Kein Spielraum mehr

Im Frankfurter Presseclub erklärt Chefredakteur Uwe Vorkötter, wie es mit der „Berliner Zeitung“ weitergeht

Nun ist’s endgültig: Gestern gingen der Berliner Verlag und damit auch die Berliner Zeitung offiziell in die Hände der Finanzinvestoren um den Briten David Montgomery über. Vorausgegangen war ein heftiger Widerstand der Redaktion – allen voran Chefredakteur Uwe Vorkötter, der um das journalistische Profil seines Blattes fürchtete. Verständlich, dass Vorkötter in der Nacht zum Donnerstag nicht zum Feiern zumute war. Er verbrachte den Abend lieber fernab der Hauptstadt in Frankfurt und diskutierte im Presseclub über die „Zeitenwende im Printgewerbe“, anders gesagt: über seine neue publizistische Situation.

Vorkötter scheint milder gestimmt, seit die Schlacht geschlagen ist. Er habe „absolut keine Sorge“, dass die inhaltliche Unabhängigkeit durch die neuen Besitzer in Frage gestellt werde. Finanzinvestoren seien am Inhalt der Zeitung „einfach nicht interessiert.“ Allerdings wisse er noch nicht genau, was auf ihn und seine Redaktion in den nächsten Monaten zukomme. Unabhängig vom Kampf gegen die Investorengruppe seien bereits die Budgets für das nächste Jahr verteilt worden. Mit ihren neuen Eigentümern werde man das aber „sicher nicht eins zu eins umsetzen können“. Zwar habe er keine Agenda, die es in den Gesprächen mit Montgomery abzuarbeiten gelte, doch es müsse in jedem Fall „über die Differenz der eigenen Vorstellungen geredet werden“, so Vorkötter.

Aller Milde zum Trotz sträubte sich der Chefredakteur weiter gegen die Vorstellung, jetzt einem „kurzfristig denkendem Investor“ zuarbeiten zu müssen. Geplant sei, dass die Kaufsumme von rund 160 Millionen Euro zu einem bedeutenden Teil mit einer Überschuldung des Verlags gedeckt werden soll. Ein Kredit von rund 80 Millionen Euro soll dafür aufgenommen werden. Bei einer derzeitigen Rendite von jährlich etwa 9 Millionen Euro könne sich jeder vorstellen, „dass wir den Gewinn auf 14 oder mehr Millionen anheben müssen, um die Zinsen zahlen zu können“. Das sei zwar machbar, sagte Vorkötter, seine Sorge dabei gilt jedoch dem kurzen Zeitraum, in dem Investoren denken.

Mit Blick auf Montgomery sprach Vorkötter von drei bis fünf Jahren und fragte sich: „Was ist denn, wenn wir in der Zwischenzeit Probleme bekommen?“ – wenn sich also doch Gratiszeitungen in Deutschland etablieren und die Marktsituation damit entscheidend verändern, sodass dem Verlag kaum Spielraum für Gegenstrategien blieben. Denn: „Wenn wir Kredite aufnehmen müssen, sind die Geldflüsse fest terminiert.“ Dann mal so einfach ein Konkurrenzprodukt auf den Markt zu bringen, ist quasi unmöglich.

Eine positive Zusage hat ihm Investor Montgomery mittlerweile wenigstens gemacht: „Er will in unserem Haus kein Büro beziehen. Das zumindest spricht nicht gegen ihn.“ BOS