen und schlagen wollen, im engen Bündnis mit dem nach atomarer Bewaffnung strebenden Mullahregime in Iran, und deren Hisbollah-Legionären in Libanon und Syrien).
Für eine Eindämmung und Befriedung des innersyrischen Konflikts ist es längst zu spät, egal mit welchen Mitteln man es versucht.
Der Konflikt wird sich ausbreiten und eine Folge weiterer Konflikte hervorbringen, die in weiteren inner- wie zwischenstaatlichen Waffengängen miteinander reagieren werden, bei immer wieder wechselnden Bündniskonstellationen.
Putins Russland selbst bereitet gegenwärtig die Zündung einer weiteren Eskalationsstufe im Konflikt um Syrien vor, indem es die Entsendung von Elitetruppen und großer Mengen an Kriegsmaterial nach Syrien eingeleitet hat, zur Unterstützung des zunehmend wankenden verbündeten Assad-Regimes.
Zugleich erreichen die Auflösungstendenzen innerhalb der syrischen Regime-Streitkräfte inzwischen für jeden offen sichtbar auch die syrische Luftwaffe:
Colonel Hassan Hamada von der syrischen Luftwaffe hat sich heute mit seiner MIG 21 nach Jordanien abgesetzt und dort um politisches Asyl ersucht:
http://english.alarabiya.net/articles/2012/06/21/221891.html
Eure Mitteilungen
Gast
Die Gesprächsbereitschaft der Amerikaner und Briten bedeutet m.E. vor
allem eines - sie kommen mit ihrer sonst üblichen Strategie der
Destabilisierung und Staatszerstörung in Syrien nicht durch, Assad
kann sich gegen die Terroristen und ihre Hintermänner in der NATO und
den Golfdiktaturen behaupten.
Wäre es anders, würden die gewaltfixierten Angelsachsen niemals auf
russische Gesprächsangebote eingehen und sich schon gar nicht mit
Assad an einen Tisch setzen, sondern es würde das libysche Szenario
bis zum blutigen Ende durchgezogen werden. Zum Schluss dürfte dann
Killary Clinton wieder zynische Witze über öffentliche Lynchmorde
machen...
Aber in Syrien läuft die Sache zum Glück anders. Aktuell wird in Homs
durch den Roten Halbmond und das Rote Kreuz gerade die Evakuierung
der Zivilbevölkerung vorbereitet. Dann haben die Islamisten und
Söldnerbanden keine menschlichen Schutzschilde mehr. Es wird danach
vermutlich nicht allzu lang dauern, bis die regulären Truppen dem
Spuk der Bombenleger und Kehlendurchschneider in Homs ein Ende
gemacht haben. Hoffentlich erwischen sie sie alle.
Insgesamt sieht es momentan so aus, als bestünde durchaus Hoffnung
für Syrien. Hoffnung auf eine Niederlage der Terroristen, Hoffnung
auf den Fortbestand des laizistischen Staates, Hoffnung auf
Fortführung des demokratischen Wandels im Land. Alles Dinge, die für
die islamistischen Ölpotentaten am Golf komplett des Teufels bzw. des
Scheitans sind. Dagegen helfen nur Leopardpanzer, so viele wie
möglich...
Thomas Sch.
Gast
Die Überschrift trifft es diesesmal gut: ratlos. Denn anstatt eine schöne und gut sichtbare Grenze sichern zu können, wo auf der einen Seite die (bösen) "Regierungstruppen" stehen und auf der anderen Seite die (guten) "Aufständischen", -so, wie es sich der unbedarfte (sorry) Durchschnittslinke eben so wünscht- gibt es hier fein zu unterscheiden zwischen Alawiten, Alewiten, drusischen Milizen, der Hisbollah, den Christen, der Fatah, weiteren Einflüssen aus dem Libanon, Jordanien, dem Iran und Saudi-Arabien, nur um die bekanntesten zu nennen. Die weiteren Interessengruppen, die alle überall ihr Süppchen kochen und überall auch jeweils über bestimmte Einflüsse verfügen, können wohl nur eine handvoll Orientspezialisten kennen und beurteilen. Daß da eine unbedarfte Truppe keinen Überblick gewinnen kann und wahrscheinlich vollkommen hilflos agiert, merkt man dann eben doch. Die wußten da möglicherweise einfach nicht, wen sich vor wem zu beschützen hatten. Tja, so wie Klein-Fritzchen (ob links, ob rechts) sich den Orient vorstellt; da hapert´s dann doch gewaltig.