Filmstart „Lady Vegas“: Ein herzliches Betriebsklima
Ein echter Kerl und ein Mädchen voller Trotz, sie sind unschlagbar in Stephen Frears Film „Lady Vegas“. So richtig mitreißend will das aber nicht werden.
Filme über das Spielermilieu besitzen eine besondere Aura. Was wohl daran liegt, dass das „Spiel“ wie ein Magnet die Existenz-Metaphern anzieht. Von „Das Schicksal mischt die Karten“ (Arthur Schopenhauer) bis „Das ganze Leben ist ein Spiel, wir sind nur die Kandidaten“ (Hape Kerkeling). So ist man auch versucht, Stephen Frears’ neuestes Werk „Lady Vegas“ augenblicklich als Parabel auf unsere schlechten Zeiten zu begreifen.
Eine junge Frau (Rebecca Hall), ihrer mühsamen Existenz als mobile Stripperin müde, fährt auf gut Glück nach Las Vegas und heuert im Büro eines professionellen Wettspielers (Bruce Willis) an.
Klingt das nicht genau nach den prekären Lebensentwürfen der Moderne, in denen jede Entscheidung letztlich einer Wette gleichkommt? Und erscheint es nicht umso sinnfälliger, dass es beim Wetten oft lukrativer sein kann, gegen als mit dem Favoriten zu setzen? Nach dieser „Gegen den Strom“-Wette ist schließlich auch die Filmvorlage benannt, der autobiografische Bericht einer jungen Frau namens Beth Raymer: „Lay The Favorite“.
Doch anders als man es vom Ernst der Metaphern her erwartet, legt Frears seine Verfilmung als luftig-lockere Komödie an, in der die Bonbonfarben dominieren. Eine wahre Geschichte, erzählt als schwebe sie über den Realitäten – wenn das kein Kommentar zu den Verhältnissen ist. So sieht man gut gelaunt die erste Stunde des Films und denkt sich, dass der Sinn des Ganzen sich bald enthüllen wird.
In Ratlosigkeit zurückgelassen
Am Ende aber stellt sich heraus, dass man da selbst besser gegen den Strom gewettet hätte. „Lady Vegas“ gehört zu jenen Filmen, die man mit bestimmten Gewissheiten im Kopf beginnt, und die einen dann in Ratlosigkeit zurücklassen.
Rebecca Hall spielt hier den grellen Gegenentwurf zu ihrer selbstständigen, stets den kühlen Kopf bewahrenden Vicky aus Woody Allens „Vicky Cristina Barcelona“. Ihre Beth ist eine Frau, die allen Lebenslagen in der Pose des kleinen, sich an den Haaren drehenden Mädchen trotzt – und damit meist die genau richtige Helferattitüde bei den sie umgebenden Männern weckt.
Dass dieses dauerkichernde Wesen auch etwas im Kopf haben könnte, um das zu entdecken, braucht es einen echten Kerl wie den von Willis verkörperten Dink. Er nimmt sie in sein kleines, auf Sportwetten spezialisiertes, Wettbüro auf und staunt, wie schnell sie mitkommt. Sie sei eben „gut mit Zahlen“, heißt es. So gut laufen bald die Geschäfte und so herzlich entwickelt sich das Betriebsklima zwischen Boss und Angestellter, dass Dinks Ehefrau (Catherine Zeta-Jones) misstrauisch wird.
Der Wunsch des Zuschauers
Wie nett der Chef tatsächlich ist, zeigt sich darin, dass er seiner Frau zuliebe Beth einfach rauswirft. Woraufhin sie sich nach New York aufmacht, um bei Dinks flamboyantem Konkurrenten Rosie (Vince Vaughn) anzuheuern. Dort scheint ihre Glückssträhne allmählich zu enden, zumindest wünscht man sich das als der Zuschauer.
Vor über 20 Jahren hat Stephen Frears schon einmal einen Film über das Spielermilieu im weitesten Sinne gemacht. „The Grifters“ war ein Thriller, der seine Spannung aus dem Interesse und auch einem Stück Bewunderung für den „Beruf“ seiner Figuren bezog. An beidem mangelt es in „Lady Vegas“ erheblich. Der Fachjargon in den Dialogen ist nicht für das Verständnis des Zuschauers geschrieben, sondern dient allein der Atmosphäre. Etwas Ähnliches könnte man auch über den Handlungsbogen sagen, der vor sich hin mäandert, ohne dass sich Entwicklung abzeichnet. Jedes Brettspiel hat mehr Dramatik.
„Lady Vegas“. Regie: Stephen Frears. Mit Bruce Willis, Rebecca Hall, Catherine Zeta-Jones. USA/GB, 94 Min
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Nach Ausschluss von der ILGA World
Ein sicherer Raum weniger