DIE WAHRHEIT: König des Nichts
Der geniale Schilderminister Peter Ramsauer.
Verkehrsminister Peter Ramsauer ist ein Macher. Keiner, der nur große Reden schwingt und mit Taten auf sich warten lässt. Ramsauer ist einer, der weiß, was das Volk beschäftigt. Sein bisheriges politisches Wirken ist beeindruckend: Um ein Haar hätte Ramsauer das Überholverbot für Lkws durchgesetzt. Beinahe hätte er Radfahrern den Helm verordnet. Fast sogar das Fahrradfahren ganz allgemein verboten. Und nur knapp gescheitert ist der Versuch, die Pendlerpauschale wiedereinzuführen.
Nun, so scheint es, holt der ungekrönte „Königs des Nichts“ (Schöner Wohnen) zum entscheidenden politischen Schlag aus: Kfz-Zeichen für alle. Egal ob jung oder alt, dünn oder dick. Egal ob Haufen- oder Fischerdorf, Schrott- oder Bonzenkarre. Lokalpatriotismus soll den schlechten Zustand der Straßen, die Staus auf den Autobahnen und die unausgereifte Verkehrsplanung vollkommen vergessen machen. „Ich komm aus Sprockhövel (SPROCK) und scheiß auf die Schlaglöcher!“, so soll es bald stolz auf Deutschlands Straßen tönen.
Erste Stimmen melden sich, die behaupten, dies sei eine Verschwörung der gesamten Bundesregierung, um die Bürger von katastrophalen Fehlplanungen wie dem Flughafen Berlin Brandenburg oder Stuttgart 21 abzulenken. Doch diese kurzsichtigen Spötter werden verstummen. Der reflexartige Aufschrei, dass nun aber wirklich das Sommerloch gekommen sei, wird verhallen. Die Idee des Ramsauer ist größer, als wir mit unseren kleinbürgerlichen Köpfen fassen können. Solche Stimmen verkennen die Genialität des Verkehrsministers. „König Ramses“, wie Ramsauer von engen Mitarbeitern genannt wird, sorgt sich um die ureigenen Befindlichkeiten seiner Untertanen.
Nach EU-, Euro-, Verfassungsschutz- und Olympiakrise ist der Bürger endlich wieder wer! Mit dem neu gewonnenen Selbstbewusstsein fährt er mit Tempo 30 durch Autobahnbaustellen und im Schritttempo durch kilometerlange Staus. In der Stadt steht er gar tagelang an roten Ampeln vor leeren Kreuzungen. Aber es ficht ihn nicht an. Wer braucht Grünphasen, wenn der Kampf der Herkunft an der Haltelinie ausgefochten wird? „Kuck mal, Schatz, der kommt aus SPROCK! So fährt der auch!“ – „Recht hast du, Liebster, steht SPROCK nicht für ’Spät Retardierter Ochsenkopf‘?“
Ein Land wächst zusammen. Paare werden sich innig lächelnd im Auto an den Händen halten, vereint im Gefühl, aus einer anständigen Ortschaft zu kommen. Der jüngste Streit über die Affäre der Frau mit dem Milchmann ist vergessen und – sollten es die desolaten Straßenverhältnisse zulassen und die Glücklichen sicher im trauten Heim ankommen – der Kinderlosigkeit endlich ein Ende bereitet.
„Ramsauer erhöht die Geburtenquote!“ – „Ein Land ramsauert sich gesund!“, so titeln die großen Blätter, und der Verkehrsminister, er weiß vor Glück gar nicht, welchen nächsten brillanten Geistesblitz er auf seine Nation abfeuern soll. Helmpflicht für Fußgänger? Anschnallpflicht für Rollatorschieber? Maut für Skateboardfahrer? Eine vierte Farbe für Ampeln?
Wo heute Lokalpolitiker über Landflucht in Mecklenburg-Vorpommern jammern, werden morgen Makler über Burn-out klagen. Ein wahrer Run auf namhafte Örtchen wie Kuhs, Käselow oder Groß-Köthel wird einsetzen. Die Neuzugezogenen werden auf dem Straßenverkehrsamt jauchzend ihre unvergleichlich-originellen Kennzeichen in die Höhe halten, Freudentränen in den Augen, Dankbarkeit für Ramsauer in ihren Herzen.
Es ist sicherlich nicht übertrieben, hier zu behaupten, dass sich Ramsauer längst für einen hochrangigen Job in Brüssel qualifiziert hat. Nein, Peter Ramsauer, das kann mit Fug und Recht festgehalten werden, ist der Konrad Adenauer des 21. Jahrhunderts. Nur, dass der gelernte Müller Ramsauer keine Sojawurst, sondern Ideen erfindet.
Es wird Zeit, die Redewendung „Das ist ja wohl ein Ramsauer!“ respektive das Verb „ramsauern“ in den deutschen Wortschatz aufzunehmen.
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