Krise? Welche Krise?

CHAMPIONS LEAGUE Nach dem Aus von Manchester United wird sich wohl kein englisches Team fürs Viertelfinale der Eliteliga qualifizieren. Sind die Inselkicker jetzt am Ende?

VON MARKUS VÖLKER

Dem Sir hatte es die Laune verhagelt, und zwar so gründlich, dass er nicht zur obligatorischen Pressekonferenz nach dem Spiel erschien. Alex Ferguson, seit zig Jahren Trainer von Manchester United, schickte am Dienstagabend seinen Assistenten Mike Phelan vor. Es war eine Szene in der 56. Minute, die Ferguson verärgert hatte: Manchesters Nani war mit seinem rechten Fuß etwas unbeholfen in Alvaro Arbeloas Oberkörper gerauscht.

Nani blieb liegen, und als er wieder aufstand, zeigte ihm der türkische Schiedsrichter Cuneyt Cakir zur Überraschung die Rote Karte. Eine harte Entscheidung, die das Spiel auf den Kopf stellte. Bis zu dieser Szene war Manchester United die bessere Mannschaft, führte verdient mit 1:0. United schien die Ehre der englischen Teams retten und als einzige Elf aus dem „Mutterland des Fußballs“ ins Viertelfinale der Champions League einziehen zu können (Arsenals Weiterkommen scheint nach dem 1:3 im Hinspiel gegen rauschhafte Bayern nachgerade unmöglich).

Doch in Unterzahl waren die Roten von der Insel machtlos gegen clever aufspielende Real-Profis, die einen 2:1-Sieg feierten. Nun droht der Worst Case: Kein englisches Team in der nächsten Runde; seit 1996 hat es das nicht mehr gegeben. Steht es also schlecht um den englischen Fußball? Ist er in einer schweren Krise? Wie so oft gibt es darauf keine eindeutige Antwort. Einerseits werden Englands Eliteklubs von zumeist asiatischen Investoren mit Geld überhäuft beziehungsweise zugeschissen, ferner sind die TV-Gelder in astronomische Höhen geklettert; in der kommenden Spielzeit werden die 20 Topklubs jährlich 1,9 Milliarden Euro einnehmen. Andererseits machen viele Vereine, auch die Großen, Schulden. Einerseits ist der FC Chelsea zuletzt Champions-League-Sieger geworden, andererseits ist er heuer schon in der Gruppenphase rausgeflogen. Einerseits liegt England in der Uefa-Fünfjahreswertung vor den Deutschen und den Italienern auf Platz zwei, andererseits haben die Engländer in dieser Saison an Boden eingebüßt. Einerseits ist immer mit den Engländern zu rechnen, andererseits: aktuell eher weniger. Woran das liegt? Vielleicht auch am Zufall, denn hätte der türkische Referee keine Rote Karte gezückt und hätte United gesiegt, dann würde wohl kaum über den Abschwung im englischen Fußball diskutiert werden.

Gut, es mag eine konjunkturelle Delle geben, aber die Flutung des englischen Fußballs mit Petrodollars und Oligarchen-Pinkepanke ermöglicht auch in Zukunft große Sprünge. Man wird allerdings schauen müssen, ob das viele Geld nicht wie bisher zum schlechten Wirtschaften verführt und quasi ein Freibrief ist für Spielerkäufe nach dem Gießkannenprinzip. Der Manager eines englischen Topklubs mag sich bisher gedacht haben: „Was scheren mich meine Fehler von gestern, heute kommt ja schon der nächste dicke Scheck.“ Aber ist Geld alles? Natürlich nicht, Geld, das beweisen Forschungsergebnisse aus der Psychologie und den Wirtschaftswissenschaften, taugt nicht besonders als guter Motivator. Da müssen für hoch bezahlte Profis schon andere Anreize her: Der FC Bayern versucht sich gerade modellhaft an die Spitze der Bewegung für nachhaltige Fußballkultur zu setzen. Aber den Fußball wird man an der Säbener Straße nicht neu erfinden. Das haben die Leute von der Insel schon erledigt. Und in Sachen Tradition und Kontinuität muss sich ManU nicht verstecken.

Mit ein bisschen Glück hätte ManU die Madridistas locker aus dem Wettbewerb gekickt. In diesem Fall hätten Fußballjournalisten und Fans aufgeregt die Frage diskutiert, ob der spanische Fußball in einer Krise steckt. Kriegt denn nicht auch der FC Barcelona in der letzten Zeit die Hucke voll? Reals Trainer, José Mourinho, wusste am Dienstagabend sehr wohl, dass sein Team ziemlichen Dusel gehabt hatte. Die bessere Mannschaft habe verloren, sagte er. Aber wen interessiert das noch, wenn die Krise des englischen Fußballs ausgemachte Sache ist.