Die Wahrheit: Englands Erbesenkrise

In Britanniens Küchen ist Panik ausgebrochen: Das Wetter, das der Insel ohnehin nicht sonderlich wohlgesonnen ist, hat den gewohnten Speiseplan durcheinandergebracht.

In Britanniens Küchen ist Panik ausgebrochen: Das Wetter, das der Insel ohnehin nicht sonderlich wohlgesonnen ist, hat den gewohnten Speiseplan durcheinandergebracht. Zunächst hatte die Regierung wegen der Dürre im Frühjahr der Gärtnernation verboten, ihre Gärten zu bewässern. Dann setzte Anfang Juli eine Art Sintflut ein, bei der innerhalb von 24 Stunden so viel Regen fiel wie sonst in zwei Monaten.

Zwei Fünftel der Erbsenernte wurden vernichtet. Der Schaden beträgt rund 80 Millionen Pfund. Die Briten essen 150.000 Tonnen Erbsen im Jahr, 90 Prozent davon produzierten sie bisher selbst. Nun muss das urenglischste Gemüse aus Guatemala importiert werden, und die Kunden müssen dafür tief in die Tasche greifen. Was sollen sie auch tun? Zum Roast Beef gehören nun mal Erbsen, und auch Lamm in Pfefferminzsoße sowie Fish & Chips sind ohne Erbsen gar nicht vorstellbar.

Aber es kommt noch schlimmer. Auch die Kartoffeln für die Pommes frites müssen aus Belgien importiert werden, und zwar tausend Tonnen pro Woche. Britische Chips sind aber einen halben Inch breiter als die Variante aus dem Mutterland der Fritten, und die Belgier „braten sie zweimal in Kuh- oder gar Pferdetalg und servieren sie mit Mayonnaise statt mit Essig“, wie ein Kunde angeekelt feststellte.

Fast die gesamte britische Gemüseernte leidet unter dem Wetter. Zwiebeln werden aus Argentinien eingeführt, Blumenkohl aus Neuseeland, Bohnen aus Afrika. Ein Händler rechnete aus, dass der durchschnittliche Gemüsekorb einer britischen Kleinfamilie fast 70.000 Kilometer gereist sei.

Nur die Karotten, die wegen des hübschen Farbkontrasts neben den Erbsen zum Sonntags-Dinner serviert werden, sind relativ ungeschoren davongekommen. Doch wegen des trüben Frühsommers sind sie 15 Prozent kürzer als sonst. Damit erfüllen sie nicht die Mindestanforderungen, die große Supermarktketten an sie stellen. Die importieren die Ware aus Südafrika. Britische Landwirte haben die Nation aufgefordert, in den Läden stummelige, untersetzte Karotten zu verlangen. „Einheimisches Gemüse ist lebenswichtig für unsere Esskultur“, behaupten sie.

„Wir dürfen nicht zulassen, dass sie von dem miesen Sommer weggespült wird.“ Weggespült wurden auch Bienen und Hummeln. Viele sind ersoffen, bevor sie ihren Beitrag zur Bestäubung leisten konnten, so dass auch die Obsternte ruiniert ist. Und was an Obst und Gemüse übrig geblieben ist, fällt den Nacktschnecken zum Opfer. Die haben sich auf Mais spezialisiert, was fatale Folgen hat: Die Maisfelder dienen den Fasanen als Schutz. Zur Jagdsaison im Herbst wird es deshalb weit weniger dieser leckeren Tiere geben. Was sollen die Briten essen?

Sie müssen wohl zum Inder gehen und ein Chicken Tikka Massala bestellen. Das ist zwar kein indisches Gericht, sondern wurde den indischen Restaurants von den Engländern aufgezwungen, weil sie über jedes Essen irgendeine Soße kippen müssen, aber wenigstens kommt die Speise ohne Kartoffeln oder Gemüse aus.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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