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Gewalt in SyrienAnnan lädt ein, aber nicht alle

Der nächste Anlauf zum Ende der Gewalt findet am Samstag in Genf statt. Die UNO legt einen Bericht zu den Massakern von Hula vor. Präsident Assad spricht nun auch von „Krieg“.

Der Direktor des zerstörten TV-Senders spricht zu regimetreuen Kollegen, die wiederum linientreu über die Attacke berichten. Bild: sana/reuters

BERLIN taz | Syrien gleitet nach Überzeugung unabhängiger Ermittler unaufhaltsam in einen Bürgerkrieg ab, wenn der UN-Sicherheitsrat nicht einschreitet. Der internationale Syrien-Gesandte Kofi Annan rief die ständigen Mitglieder des Rats und die Türkei zu einer Konferenz über die Lage in Syrien zusammen.

Der Iran und Saudi-Arabien seien nicht eingeladen, hieß es in der Ankündigung am Mittwoch. Allerdings sollten der UN-Generalsekretär und Gesandte aus dem Irak, Kuwait und Katar dazukommen. Bei der Konferenz am Samstag in Genf sollen Möglichkeiten ausgelotet werden, die Gewalt in Syrien zu stoppen.

Deutschland wird beim ersten Treffen der neuen „Aktionsgruppe“ am Samstag aller Voraussicht nach nicht dabei sein. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte die Verständigung auf eine solche Runde am Mittwoch in Berlin jedoch.

Der Vorsitzende der vom UN-Menschenrechtsrat berufenen Untersuchungskommission für Syrien, Paulo Pinheiro, erklärte am Mittwoch in Genf, die Gefechte zwischen Regierungstruppen und der Opposition seien „dramatisch eskaliert“.

Aus den friedlichen Protesten wurde ein Bürger- und Religionskrieg

Die Kämpfe würden auf immer mehr Landesteile übergreifen, heißt es im neuen Lagebericht, den Pinheiro dem Menschenrechtsrat vorlegte. Sie hätten inzwischen den Charakter eines „nicht-internationalen bewaffneten Konflikts“ – mit dem Begriff wird im humanitären Völkerrecht ein Bürgerkrieg bezeichnet. Zudem gebe es immer mehr Anzeichen dafür, dass „Opfer wegen ihrer Religionszugehörigkeit angegriffen wurden“.

Wer die Massaker in der syrischen Region Hula mit mehr als 100 Toten verübt hat, die im Mai weltweit für Entsetzen sorgten, konnte die Kommission nicht genau ermitteln. Sie geht aber nach umfangreichen Ermittlungen davon aus, dass die Täter vermutlich zum Regierungslager gehören. Die Vorgehensweise gleiche der bei früher dokumentierten Bluttaten, für die die Regierung verantwortlich sei. Aus Protest gegen den Bericht verließ der syrische UN-Vertreter Faisal al-Hamwi den Saal.

Erstmals Einigkeit zwischen Syrien und der UN

Immerhin bei einer Sache sind sich UN und Baschar al-Assad einig: der syrische Präsident sieht sein Land ebenfalls im Kriegszustand. „Unsere gesamte Politik, Anordnungen und alle Bereiche werden darauf ausgerichtet sein, diesen Krieg zu gewinnen“, sagte er am Dienstag bei einer Rede vor dem neuen Kabinett in Damaskus. Nach Angaben von Aktivisten kamen am selben Tag landesweit mindestens 87 Zivilisten bei Kämpfen und Angriffen von Regierungstruppen ums Leben. Außerdem seien insgesamt 49 Kämpfer der Aufständischen und Regierungssoldaten getötet worden.

Bei einem Überfall auf einen regimenahen privaten Fernsehsender in Syrien wurden am Mittwoch nach Angaben des syrischen Informationsministeriums mindestens sieben TV-Mitarbeiter getötet. Eine nicht näher genannte Zahl von weiteren Angestellten sei verletzt oder von den Angreifern verschleppt worden. Nach Angaben von Mitarbeitern des betroffenen Senders al-Ichbarija hatten schwer bewaffnete Aufständische zwei Gebäude des Senders rund 20 Kilometer südlich der Hauptstadt Damaskus gestürmt und dort Studios verwüstet. (mit dapd, dpa, afp)

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8 Kommentare

 / 
  • H
    hbpbuz

    An Thomas H:

     

    Sie verlangen von mir, Belege für meine Behauptungen zu liefern. Bevor Sie weitere falsche Behauptungen aufstellen, müssen Sie die von mir gestellten, konkret genug formulierten Fragen beantworten.

    Der Bezug auf die türkische Zeitung Sabah ist schlichtweg falsch. Sabah enthält einen solchen Bericht nicht. Man findet lediglich relativ kurzen Artikel, in dem behauptet wird, dass 8 Armeeangehörige in die Türkei geflüchtet sein sollen. Eine Bezugnahme auf MIT enthält der Artikel nicht. Auch die von Ihnen genannte russische Seite beruft sich auf die Zeitung Sabah. Wie bereits erwähnt enthält Sabah kein Wort über 1/3 oder 100.000 Soldaten. Daher müssen Sie sich bezüglich Verbreitung von falschen Informationen etwas Besseres einfallen lassen. Z. B. könnten Sie eine Afrikanische Zeitung als Quelle nennen, deren Richtigkeit man aus sprachlichen Gründen nicht überprüfen könnte.

    Bezüglich der Zeitung Sabah müssen Sie die Eigentümerverhältnisse dieser Zeitung herausfinden. Allein dies stellt die Objektivität der genannten Zeitung in Frage.

     

    Zu der Sache mit dem „Heiligen Krieg“: In der Alawitischen Glauben als Teil des Islams existiert so etwas wie Heiliger Krieg nicht. Wenn Sie jedoch etwas Gegenteiliges behaupten, müssen Sie mir Ihre Quelle nennen.

    Ich warte auf Antworte…

  • TH
    Thomas H

    Interessante aktuelle Meldung der russischen Nachrichtenagentur RIA NOVOSTI:

     

    "Seit Beginn der Kämpfe in Syrien ist laut Medien bereits ein Drittel der Regierungsarmee desertiert und auf die Seite der Rebellen gewechselt. Fast zwei Drittel des syrischen Territoriums wird demnach von der bewaffneten Opposition kontrolliert.

     

    Von den 300 000 syrischen Soldaten seien rund 100 000 auf die Seite der oppositionellen Freien Syrischen Armee gewechselt, schreibt die türkische Zeitung „Sabah“ unter Verweis auf einen Bericht des türkischen Geheimdienstes MIT. Rund 60 Prozent des syrischen Territoriums stünden unter Kontrolle der Opposition. Rund 600 Armeeangehörige, darunter 20 Generäle, seien aus Syriern geflüchtet, so Sabah weiter. Allein in der Türkei würden sich mindestens syrische Offiziere aufhalten. ..."

     

    Quelle:

    http://de.rian.ru/politics/20120629/263900856.html

     

    Alles nur finstre "al Qaidamitglieder, Dschihadisten, Muslimbrüder ... und Salafisten"?

     

    Wohl kaum.

  • TH
    Thomas H

    "Die FSA besteht zu 100 % von al Qaidamitglieder, Dschihadisten, Muslimbrüder (besser Verbrecherbrüder) und Salafisten."

     

    @hbpbuz

     

    Ihre unbelegte Behauptung kann so nicht stimmen. Denn die Free Syrian Army (FSA) entstand im letzten Jahr auf der Basis von damals bereits über 10.000 Deserteuren der syrischen Streitkräfte, darunter zahlreiche mittlere und hohe Offiziersränge, von denen keiner einen radikalislamistischen Hintergrund hatte.

     

    Es waren einfach syrische Soldaten und Offiziere (darunter viele langjährig gediente Berufssoldaten), die ihrem Gewissen folgend nicht mehr länger den Shabiha-Mörderbanden des Assad-Minderheitsregimes bei der Terrorisierung der eigenen Zivilbevölkerung assistieren wollten.

     

    Den militärisch schlagkräftigen Kern der FSA stellen also zehntausende einstige Soldaten und Offiziere des syrischen Assad-Regimes, und somit nicht "al Qaidamitglieder, Dschihadisten, Muslimbrüder ... und Salafisten".

     

    Die von Ihnen genannten sunnitischen Dschihadisten sind vielmehr opportunistische Trittbrettfahrer der syrischen Revolution, welche z.T. noch bis vor wenigen Monaten von Assads Geheimdienst gegen Libanon, Israel, die Türkei und den Westen in Stellung gebracht und unterstützt worden waren. Einige dieser trittbrettfahrenden (und propagandistisch über die Maßen aktiven) sunnitischen Dschihadisten in Syrien werden nun offenbar von den Saudis und anderen feudalistischen Golf-Autokratien instrumentalisiert, die ihrerseits keinerlei Interesse an einer Demokratisierung in einem Syrien nach Assad haben.

     

    Al Qaida operiert in Syrien nicht im Interesse der überwiegend bürgerlichen, linken und kurdischen syrischen Opposition und der FSA, sondern im Interesse der Aufmunitionierung von Assads antioppositioneller Propagandahetze, auf die auch hier so manche/r nur allzu bereitwillig hereinzufallen gewillt ist.

    Der sichere Rückzugsraum von Al Qaida -samt umfassender bereitgestellter Logistik- befindet sich seit Jahren schon im Iran, dessen islamistisches Mullahregime zufällig der wichtigste Verbündete Al Assads ist.

     

    Auf Seiten des mittlerweile wankenden Assad-Regimes kämpfen und morden übrigens diverse nahöstliche dschihadistische Terrorgruppen mit, insbesondere Pasdaran, Hisbollah, Mehdi Armee und Islamic Jihad.

     

    Viele Shabiha-Milizionäre des Assad-Regimes verstehen sich ihrerseits als alawitisch-schiitische 'Heilige Krieger' und 'Märtyrer' im uralten innermuslimischen Glaubenskrieg.

     

    Aber das wussten Sie ja sicher bereits alles, und hatten halt nur vergessen, es hier zu erwähnen, stimmt's?

  • R
    radic

    von solchen Journalisten wie Fr. Zajcek die bei dt. Propaganda-Maschine wie ARD gearbeitet hat und von CNN gekrönt worden ist, kann man nichts weiteres erwarten als solchen pro-dt. imperialisitischen Artikel zu schreiben.

  • H
    hbpbuz

    an Thomas H:

    und die Verfasserin des Artikels

     

    erst an Thomas H

    Sie sprechen so schon von Terroristentruppe FSA, als ob diese Verbrecher und Mörder im Sinn einzig und allein Freiheit und Demokratie haben.

    Meine Frage an Sie, woher beziehen Sie die Information über 60 %?

     

    zweite Frage: Die FSA und ihr Handlanger haben das Verbrechen in Hula begangen. Im Norden Syrien wurde ein Bus gestoppt und die 10 Insassen einer Minderheit ermordet, durch die von Ihnen als gute bezeichnete Terroristen. Ist denn das kein Verbrechen?

     

    dritte Frage: Wenn man Vereine in Deutschland verbietet, ist dies eine Unterdrückung?

    Die FSA besteht zu 100 % von al Qaidamitglieder, Dschihadisten, Muslimbrüder (besser Verbrecherbrüder) und Salafisten. Wenn man die Vereine der Salafisten verbietet, dann ist in Ihren Augen auch eine Unterdrückung?

     

    vierte Frage: Gehen Sie dann davon aus, dass der folgende Satz stimmt: Zweck heilt das Mittel?

    Wenn die "friedlichen" FSA-Terroristen sich von Urfaschisten USA und Saudi Arabien unterstützen lassen, können wir davon ausgehen, dass die genannten Urfaschisten niemals ohne Gegenleistung das tun.

     

    an die Verfasserin:

    Berechtigt der Umstand den Terroristen die Tötung von Mitarbeitern eines Fernsehersenders, weil die getöteten regimetreu sind?

    Nach der gängigen Definition des Begriffs Terroristen würden diese Verbrecher unter den Begriff fallen.

    Sie beziehen ihre Information ausschließlich von dieser Terroristengruppe und ich glaube mittlererweile fest daran, dass Sie die ganz bewusst tun. Schließlich ist ja jetzt Mode gegen Assad zu sein.

    Mit Mitläufern ist die Geschichte überfüllt, liebe Mitläuferin.

    Wenn Sie so objektiv sind, fahren Sie doch einfach dahin, wo die Flüchtlinge sich in der Türkei aufhalten (Antakya) und fragen Sie das dortige Volk, was Sie von diesem Konflikt halten.

  • HS
    Hari Seldon

    @thomas h.:

     

    Gestern meldete FSA Angriffe gegen FSA, und nicht umgekehert... Bitte, Sie machen sich lächerlich. FSA wird gerade zerschlagen.

  • TH
    Thomas H

    Nach den jüngsten militärischen Erfolgen der FSA hat das Assad-Regime die Kontrolle über mindestens 60 Prozent des Landes und Teile der Hauptstadt Damaskus wohl endgültig verloren.

     

    Es ist nur noch eine Frage von einigen Wochen, bis der Assad-Klüngel, seine Shabiha-Milizionäre und seine handverlesenen Elitesoldaten, sich in einigen noch unter ihrer Kontrolle verbliebenen Landes- und Stadtteilen verschanzt haben werden, hoffnungslos eingekreist und belagert vom Großteil der dann zur Opposition übergewechselten syrischen Streitkräfte, und von diversen oppositionellen Freiwilligeneinheiten.

     

    Das Hauptaugenmerk der internationalen Staatengemeinschaft stollte nun auf die Sicherung der in Syrien lagernden gigantischen Bestände an chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen des Assad-Regimes gelegt werden, die nicht in falsche Hände (weder in die von fanatischen Assad-Anhängern, noch in die von sunnitisch-dschihadistischen Extremisten) gelangen dürfen.

     

    Außerdem müssen dringend sichere entmilitarisierte Schutzzonen für die syrische Zivilbevölkerung entstehen, und es muss die Versorgung der syrischen Zivilbevölkerung mit Nahrung, Medikamenten und anderen Dingen des täglichen Bedarfs sichergestellt werden.

     

    Voraussichtlich dürfte eine Art Militärrat aus bisher noch loyal zum Assad-Herrschaftsklüngel stehenden Kommandeuren demnächst (mit Unterstützung Moskaus) die Macht in Damaskus übernehmen, um vom totalitären System zu retten, was noch zu retten ist.

     

    Dann könnte sich auch erstmals eine realistische Chance auf Beendigung des innersyrischen Bürgerkriegs ergeben, durch eine Übereinkunft zu einer geregelten Machtübergabe an die syrische Opposition, und zur Strafverfolgung des dann geschassten Assad-Klüngels.

  • O
    olegj

    "Wer die Massaker... verübt hat, ... konnte die Kommission nicht genau ermitteln. Sie geht aber nach umfangreichen Ermittlungen davon aus, dass die Täter vermutlich zum Regierungslager gehören. Die Vorgehensweise gleiche der bei früher dokumentierten Bluttaten, für die die Regierung verantwortlich sei."

     

    Wie bitte? Haben wir jegliches Rechtsempfinden verloren? Welche Vorgehensweise? Wovon ist da die Rede? Von einem verurteilten Serienkiller, der auf dem rechten Oberschenkel mit dem roten Lippenstift des Opfers "Selber Schuld" schreibt?

     

    Und warum ist zum Teufel Iran nicht eingeladen worden?

     

    Liebe Journalisten, machen Sie ihren Job! Recherchieren Sie, seinen Sie kritisch oder halten Sie einfach den Mund. Hier wird mit Feuer gespielt, das zu bändigen mehr als zerbombtes Syrien bedeutet. Iran, Russland und China lässt grüßen.