Piraten auf Koalitionskurs

EAST SIDE GALLERY Das Parlament diskutiert über Protest gegen Teilabriss und Luxuswohnturm, die Grünen geraten von allen Seiten unter Druck. Investoren wollen laut Bausenator vorhandene Zugänge nutzen

Die SPDlern johlen, die Kollegen von der CDU klatschen. Der Mann da vorn am Rednerpult des Abgeordnetenhauses gibt es den Grünen gerade so richtig. Jenen Grünen, die gerade in Person von Fraktionschefin Antej Kapek den Erhalt der East-Side-Gallery mit dem Protest gegen den geplanten Wohnturm am Spreeufer verbunden haben. Für nicht logisch hält es der Redner, dass der grüne Bezirksbürgermeister Franz Schulz, der für Pläne und Verträge verantwortlich sei, nun an der Spitze des Protests steht. Dabei ist der vielbeklatschte Redner weder SPD- noch CDU-Mann, sondern Piratenfraktionschef Christopher Lauer.

„Die Rede von Herrn Lauer war richtig gut“, sagt Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD), der ihn am Mikro ablöst. Nicht nachvollziehbar ist für Lauer der plötzliche Hype um die East Side Gallery als Mauer-Erinnerung. Wo sei denn der Protest gewesen, als 2006 ein gut 40 Meter breites Stück gegenüber der O2-World rausgerissen wurde? Jetzt ging es um 23 Meter. Und wieso sei immer von Luxuswohnungen die Rede, wenn der Quadratmeter Eigentum im kritisierten Projekt „Living Bauhaus“ ab 2.740 Euro zu haben sei? In etwa so viel Geld hat ein Fraktionskollege laut Lauer schon vor Jahren bezahlt. Und warum drohe Gentrifizierung, wenn die angeblichen Verdränger in einen Neubau ziehen und eben nicht Altbauten übernehmen?

Da blieb für Senator Müller nicht mehr viel zu sagen. Dass die Beschimpfung von Investoren aufhören müsse, fügt er noch hinzu. Dass die teils von der Politik angeheizt worden sei: Wenn Bürgermeister Schulz über das „Living Bauhaus“ sage, es sei das meistgehasste Projekt im Bezirk, „dann fordert er geradezu Holzköpfe auf, Anschläge zu machen und zu diffamieren“, sagt Müller.

Doch nicht nur Schulz kritisiert der Senator, sondern die Grünen in Gänze. Die würden zwar Wohnungsbau fordern. „Doch wenn es konkret wird, geht es an keiner Stelle. Das ist keine verantwortungsvolle Politik.“ Die Investoren hätten sich in einem Gespräch am Vormittag kompromissbereit gezeigt, berichtet Müller: „Sie wollen die vorhandenen Öffnungen nutzen“. Die seien möglicherweise zu verbreitern.

Grünen-Fraktionschefin Kapek stützte sich in ihrer Rede auf eine besondere Bezugsgröße: Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD), der eine Bebauung ablehne. Bei ihm sah ihr Parteifreund Schulz noch im Herbst „eine alarmistische, tendenziell rechtspopulistische Grundhaltung“. STEFAN ALBERTI