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Streik bei Lufthansa„Arbeitsmarkt wird zum Discounter“

Wäre Zeitarbeit besser reguliert, würde sie sich nicht zum Lohndrücken eignen, sagt der Gewerkschaftsexperte Heiner Dribbusch.

Die Flugbegleiter der Lufthansa protestieren am Frankfurter Flughafen gegen Leiharbeit und für mehr Lohn. Bild: dapd
Heide Oestreich
Interview von Heide Oestreich

taz: Herr Dribbusch, das Kabinenpersonal der Lufthansa will keine Leiharbeit. Aber die gibt es in anderen Branchen doch auch?

Heiner Dribbusch: Die Leiharbeit beim Kabinenpersonal ist etwas Neues. Sie wurde bei der Lufthansa mit der erklärten Absicht eingeführt, die bestehenden Standards der Stammbelegschaft auf Dauer zu untergraben. Das kann man nicht akzeptieren.

Dass die Lufthansa sich der Konkurrenz der Billigairlines stellen muss, ist für viele Menschen nachvollziehbar. Hat UFO deshalb schlechte Chancen?

Die Menschen sehen aber auch, dass Lufthansa ein recht gutes Betriebsergebnis hatte. Und sie denken darüber nach, ob sie in der gesamten Luftfahrt Verhältnisse wie bei Ryanair haben wollen. Die zunehmende Verdiscounterung auf dem Arbeitsmarkt ist nach meinem Gefühl nicht sehr populär. Letztendlich muss die Politik hier stärker regulieren. Wir wollen ja auch keine Kinderarbeit, obwohl die so schön billig ist.

Könnten Sie mit dieser Entwicklung leben, wenn die Zeitarbeit stärker reguliert würde, also wieder ordentlich bezahlt und befristet würde?

Heiner Dribbusch

58, ist Politologe. Beim Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung ist er zuständig für Tarif- und Gewerkschaftspolitik.

Würde Leiharbeit bei gleicher Bezahlung nur zum Abfangen von Spitzen eingesetzt, wäre sie nicht mehr das Problem. Aber diese Regulierungen haben wir nicht. In Frankreich bekommen Leiharbeiter nicht nur den gleichen Lohn wie die Stammbeschäftigten, sie bekommen noch einen Flexibilitätszuschlag oben drauf. Das wäre ein Vorbild für uns. Aber Arbeitsministerin von der Leyen setzt auf Tarifverhandlungen in den einzelnen Branchen.

Nach dem Streik

Nach dem Streik der Flugbegleiter von Lufthansa sind auch am Samstag mehrere Flüge ausgefallen. Es gebe „vereinzelte Flugstreichungen", sagte ein Sprecher des Unternehmens in Frankfurt am Main. Laut Lufthansa handelte es dabei um 18 In- und Auslandsflüge vornehmlich zum Rhein-Main-Flughafen. Die Nachwirkungen des Streiks vom Freitag führte der Sprecher auf das „komplexe System" des Luftverkehrs zurück. (afp)

Die IG Metall etwa hat Zuschläge für die Leiharbeit ausgehandelt. Das ist eine Verbesserung. Aber es geht um Equal Pay und Equal Treatment und das geht nur per Gesetz.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat sich neulich auch für Zuschläge ausgesprochen. Was erwarten Sie von der SPD?

Der IG-Metall-Abschluss war eine reine Notlösung. Es gibt mir schon zu denken, dass die SPD offenbar nur Notbehelfe in einigen Branchen will, wie sie auch die Arbeitsministerin bevorzugt – und keine vernünftigen Regelungen, die für alle gelten.

Ein Regierungswechsel bringt den LeiharbeiterInnen nichts?

Die SPD müsste ihre eigene Deregulierung zurücknehmen. Das tut sie nur mit Druck von außen. Und leider gibt sie dem Druck der Arbeitgeber oft eher nach als dem der Gewerkschaften.

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7 Kommentare

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  • S
    sozialstaatade

    Sozi Schröder hat mit der Agenda 2010 die Wirtschaft vor der Politik gestellt! Deregulierung der Märkte um Kartelle am Markt entstehen zu lassen.Wer so eine Ideologie im Kopf hat, ist meines Erachtens ein dummstolzer Mensch.

  • RB
    Rainer B.

    Ich finde es vorbildlich, dass hier eine Gewerkschaft endlich mal gegen diesen Beschiss mit der Leiharbeit vorgeht. Man darf gespannt sein, wieviel der Lufthansa der Kampf gegen die eigenen Mitarbeiter diesmal wert ist. Ginge es da allein nach wirtschaftlichen Erwägungen, müsste der Lufthansa an einem schnellen Tarifabschluß gelegen sein. Aber darum geht es wohl nicht.

     

    "Weinberg" hat völlig recht. Allerdings darf man von CDU/FDP auch nichts anderes erwarten. Überhaupt sind Arbeitnehmer im Bundestag praktisch nicht vertreten. Sie dürfen den Beschiss nur bezahlen. Von der durch und durch korrupten politischen Klasse hierzulande ist bestimmt keine Abhilfe zu erwarten.

     

    Deshalb ist es wichtig, dass die Arbeitnehmer ihre Interessen in die eigenen Hände nehmen. "UFO" könnte ein Beispiel sein und deshalb wird die Lufthansa wider alle wirtschaftliche Vernunft dagegen vorgehen.

  • R
    Rolfmann

    Grüne und SPD haben systematisch die Menschen in Armut getrieben und die Lohngrenzen nach unten verschoben, damit die Konzerne, Banker, HEuschrecken und Großkapitalisten noch mehr Profit einfahren. Die Folge ist eine flächendeckende verelendung ganzer Landstriche, wor trotz Arbeit nicht genügend Geld mehr zum Leben bleibt, während dieses Geld zur SPekulation an Börsen und Terminmärkten genutzt wird.

     

    Der Sozialismus führt ein weiteres Mal die Menschen in Armut und Elend, die Ossis kennen das noch gut aus der DDR, wo es immer nur MANGEL an allem gab.

     

    Viele TAZleser, die heute noch irgendwie über die Runden kommen, werden bald ein ähnliches SChicksal erleben, wenn sie dann aufwachen wird es für eine Wende zu spät sein. Die MAcht haben dann ESM/NWO-Mächte.

  • A
    aurorua

    Stück für Stück zurück! War sie nicht schön die attische Demokratie in der Sklaven und Metöken ebenso selbstverständlich waren, wie heute Leiharbeiter und Migranten ohne Wahlrecht?

  • L
    LHler

    Kleine Denkfehler beim Gewerkschaftsexperten: Ryanair hat keine Leiharbeitnehmer, Ryanairs Kabinenpersonal fällt nicht unter die Deutsche Gesetzgebung. Ich hänge ja auch den 70ern nach, aber die Rahmenmbdingungen haben sich geändert. Diese sog. Lufthanseaten machen die Lufthansa kaputt.

  • W
    Weinberg

    Die Leiharbeiter in Deutschland können sich täglich bei den SPD-Edelgenossen Schröder, Clement und Konsorten bedanken!

  • T
    torsten

    Deutschland braucht eine neue Partei und

    sicherlich keine Piraten-Wir-brauchen-

    erst-noch-ein-Programm-Steuersünderschützer-Partei.

     

    Die CDU vernichtet europaweit mit dem Fiskalpakt

    die Demokratie und jegliche Sympathie mit Deutschland

    bei den Völkern der EU und errichtet

    ein Entstaatlichungssystem für Pleitestaaten ein!

    Sie untergräbt das Selbstbestimmungsrecht der Völker

    und erweckt alte Ängste gegenüber Deutschland neu.

    Und auch wir sollen entmündigt werden!!!

    Öettingerterror läßt grüßen!

    Die FDP+CDU setzen sich nicht für ein maßvolles

    Bestrafen und Ahnden (ohne Reputationsverlust)von Steuervergehen ein, sondern

    honorieren es auch noch.

    Die SPD verschleudert gleich die Liquidität Deutschlands, wenn sie nur könnte und

    beutet schamlos die Menschen über Leiharbeitsverhältnisse aus und betreibt massiven

    Sexismus (gegen männlichen Nachwuchs).

    Von Volkswirtschaft haben alle keine Ahnung

    oder es ist einfach nicht Ihr Interessengebiet!

    Der Osten,NRW und Schleswig-Holstein haben es sich

    in Ihrer Transferhängematte gemütlich gemacht und

    sehen teilweise Ihrer demografischen Extremdezimierung entgegen.

    Es wird Zeit!

    Ein neuer Anlauf diesmal mit mehr Volkswirtschaftlern, Staatsrechtlern, Medizinern

    (echten die aus Passion arbeiten), IngenieurInnen,

    MathematikerInnen an der Spitze ist angezeigt

    ohne Großbankenbeziehungen und Konzernverquickungen!

    Weg mit den Blockflöten, Beratern, Lobbyisten!

    Das Allgemeinwohl Deutschlands muss unabhängig

    von käuflichen Avancen gestaltet werden

    und kann SonntagsrednerInnen, AufwieglerInnen und

    DogmatikerInnen und Apathikern nicht überlassen werden!

    Ohne Kenntnisse in Volkswirtschaftslehre

    und Staatsrecht und dem Eid auf das deutsche

    Grundgesetz sollte man nicht im Parlament

    mitentscheiden.

    Schluss mit den Spuk. Das Politikergehalt ist

    groß genug, um ernsthaft zu arbeiten.

    Deutschland muss zu Hause seine Hausaufgaben erledigen! Und Draghi, Öttinger und Konsorten entmachtet werden!

    Europa hat genug gelitten! Und vor allem China

    hat davon profitiert!