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Computer-Test für EndlagerEin GAU am PC tut nicht weh

Forscher in Braunschweig entwickeln ein Programm, das die Eignung möglicher Atommüll-Endlagerstätten testen soll. Kritik kommt von Atomkraftgegnern.

Hier strahlt nur Licht vom Monitor: virtueller Abfallbehälter aus der Simulation "Virtus". Bild: Fraunhofer IFF

HAMBURG taz | Eine Million Jahre in ein paar Sekunden: Die Zeitspanne, über die ein Endlager atomare Abfälle von der Biosphäre fernhalten muss, ist in der Realität nicht zu überschauen. Virtuell hingegen, soll eine 3-D-Computersimulation dies in ein paar Sekunden schaffen.

Das Endlagerforschungszentrum in Braunschweig arbeitet aktuell an einer Simulation für die finale Lagerung von radioaktivem Müll, damit sollen einzelne Standorte im Vorhinein auf ihre Tauglichkeit getestet werden können. Das vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Projekt kostet rund zwei Millionen Euro. Entwickelt wird es von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) in Braunschweig, der DBE-Technology und dem Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung.

Ein wenig klingt es nach Loriots Baukasten-Spiel „Wir bauen ein Atomkraftwerk“, doch das Programm soll die physikalischen Gegebenheiten und chemischen Prozesse in den potenziellen Endlagern im Zeitraffer nachstellen und dreidimensional visualisieren. „Etwa die Eigenschaften der Wirtsgesteine wie Festigkeit oder Wärmeleitfähigkeit bilden die Grundlage für die Simulation. Das sind gut abgesicherte Daten, die wir seit über 30 Jahren gesammelt und gemessen haben“, sagt Projektleiter Tilmann Rothfuchs.

Kritik von Atomkraft-Gegnern

Die Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg dagegen zweifelt: „Vor allem macht uns stutzig, dass das virtuelle Untertagelabor angeblich auf 40 Jahre Endlagerforschung zurückgreift: Uns fallen da nur desaströse Fakten ein, die mit der Asse II, Morsleben, Gorleben und Schacht Konrad in Verbindung stehen“, heißt es in einer Pressemitteilung. Tatsächlich wären die anhaltenden Gebirgsbewegungen, die vereinzelt geringe Dichte der Salzbarrieren und der zunehmende Eintritt von Flüssigkeit mit der Simulation vielleicht vorhersehbar gewesen.

Auch die Eignung des Erkundungsbergwerks in Gorleben war bereits strittig, als 1977 der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht die Entscheidung für ein „nukleares Entsorgungszentrum“ in dieser Region bekanntgab. Die geologischen Unwägbarkeiten: Ein eventuell instabiles Deckgebirge und die darüber liegende Schmelzwasserrinne, die Grundwasser führt.

Die Frage, ob dieser östlichste Zipfel Niedersachsens nach wie vor als mögliches Endlager in Frage kommt, ist momentan wesentlicher Bestandteil bei der Debatte um das Endlagersuchgesetz.

Ein endgültiger Entwurf soll bis Ende des Jahres stehen, ein transparentes Verfahren mit Bürgerbeteiligung ist versprochen. „Durch die Möglichkeit, die Prozesse mit 3-D-Animationen sichtbar zu machen, soll die Software-Plattform auch zu einer verständlicheren und transparenteren Information der Öffentlichkeit beitragen“, heißt es auf der Internetseite der GRS.

Doch ganz soweit ist es noch nicht: „Anfang bis Mitte nächsten Jahres gibt es wohl erste Probeläufe, die Daten liegen ja vor“, sagt Rothfuchs. Bisher habe man keine Simulation durchgeführt, die Software sei noch in der Entwicklung. Im Oktober 2013 soll dann alles fertig sein, der Forschung und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Die BI hadert schon jetzt. Eine „noch so schicke“ dreidimensionale Animation täusche nur darüber hinweg, dass es im Endeffekt auf die eingegebenen Parameter ankomme. Sie vermutet, dass Ergebnisse auf Wunsch produziert werden und sieht in der virtuellen 3-D-Ansicht ein weiteres Mittel, um Zweifel an einem möglichen Endlager Gorleben zu zerstreuen.

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2 Kommentare

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  • B
    Branko

    Kurze Kritik zur Leichtgläubigkeit gegenüber Computersimulationen

     

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    Computersimulationen lassen uns derzeitig Gefahr laufen, einer gleichen naiven Einstellung, ALLES genau berechnet vorhersagen zu können, wie man bis zum Untergang der Titanic leichtgläubig davon überzeugt war, alle Probleme mit moderner Ingenieurswissenschaft lösen zu können.

    Ich will den Ingenieursstand nicht schlecht machen (bin selbst einer).

    Ich will nur vor einer kritiklosen und naiven Euphorie warnen, die nicht von den Technikern hochgeputscht wurde(!)

     

    -

     

    Der Glaube an Computersimulationen heutzutage ist unglaublich und teilweise auch bedenklich bis beängstigend. Und er begegnet einem mitlerweile in allen Bereichen.

    Es werden auch mitlerweile nicht selten sogar Computersimulation als glaubwürdiger Berechnungsnachweis erwartet.

    Ein Blatt Papier mit einer Zahl als Ergebnis und der Aussage "dat hält so nicht!" reicht nicht mehr aus.

    Nein, man muss die 3D-Animation einer zusammenfallenden Brücke am Monitor darstellen.

    Kostet nicht selten das Vielfache an Zeit, die man für Sinnvolles hätte aufwenden können - aber nö, so glaubt's einem niemand.

    Weil Nachprüfen tut's auf beiden Wegen nämlich niemand - das ist nämlich genau der Casus Knackus!

     

    "Mangerkrankheit": Entscheidungen treffen und 'machen'

    Für stumpfe Fleissarbeit, wie Nachprüfen, Kontrollieren oder gar Rechnen sind Schergen zuständig.

    Die hat man aber größtenteils wegrationalisiert, weil die kosten Geld.

    Und niemand will Scherge sein, weil Geld wird ja 'oben' mit 'Denken' verdient.

     

    -

     

    Was ist eine Computersimulation?

     

    Ein mathematisches Gedankenmodell, das mit Hilfe eines Rechners eine "was-wäre-wenn?"-Berechnung willkürlich ausgewählter und festgelegter Parameter und deren gegenseitigen Abhängigkeiten und Beinflussungen durchführt.

     

    -

     

    Hat bis vor über 15 Jahren, als diese Simulationen nur reine Zahlenkolonnen rausgeschmissen haben, keine Sau interessiert.

    "Braucht kein Mensch, diesen neumodischen Quatsch."

     

    Heute aber, wo diese Zahlenkolonnen als buntige 3D-Grafiken visualisiert werden, sitzen alle mit glasigen Augen davor, glauben das Ergebnis und sind überzeugt ein korrektes Abbild der Realität vor sich zu haben (mit Ausnahme derjenigen, die selbst Simulationen entwickeln).

    Der Trick ist: Je fotografischer die Visualisierung (hochauflösende Texturen, zig-fach Rendering, Detailverliebtheit (mal ne Pumpe ins Bergwerk malen) etc.) desto glaubwürdiger und desto unkritischer wird das mathematische Modell dahinter beäugt.

     

    Man kann mit einem noch so komplexen mathematischen Modell aufwarten; wer mit einer profanen, texturfreien, grobgeometrischer Vektorgrafik daherkommt, kann seinen Senf gerade wieder in die Tube tun.

    "Ne, also da müssen Sie noch etwas mehr Arbeit investieren!"

     

    Im Prinzip ist das wie die unkritische Benutzung eines komplexen Taschenrechners.

    Wenn ich nicht zumindest überschlagsmässig im Kopf selbst mitrechne, sondern das angezeigte Ergebnis stumpf glaube, dann schreibe ich in der Matheaufgabe:

    12 x 8 = 3,14159265359

    "...äh, überleg doch mal -"

    "Der Taschenrechner zeigt's an, also stimmt das!"

    (Man sieht, ich habe schon einige Stunden Nachhilfe gegeben im Leben ;-)))

     

    -

     

    Wahrscheinlich liegt das daran, daß für einen Laien eine Computersimulation genauso aussieht, wie die Aufnahmen eines Computertomografen.

    Der Unterschied ist gigantisch:

    Eine Simulation geht von Hypothesen aus.

    Ein Tomograf stellt Messwerte dar.

     

    Nur damit wir uns nicht falsch verstehen:

    Computersimulationen sind ein wertvolles Hilfsmittel heutiger wissenschaftlicher Methoden.

    Ich warne aber eindrücklich vor einer unkritischen Leichtgläubigkeit, die mit ihren Ergebnissen - vor allem durch ihre grafische Darstellung - subtil entsteht und nicht selten perfide ausgenutzt wird.

     

    Eine Simulation kann immer nur so gut sein, wie das ihr zu Grunde liegende Modell.

    Ein Modell kann NIE 100%ig die Wirklichkeit abdecken.

    Weil man nie wirklich alle Einflußgrößen in undendlicher Genauigkeit miteinfliessen lassen kann.

    Denn man muss sich - egal wie leistungsstark ein Rechner ist oder auch in Zukunft sein wird - IMMER auf eine Auswahl von Parametern und eine endliche Genauigkeit beschränken.

     

    In manchen Fällen kennt man nicht einmal alle Paramenter, die Einfluss nehmen.

     

    Ein gutes Beispiel für die Beschränktheit solcher Computermodelle ist z.B. die Wettervorhersage über mehr als drei Tage im Vorraus.

    Oder versuchen Sie mal eine Simulation zu schreiben, die Ihnen genau vorhersagt, in was für Scherben ein Glas zerspringt, wenn es von einem Tisch fällt.

    Vor 15 Jahren konnte man die Flasche mit vielleicht nur 100 Polygonen im Modell darstellen.

    Heute vielleicht mit 100.000.

    Aber ob man auf die molekulare bzw. atomare Ebene runterkommt - mit all ihren Abhängigkeiten, Verunreinigungen, Inhomogenitäten, Störstellen etc. liegt derzeit noch sehr weit in den Sternen.

     

    ------------------

    frei erfundener, aber nicht völlig ausgeschlossener Dialog:

     

    Assi:

    "Wenn ich für die Simulation den Wert für die Permeabilität des Gesteins für Wasser auf 0,037 setze, säuft die Grube in 15 Jahren ab. Bei 0,0369 hält sie aber über ne halbe Million Jahre dicht.

    Die geologische Fachliteratur schreibt zu diesem Wert nur: '0,03..0,04.'

    Chef, welchen Wert soll ich denn da jetzt einsetzen?"

     

    Prof:"...."

    ...tja, stellt sich die Frage, welches Ergebnis er denn gerne dargestellt sehen möchte.

     

    Ihm wird's geglaubt, weil 3D-animierte Computersimulation.

    Wer dann ohne eine solche aufwartet, hat schlechte Karten in der Glaubwürdigkeit.

  • C
    Coder

    Ob das wohl Open-Source ist?