Studiengebühren machen unbeweglich

Gutachten belegen: Das Bezahlstudium in seiner jetzt vorgesehenen Form ist unsozial und mobilitätshemmend. Damit verstoßen die Ländergesetze gegen die Vorgaben des Verfassungsgerichts. Gestern Protestaktionen von Bayern bis NRW

AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER

Die Studiengebührengesetze diverser Bundesländer verletzen das Grundgesetz oder verstoßen gegen Vorgaben des Verfassungsgerichts. Zu diesem Schluss kommen unabhängig voneinander die deutschen Studentenwerke und der angesehenste Anwalt für Hochschulrecht, Wilhelm Achelpöhler aus Münster. Bislang haben fünf unionsgeführte Bundesländer Gesetzentwürfe vorgelegt. Darin ist vorgesehen, von jedem Studierenden bis zu 500 Euro pro Semester zu verlangen. Im Saarland beschloss die Landesregierung gestern, Gebühren zu erheben.

Die Studentenwerke, die für die sozialen Belange der Studierenden zuständig sind, haben die vorliegenden Gesetzentwürfe verglichen. Das Ergebnis ist ernüchternd, was die Verfassungstreue der Wissenschaftsminister in Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen angeht.

Zusammenfassend heißt es, dass die Gesetze wegen ihrer Unübersichtlichkeit die Mobilität der Studierenden behindern. Außerdem gewährleisteten sie nicht die gleiche Teilhabe von Studierenden aller sozialen Schichten. Damit erfüllen sie nicht die beiden Bedingungen, an die Karlsruhe die Einführung von Gebühren geknüpft hatte.

Die Sprecher der Studentenwerke reagierten empört. „Die Gebührenmodelle widersprechen in ihrer bisherigen Ausgestaltung klar dem Willen des Verfassungsgerichts“, sagte Achim Meyer auf der Heyde, der Generalsekretär der Studentenwerke.

Von Transparenz kann bei den Gesetzen keine Rede sein. Schon die Starttermine variieren nach Bundesland und nach Studentenkategorie. Und: Studierende mit Kind müssen zwar in keinem der Länder Studiengebühren bezahlen – aber die Altersgrenzen sind immer andere. Mal sind die Eltern bis zu achtjähriger Kinder befreit, mal darf der Nachwuchs bis zu zehn Jahren alt sein. In Hamburg ist das Alter gar nicht definiert. Der Studienwechsel von Land zu Land erfordert künftig ein mehrsemestriges Studium – der Gebührenordnungen.

Der Präsident der Studentenwerke, Hans-Dieter Rinkens, sagte: „Es wäre besser, überhaupt keine Gebühren zu verlangen. Sozialverträglich ist keines der Modelle.“ Rinkens betonte, Gebühren passten nicht in die Zeit. „Wir wollen endlich das Kastenwesen in der Bildung überwinden, das bestimmten sozialen Schichten ihre Chancen nach Herkunft zuweist.“ Studiengebühren aber verschärften die Auslese beim Übergang in die Hochschulen weiter. Das sei genau der falsche Ansatz.

Besonders kritisch sieht das Studentenwerk, dass in allen geprüften Ländern auch Bafög-Bezieher Studiengebühren entrichten sollen – auch dies nach je unterschiedlichen Modellen. „Der Staat attestiert diesen jungen Leuten erst, dass sie ohne Hilfe nicht studieren können“, kritisierte Rinkens. „Dann zieht er denselben Menschen das Geld wieder aus der Tasche.“

Der Hochschulrechtler Wilhelm Achelpöhler geht in seiner Bewertung noch weiter. In einem der taz vorliegenden Gutachten schreibt Achelpöhler, das Gebührengesetz in Nordrhein-Westfalen verstoße gegen den Vertrauensschutz. Es unterwerfe ab dem Wintersemester 2006/07 auch jene Studenten der Zahlpflicht, die das Studium bereits begonnen hätten. Auch seien die Gebühren mit internationalem Recht nicht vereinbar. Allerdings: Ein generelles Gebührenverbot lasse sich aus der Verfassung nicht ableiten, schreibt Achelpöhler.

Der Protest gegen die Gebühren bleibt dennoch überschaubar. Gestern demonstrierten Studierende in Düsseldorf, Stuttgart, Bamberg (Bayern) und Göttingen. Insgesamt waren es rund 10.000.