Gauck kriegt Stress mit den Frauen

SEXISMUS Junge Feministinnen kritisieren in einem offenen Brief die Äußerungen von Joachim Gauck zur Seximusdebatte. Der Bundespräsident stelle ein ernstes Anliegen als lächerlich dar

BERLIN taz | Joachim Gauck bekommt Gegenwind. Eine Gruppe junger Feministinnen um die „Aufschrei“-Initiatorin Anne Wizorek greift den Bundespräsidenten wegen seiner Äußerungen zur Sexismusdebatte in einem offenen Brief an: Er stelle die Debatte als lächerlich dar und bezeichne den Fall Brüderle als Einzelfall – was er nicht sei.

Der Bundespräsident hatte sich in einem Interview mit dem Magazin Spiegel etwas abfällig über die Seximusdebatte geäußert. Statt über wichtige Themen, wie etwa den Einsatz in Mali, diskutiere das Land über „das Fehlverhalten eines Politikers abends an der Bar“.

Sexismus sei ein „eingängiges Thema“, das „hochgejazzt“ werde. „Eine besonders gravierende, flächendeckende Fehlhaltung von Männern gegenüber Frauen kann ich hierzulande nicht erkennen“, erklärte Gauck und sprach von „Tugendfuror“.

Letzteres spiele auf das Klischee der weiblichen Furie an, meinen die Frauen, darunter mehrere Bloggerinnen. „Dieser Begriff wird ähnlich wie ‚Hysterie‘ abwertend verwendet, um die Wut von Frauen lächerlich zu machen und als Überemotionalität zu deklassieren“, heißt es in dem offenen Brief. „Damit bedienen Sie jahrhundertealte Stereotype über Frauen – Stereotype, die sexistische Strukturen aufrecht erhalten und Geschlechtergerechtigkeit im Weg stehen.“

Dass gerade Gauck als Bundespräsident und großer Verfechter der Freiheit sich von dieser wichtigen Debatte abgrenze und sie nicht als wichtiges Thema begreife, mache den Initiatorinnen große Sorgen. „Es geht hier nicht um eine „Frauenfrage“, sondern um eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit, die in der Verfassung verankert ist“.

Gauck solle die Geschichten auf der Internetseite „alltagssexismus“ lesen oder jene, die unter dem Schlagwort „aufschrei“ über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreitet werden. „Und sagen Sie dann noch einmal, es handele sich hier lediglich um einen nicht ernst zu nehmenden ‚Tugendfuror‘.“

Gauck selbst stehe für eine Kultur, die Fehler benenne und korrigiere. In diesem Sinne fordern die Autorinnen ihn auf, diese Kultur selbst anzuwenden.

HEIDE OESTREICH

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