Kommentar Angriff in Jerusalem: Netanjahu findet Gehör
Der Angriff von Jugendlichen in Westjerusalem ist eine Folge des politischen Klimas in Israel: Die Palästinenser sind Sündenböcke. Dennoch ist die Attacke ein Novum.
D ass Kinder andere Kinder mobben, in den Selbstmord treiben oder gar selbst aktiv Hand anlegen, um ein Leben auszulöschen, ist kein israelisches Phänomen. Das gibt es überall auf der Welt. Für Israel besonders ist, dass ein demokratischer Rechtsstaat Rassismus toleriert und sogar Politiker nicht daran hindert, ihn auf öffentlicher Bühne zu schüren, kombiniert mit der Botschaft, dass Gewalt gegen bestimmte Personen und in bestimmten Gegenden nicht geahndet wird.
Daher ist der Angriff von Jugendlichen mitten in der Westjerusalemer Innenstadt eine Folge des politischen Klimas, das die Regierung Netanjahu verbreitet – und dennoch ein Novum.
Bislang war die arabische Bevölkerung im Westjordanland den Menschenrechtsverletzungen seitens der Sicherheitskräfte ausgesetzt, wenn Land enteignet wird und Menschen gezwungen werden, ihr Heim zu verlassen. Immer öfter kommt es zu Übergriffen durch Zivilisten. Gefällte Olivenbäume, platte Autoreifen und Schikanen gehören für die Palästinenser, die dicht an einer israelischen Siedlung wohnen, zum Alltag. Oft sind die Täter bekannt, und doch kommt es selten zum Verfahren. Kaum ein Dutzend Prozesse läuft bis heute.
ist Israel-Korrespondentin der taz.
Wie überzeugend kann ein Rechtsstaat sein, der sich selbst nicht an die eigenen Regeln hält? Wie verwirrend muss es für junge Staatsbürger sein, wenn sie die doppelten Botschaften in der Knesset hört, wo Flüchtlinge als Krebsgeschwür bezeichnet werden und überführten Extremisten das Gehalt aus der Staatskasse bezahlt wird?
Die fatale Botschaft der Regierung geht weiter. Macht euch keine Hoffnung auf Frieden, sagt sie, es wird ihn nicht geben. Die Palästinenser sind nicht länger Partner, sie werden zum Sündenbock für die Isolation Israels in der Welt und die maroden Zukunftsaussichten der Jugend gemacht.
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