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Auch in der Literatur droht die große Koalition! Eine neue Gruppe 47 soll es zwar nicht werden, was der Literaturnobelpreisträger Günter Grass für den 5. Dezember nach Lübeck einberufen hat, aber zumindest ein Fußballverein: „Lübeck 05“ soll die Gruppe heißen, die sich in Grass’ Lübecker Büro treffen wird, um „über Literatur zu reden und auch vorzulesen, aus dem Manuskript, ein Werkstattgespräch zu machen“, wie Grass in einem Interview der Zeit ankündigte. Man werde aber auch über Politik reden. Thomas Brussig, Michael Kumpfmüller, Katja Lange-Müller, Benjamin Lebert, Eva Menasse, Matthias Politycki, Tilman Spengler und Burkhard Spinnen sollen teilnehmen. Denn, so Grass in der Zeit weiter, er wolle sich jetzt langsam daran machen, „den Stafettenstab zu übergeben“. „Ich habe natürlich ein Interesse daran, dass das, was ich mit Autoren meiner Generation jahrzehntelang gemacht habe – sich politisch einzumischen –, nicht abbricht.“

Auch wichtig und noch einmal aus dem Feld der Literatur: Das wegen Stasi-Verwicklungen kritisierte Neubrandenburger Literaturzentrum hat sich bei den zu DDR-Zeiten bespitzelten Autoren entschuldigt. Das sagte die amtierende Geschäftsführerin Erika Becker bei der Vorstellung einer Studie zur Einflussnahme des Ministeriums für Staatssicherheit am Mittwochabend in Neubrandenburg. In dem 1971 gegründeten Zentrum werden unter anderem die Nachlässe von Brigitte Reimann (1933–1973) und Hans Fallada (1893–1947) betreut. Die Studie haben drei Vorstandsmitglieder des Trägervereins des Literaturzentrums erarbeitet. Dazu durchforsteten sie zusammen mit der Birthler-Behörde rund 50 Aktenordner mit 3.600 Seiten Opfer- und Täterakten.

Anlass war eine Untersuchung der Berliner Journalistin Christiane Baumann. Sie hatte dem Literaturzentrum und dem früheren Leiter Tom Crepon bereits im September die Verwicklung in Überwachungen von Autoren und mangelnde Aufarbeitung der Vergangenheit vorgeworfen. Die neue Studie kommt zu dem Schluss, dass die Kulturszene massiv von Funktionären und Schriftstellern des DDR-Schriftstellerverbandes, den Kulturbehörden sowie von Journalisten der SED-Zeitung Freie Erde bespitzelt wurde. So seien 1981 etwa 60 Menschen von rund 75 Informellen Mitarbeitern überwacht worden. Auch Crepon habe sein Amt als Leiter des Literaturzentrums (bis 1985) für Bespitzelungen missbraucht. Zu den Opfern gehörten unter anderem Brigitte Reimann, der Schriftsteller Rainer Prachtl – nach 1990 mehrere Jahre CDU-Landtagspräsident –, und andere Autoren wie Peter Tille und Uwe Saeger.