Sicherheit auf Kosten der Einwanderer

Im Eilverfahren bringt Frankreichs Regierung neue, schärfere Gesetze zur Einwanderung und zum Kampf gegen den Terror auf den Weg. Unter anderem werden Video- und Telefonüberwachung stark ausgedehnt, die Individualrechte geschwächt

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Einen Monat nach dem Beginn der Randale in den französischen Vorstädten will die Regierung in Paris auch mehr Härte in Gesetzen zeigen. Unter anderem gegenüber EinwandererInnen.

Regierungschef Dominique de Villepin hat seine FachministerInnen beauftragt, Gesetze zu schreiben, die sowohl die Familienzusammenführung und binationale Eheschließungen, als auch Studienaufenthalte in Frankreich stärker unter Kontrolle stellen. Und am Dienstag verabschiedete das Parlament ein Antiterrorgesetz, das die Video- und sonstige Elektroniküberwachung ausdehnt und den ohnehin schon mächtigen Antiterror-ErmittlerInnen noch größere Vollmachten gibt. Nur die KommunistInnen, die Grünen und drei mutige SozialistInnen stimmten dagegen. Der Rest der PS-Fraktion enthielt sich oder war erst gar nicht anwesend.

Das Antiterrorgesetz ist in Paris seit den Londoner Attentaten vom 7. Juli vorbereitet worden. Unter anderen innenpolitischen Vorzeichen hätte es über seine Konsequenzen für die individuellen Freiheiten eine Debatte gegeben. Doch vor dem Hintergrund der Vorstadtrandale hat die „innere Sicherheit“ in Frankreich den obersten politischen Stellenwert. Wenn Innenminister Nicolas Sarkozy, der das Gesetz eingebracht hat, die Sicherheit im Land und an seinen Außengrenzen verbessern will, hält die große Oppositionspartei PS es für politisch „inopportun“, sich kritisch dazu zu äußern. So kommt Kritik nur von den kleinen Oppositionsparteien, sowie von RichterInnen und AnwältInnen. Letztere bemängeln unter anderem die Vernachlässigung des Verteidigungsrechtes.

Das Antiterrorgesetz wird im Eilverfahren – mit einfacher Lesung in jeder parlamentarischen Kammer – verabschiedet und beinahe ohne Debatte Anfang nächsten Jahres in Kraft treten. Die Abstimmung im Senat ist für Mitte Dezember geplant. Anschließend kann es es in Frankreich zu flächendeckender Videoüberwachung kommen. Die Präfekten dürfen Videokameras für bis zu vier Monate ohne richterliche Zustimmung installieren. Internetcafés müssen Elektronikdaten ihrer KundInnen ein Jahr lang aufbewahren. Telefone werden strenger überwacht. Die Polizeihaft wird bei Terrorismusverdacht von vier auf sechs Tage verlängert. Transportunternehmen können verpflichtet werden, Personendaten an die ErmittlerInnen weiterzugeben. Und Terrorismus-ErmittlerInnen dürfen anonym agieren. Spätestens seit dem 11. September 2001 genießt Frankreich den Ruf, im internationalen Vergleich eine der effizientesten Terrorismusfahndungen zu betreiben. Der oberste französische Terrorismus-Untersuchungsrichter, Jean-Louis Bruguière, erklärt das erweiterte neue Gesetz dennoch für eine „notwendige Anpassung“. Die Sorge um die individuellen Rechte nennt Bruguière „zu ideologisch“.

Die Verschärfung der Einwanderungspolitik wird tausende von Menschen betreffen. Künftig müssen EhepartnerInnen, die im Ausland geheiratet haben, sich – und ihre Beziehung – vor französischen DiplomatInnen rechtfertigen. Erst anschließend dürfen sie auf eine Anerkennung ihrer Ehepapiere in Frankreich hoffen. Auch die Zeit vor einer Familienzusammenführung soll von jetzt einem auf zwei Jahre verlängert werden. Und ausländische StudentInnen, von denen rund 50.000 pro Jahr nach Frankreich kommen, sollen künftig noch in ihrem Herkunftsland von DiplomatInnen auf ihre Absichten kontrolliert werden. Premierminister de Villepin, der die Einwanderungsverschärfungen jetzt auf den Weg geschickt hat: „Wir wollen eine globale Einwanderungspolitik, die von Frankreich gewollt und gesteuert ist.“