Terroristen nirgends sicher

Weil US-Präsident Barack Obama ankündigte, Guantánamo nach seinem Amtsantritt zu schließen, hat er jetzt ein Problem

NEW YORK taz | Obamas vollmundige Ankündigung gleich zu seinem Amtsantritt, er werde innerhalb eines Jahres das Gefangenenlager Guantánamo schließen, war den Konservativen schon lange ein Stachel im Fleisch. Es war schließlich die unumwundenste Ablehnung der Politik von George Bush durch den neuen Präsidenten. Jetzt haben sie politische Munition, um das Weiterbestehen von Guantánamo zu fordern.

Als Said al-Shihiri 2007 aus Guantánamo entlassen wurde, behauptete er, er würde nach Saudi-Arabien zurückkehren, um im Möbelgeschäft seines Vaters zu arbeiten. Stattdessen überquerte er die Grenze in den Jemen und schloss sich dort al-Qaida an. Heute ist er der stellvertretende Chef der Organisation auf der Arabischen Halbinsel und deshalb vermutlich für den versuchten Anschlag auf Flug 253 nach Detroit mitverantwortlich.

„Offensichtlich funktioniert es nicht, diese Terroristen in Drittländer zu entlassen“, wetterte deshalb der oberste Republikaner im Repräsentantenhaus, John Boehner. „Es ist Zeit, dass der Präsident damit aufhört und seine Entscheidung überdenkt, Guantánamo zu schließen.“ Und Boehner wird nicht nur aus den eigenen Reihen unterstützt. Immer mehr Demokraten melden Bedenken an, ob die Abschiebepraxis nach Saudi-Arabien und in den Jemen sinnvoll ist.

Der Druck auf Obama wächst, die Schließung von Guantánamo zumindestens hinauszuzögern. Selbst die demokratische Vorsitzende des Heimatschutz-Komitees im Repräsentantenhaus, Dianne Feinstein, sagte am vergangenen Freitag, dass sie es momentan nicht für klug halte, Guantánamo-Insassen in den Jemen zu entlassen. Und wenn die Abschiebung in den Jemen nicht mehr möglich ist, dann wird es für Obama schwer: Die verbleibenden 198 Häftlinge auf das amerikanische Festland zu holen, ist ähnlich unpopulär.

Bislang hält die US-Regierung dennoch weiter offiziell an ihrem Plan fest. Erst am Sonntag bekräftigte Obamas Anti-Terror-Chef John Brennan, dass man auch weiterhin plane, Guantánamo-Insassen in den Jemen zu schicken. Allerdings schränkte er ein, dass man dabei „die Situation dort bedenken“ werde und dass man das „zur rechten Zeit, in der rechten Weise tun werde“. Inoffiziell wurde derweil bekannt, dass Obama die Abschiebepraxis bis auf Weiteres gestoppt habe.

Das ist eine tragische Entwicklung, zumal vieles dafür spricht, dass der Guantánamo-Aufenthalt viele Insassen überhaupt erst radikalisiert. So sagte al-Shiri in einer Ansprache im Januar 2009: „Unsere Inhaftierung hat uns in unserer Entschlossenheit, uns für unsere Prinzipien einzusetzen, nur bestärkt.“ Konservative führen gerne ins Feld, dass 14 Prozent der ehemaligen Guantánamo-Insassen nach ihrer Entlassung wieder terroristisch aktiv werden. SEBASTIAN MOLL