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Schwimmbäder auf der StreichlistePack die Badehose ein!

Früher hatte fast jede Kommune ein Frei- oder Hallenbad. Heute kann sich kaum noch eine Kommune ein Schwimmbad leisten. Oft fehlt der politische Wille sie zu erhalten.

Vor allem Kinder und Jugendliche sind betroffen, wenn das Schwimmbad dicht macht. Bild: dpa

„Bäder werden geschlossen, weil die Gemeinden kein Geld haben“, sagt schlicht und ergreifend Franz Reinhard Habbel, Pressesprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Bäder werden geschlossen, weil der politische Wille, sie zu erhalten, nicht da ist. Denn: öffentliche Bäder sind keine Profitzentren.

Bäder verursachen immer mehr Kosten als Einnahmen, wenn sie einem breitem Publikum dienen sollen. Hinzu kommt: Die Bäder haben privatwirtschaftliche Konkurrenz bekommen.

Spaßbäder mit Tropenfeeling und überfrachteten Badelandschaften lassen die funktionalen öffentlichen Schwimmbäder schlicht erscheinen. Und da der Sommerurlaub zum Lebensstil auch von Familien gehört, sind vor allem manche Freibäder in den kurzen Sommermonaten wenig ausgelastet. Ein Zuschussgeschäft.

In den 60er Jahren, als der Schwimmbad-Segen über Westdeutschland kam, gab es den politischen Willen, den Sport breitflächig zu fördern. Man nannte das den Goldenen Plan. Bis zu 80 Prozent der Kosten eines Schwimmbades übernahm das Land, die Gemeinde musste nur 20 Prozent zusteuern.

Anders sieht es im Osten Deutschlands aus. Dort sterben heute viele Gemeinden aus und es fehlen die Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Und ohnehin wurden zu DDR-Zeiten vor allem Sportleistungszentren und nicht der Breitensport gefördert.

Rettungsschwimmer warben

Die Folge: Der Osten hatte zur Zeit der Wiedervereinigung eine doppelt so hohe Ertrinkungsrate wie der Westen, weist eine Statistik der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) aus.

Auch heute noch - nach 22 Jahren der Wiedervereinigung - liegt diese um 30 Prozent höher als im Westen. Aber auch hier zeitigen die zunehmenden Bäderschließungen Konsequenzen: „Konnte vor einigen Jahren noch 90 Prozent der Siebtklässler schwimmen, sind es heute nur noch 70 Prozent“, sagt DLRG-Präsident Klaus Wilkens.

Heute gibt es noch 6.200 öffentliche Bäder in ganz Deutschland, jeweils zur Hälfte Hallen- und Freibäder. 1.100 Bäder wurden in den letzten zehn Jahren geschlossen.

Den Wähler im Blick

Immer öfter fragen sich Kommunen angesichts leerer Kassen, ob sie sich ein Schwimmbad, das in den 60er Jahren als Inbegriff der Innovation auch als Pluspunkt bei den Wählern verbucht wurde, noch leisten wollen.

„Es gibt 80 Prozent festgelegte Ausgaben einer Gemeinde, dazu gehören Schulen und soziale Ausgaben. Zu den 20 Prozent freiwilligen Ausgaben gehören Schwimmbäder, aber auch Museen, Vereinsförderungen oder touristische Infrastruktur“, weiß Habbel.

„Die Kommunen stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagt er. Zwar stehe die Sportförderung im Gesetz, trotzdem sei der Betrieb von kommunalen Bädern laut Rechnungshof eine „freiwillige Ausgabe“. Wenn das Geld knapp werde, könne man schließlich nicht bei den Schulen oder der Feuerwehr sparen.

Ebbe in der Stadtkasse

Denn trotz üppiger Gewerbesteuereinnahmen dank der angezogenen Konjunktur in Deutschland, kommen viele Kommunen nicht über die Runden.

„Das liegt auch am demografischen Wandel, der älter werdenden Gesellschaft und der Notwendigkeit bei vielen Rentnern, die Grundsicherung aufzustocken“, sagt Habbel.

Die Zunahme von Armen und Alten belasteten den Sozialetat der Gemeinden. Notwendige Sanierungen und Modernisierung von Bädern blieben dabei auf der Strecke.

Doch nicht nur Sozialleistungen, sondern auch die Schulden steigen, vor allem in „übermöblierten“ urbanen Landschaften wie dem Ruhrgebiet, wo sich manche Gemeinde in Prestige-Objekte versteigt. Schleunigst müssen neue Geldquellen her.

Das Wasser bleibt kalt

Oberhausen treibt eine Sexsteuer für Bordellbesuche ein, Köln experimentiert mit einer Tourismusabgabe, andere senken die Wassertemperatur in Bädern oder schließen einfach das Bad.

In Nordrhein-Westfalen schafften von 427 Städten und Gemeinden nur 39 Städte einen ausgeglichenen Haushalt. Die anderen müssen Rücklagen aufzehren - oder neue Schulden aufnehmen.

17 weitere Städte sind bereits überschuldet oder stehen kurz vor der Pleite. Wären sie Unternehmen, müssten sie Insolvenz anmelden. Weil zur Not das Land einspringt, gibts weiter Geld von der Bank.

Der kommunale Offenbarungseid ist oftmals auch überforderten Kämmerern und inkompetenten Räten geschuldet. Selten kommt es zu Kooperationen mit benachbarten Städten.

Public-Private-Partnership

Der Nachbar ist immer zugleich Konkurrent um Steuergelder, Einwohner und Firmen. Und die Kommunen lassen sich nicht gern in die Karten schauen. Wie effizient arbeitet eine Verwaltung im Vergleich zur Nachbargemeinde? Warum ist der Nahverkehr günstiger als anderswo?

Trier ist die erste Stadt in Rheinland-Pfalz, die eine sogenannte Public-Private-Partnership eingegangen ist, um ein sanierungsbedürftiges Freibad langfristig zu erhalten. Die Partnerschaft vermittelte die Projektentwicklungsgesellschaft (PER) Rheinland-Pfalz.

Die Risikoverteilung ist laut PER so angelegt, dass jede Partei das Risiko trage, „das sie am besten steuern kann“. Das könne aber auch so ausgelegt werden, dass die Gewinne verteilt würden, die finanziellen Risiken aber trägt, wie so oft, die Stadt.

Private sind profitorientiert

Denn: ein privatwirtschaftlicher Partner will verdienen und hat weder Breitensport noch soziale Aspekte im Blick. Aufgrund der finanziellen Situation der Gemeinden könnte das rein kommunal betriebene Bad tatsächlich bald zum Auslaufmodell werden.

Schon jetzt ist die DLRG mit 50 Anlagen Deutschlands größter Bäderbetreiber. „Die Finanzierung kommt von den Gemeinden, und wir unterstützten die Bäder mit einem breiten Netzwerk von ehrenamtlichen Mitarbeitern“, sagt DLRG-Präsident Klaus Wilkens.

Er fordert: „Wir brauchen wieder ein bundesweites, ortsnahes Netz an Schwimmbädern, also eine Kehrtwende in der Kommunalpolitik.“

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8 Kommentare

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  • A
    André

    Das Hauptproblem sind einfach die teilweise mit Scheuklappen und in der Tat teilweise überforderten Kämmerer mancher Komunen. Hinzu kommt, dass (früher noch mehr) einfach zuviel Geld aus dem Fenster geworfen wird. In hamburg bei der Oper explodieren die Kosten. Im hochverschuldeten Köln werden mal eben ca. 250 Mio. für die Sanierung der Oper locker gemacht. Bei kleineren Städten gibt es das genauso, nur eben im kleineren Massstab.

     

    Wann gibt es endlich obligatorische und fakultative Referenden wie in der Schweiz ? Damit unsinnige Ausgaben endlich begrenzt werden können und sich Politiker kein Denkmal setzen können. Da sind alle Bäder offen und im Regelfall in gutem Zustand.

     

    Weswegen ?: Weil sich die Bürger um Ihre Gemeinden kümmern und auch mindestens viermal im Jahr über Anliegen der Gemeinde abstimmen können.

  • H
    heinzl

    85% der Ertrinkenden sind allerdings Schwimmer, d.h. nur 15% der Ertrinkenden sind Nichtschwimmer. Die Ursache für die Unfälle sind vielfältig: Selbstüberschätzung, Herzversagen, Erschöpfung etc.

     

    Das hätte man natürlich im Rahmen eines solchen Themenberichtes recherchieren können (z. B. im DLRG Jahresbericht), aber das wäre jetzt doch zu spießig gewesen.

  • S
    Schwwimmbadbesucher

    Es gibt auch einen Mentalitätswandel: War seinerzeit der Besuch in der Badeanstalt der kaum abzuwartende Höhepunkt eines Sommers und für Kinder und Jugendliche quasi Pflicht, scheinen sich die Leute heute nur noch bei bestem Sonnenwetter in ein Schwimmbad zu begeben. Andere Freizeitaktivitäten scheinen einen höheren Stellenwert zu haben. Als regelmäßiger Schwimmer tut es mir manchmal regelrecht weh, wenn ich die leeren Schwimmbäder bei nur durchschnittlichem Sommerwetter- ausserhalb einer Hitzewelle - sehe.

  • T
    Treverer

    in trier wird gerade deutlich, welch grosser mist das PPP projekt ist:

     

    http://www.16vor.de/index.php/2012/07/07/trierer-sudbad-droht-erneut-minusrekord/

  • N
    Naturfreund

    Als Alternative bietet sich zumindest von Mai bis Oktober das Freiwasserschwimmen im See oder Fluss an, was natürlich nicht überall möglich und auch ein klein wenig riskanter ist. Vor dem Hintergrund der heute so angesagten Risikosportarten sollte das aber kein Problem sein.

  • B
    BiBo

    Ja und nein, Schwimmen selbst ist Privatsache, Schwimmbäder zwar nicht elementarer Bestandteil aber auch nicht städtischer Luxus.

     

    1. Schwimmbäder, beheizte Freibäder allemal, sind wahnsinnige Kostentreiber und ja auch CO2 Emittenten. Ich habe lange in verschiedenen Bädern während des Studiums gearbeitet (und vorher freiwillig über die DLRG). In einer Nacht wurde der Gasverbrauch eines Einfamilienhauses verheizt. Von daher kann ein öffentliches Schwimmbad (plus Gehaltskosten) nie profitabel betrieben werden.

     

    2. Muss es auch nicht, denn man sollte ein Bad nicht als Kostengrab, sondern als Bereicherung ansehen. Der Badeort bekommt eine Alternative für Touristen und Einheimische wenn im Meer Ebbe ist, Städte werden im Wettbewerb untereinander attraktiver, wenn die Bürger Schwimmen gehen können, und die Kids können in der Schule schwimmen lernen, was ich für sehr wichtig halte.

     

    3. Finanzierung

    Neben der vertanen Chance subventioniere und klimaschonende Techniken zur Wasseraufbereitung/Erwärmung zu nutzen, werden neue Modell gebraucht. In meiner Heimatstadt gibt es ein Freibad, welches zwar unbeheizt, aber dafür ohne Eintritt ist. Die Kosten füre Aufbereitung/Personal wurden bisher von der Stadt getragen, im Zuge der Einsparungen hat sich ein städtischer Förderkreis gebildet um das Bad in seiner Art zu halten - ohne Eintritt...

     

    Von daher, es Modelle, man muß nur kreativ sein.

  • A
    artemidor

    Bäder gehören nicht zur Daseinsvorsorge. Schwimmen lernen ist eine private, keine öffentliche Aufgabe. Der Bäderboom der siebziger Jahre war eine Hybris, die heute viele kleine Städte wegen der hohen laufenden Kosten jetzt zum Schuldenmachen zwingt. Und: Bäder sind Energieverschwender (CO2-Produzenten) erster Güte; die Wärme wird quasi direkt in die Luft gepulvert.

     

    Das alles macht diese Bäder zum Auslaufmodell.

  • TR
    Thomas Rudek

    Schwimmbäder sind ein elementarer Bestandteil der aktiven Gesundheitsvorsorge. Gerade was die demografische Entwicklung betrifft, ist für ältere Mitmenschen der Gang ins Schwimmbad ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der eigenen Gesundheit und damit auch ein Beitrag, um der Kostenexplosion in der Gesundheitsindustrie entgegen zu wirken.

     

    Infolge der Wiedervereinigung haben sich in den neuen Bundesländern Berater profiliert, die glaubten, den ostdeutschen Kommunen überdimensionierte, betriebskostenintensive Wellness-Oasen aufschwatzen zu müssen. Wie so häufig, hat man hier auf die Falschen gehört. Statt in kleineren Funktionszusammenhängen zu planen und normale Schwimmbäder mit einer kleinen Sauna zu realisieren, sind viel zu große Anlagen realisiert worden.

     

    Und was PPP betrifft, ist die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe ein Beispiel, das zeigt, dass in die hohen Wasserpreise (als Betriebskosten) natürlich die vertraglichen, rechtswidirgen Gewinngarantien für die privaten Konzerne RWE und Veolia eingestellt sind. Darum höchste Zeit, dass endlich die Abgeordneten die Verträge vor dem Verfassungsgericht mit einer Organklage anfechten, statt sich in Ausflüchten zu verlieren - das gilt auch und vor allem für die Oppositionsfraktionen. Nähere Infos unter www.wasserbuerger.de

     

    Thomas Rudek

    Verfasser des Volksgesetzes zur Offenlegung der Wasserverträge