Piraten gegen Parteienfinanzierung: „Das ist schlecht für eine Demokratie“
Die staatliche Parteienfinanzierung benachteilige die Piraten, urteilt ihr NRW-Abgeordneter Nico Kern. Daher klagt er vor dem Bundesverfassungsgericht.
taz: Herr Kern, Sie klagen im Auftrag der Piraten gegen die staatliche Parteienfinanzierung, weil die kleine Parteien wie Ihre benachteilige. Warum setzen ausgerechnet die Piraten, die Politik von unten machen wollen, auf Staatsgeld?
Nico Kern: Die staatliche Parteienfinanzierung besteht ja aus gutem Grund. Nur: Wenn der Staat Mittel vergibt, sollte das nach demokratischen Grundsätzen erfolgen und die Chancengleichheit wahren. Seit der jüngsten Änderung des Parteiengesetzes 2011 ist das immer weniger gewährleistet. Am augenfälligsten ist: Seither verfallen Gelder aus der Parteienfinanzierung nicht, wenn eine Partei sie nicht abrufen darf. Allein die CDU bekam deshalb fürs Jahr 2010 fast 600.000 Euro mehr zugesprochen.
Die Höhe der Staatsgelder orientiert sich auch daran, wie viele Spenden und Mitgliedsbeiträge Parteien einnehmen. Das soll garantieren, dass Parteien Geld entsprechend ihrem Rückhalt in der Gesellschaft haben. Ist dieser Maßstab falsch?
Die Frage ist: Wie sieht ein vernünftiges Verhältnis aus zwischen Spenden und Einnahmen einerseits und staatlichen Zuwendungen andererseits? Die Parteien, die im Bundestag vertreten sind, bekommen reichlich Spenden. Das hat auch damit zu tun, dass sich Unternehmen erst bereitfinden, Parteien Geld zu geben, wenn diese im Bundestag sitzen. Bei der staatlichen Finanzierung wird zu viel Wert darauf gelegt, wie viel Spenden eine Partei erhält, und zu wenig, welche Wahlerfolge sie hat. Das ist schlecht für eine Demokratie.
Woran sollen sich die staatlichen Zuschüsse denn orientieren? An der Zahl der Mitglieder?
Zum Beispiel. Das wäre natürlich günstig für die Piraten, schließlich haben wir rund 35.000 Mitglieder. Aber mir geht es auch um die Ungleichbehandlung anderer nicht im Bundestag vertretener Parteien.
Der Jurist klagt für die Piraten in Karlsruhe gegen die jüngste Änderung des Parteiengesetzes. Der 39-Jährige ist seit diesem Jahr Piraten-Abgeordneter im NRW-Landtag.
In einem Jahr wird im Bund gewählt. Kann ein Urteil zu Ihren Gunsten noch den Piraten-Wahlkampf beeinflussen?
Ich bin gespannt, wann das Bundesverfassungsgericht sich mit der Klage befassen wird. Es hat ja unter anderem durch die Klage zum ESM jede Menge zu tun.
Müssen die Piraten ihre Beiträge erhöhen und strikter einfordern? Das würde die Einnahmen erhöhen – und damit auch die staatlichen Zuschüsse
Klar, da müssen wir etwas tun. Aber selbst, wenn jeder Pirat pünktlich seinen Mitgliedsbeitrag zahlte, wäre die Parteienfinanzierung immer noch ungerecht geregelt. Außerdem: Wir wollen ja auch Menschen mit wenig Geld ermöglichen, bei uns Mitglied zu sein. Sie können einen stark reduzierten Mitgliedsbeitrag zahlen, und das soll so bleiben.
Was, wenn Ihre Klage scheitert?
Na, dann bleibt die Parteienfinanzierung so, wie sie ist. Leider.
Sie könnten die CDU fragen, ob sie Ihnen was von den 600.000 Euro rausrückt.
Da mache ich mir keine großen Hoffnungen.
Leser*innenkommentare
Janis Ehling
Gast
Die Parteienfinanzierung zu verbieten, halte ich für undemokratisch.
Wer würde denn von einer solchen Maßnahme profitieren? Die Parteien, die reiche Mitglieder und reiche Spender_innen haben. Ein Verbot der Parteienfinanzierung würde also zu noch mehr Ungerechtigkeit führen. Schon die jetzige Regelung finde ich fraglich, weil sie unternehmensnahe Parteien bevorteilt. Eine Unterstützung der Parteien auf Basis der Mitgliederzahlen halte ich für die demokratischere Variante.
Ernst Lehmann
Gast
Das hätte sie mir wirklich sympathisch gemacht, wenn die Piraten wirklich wie die Überschrift vermuten liess, gegen die Parteienfinanzierung sind.
In Wirklichkeit wollen sie nur mehr als bisher vom Staat, was mal wieder zeigt, was sie wirklich sind: Studentisch geprägte Staatsfinanzierte...
Biks
Gast
Ich bin völlig überrascht, dass bei der staatlichen Parteienfinanzierung überhaupt ein anderes Kriterium als der Wahlerfolg herangezogen wird.
Bisher bin ich davon ausgegangen, dass der Staat den immensen Aufwand von Wahlen betreibt, um möglichst genau herauszufinden, wieviel Rückhalt welche Partei in der Bevölkerung hat. Wenn es also Kriterien gibt, die das angeblich noch viel genauer feststellen, dann müsste man doch die Mandate danach vergeben?
Philipp
Gast
Man sollte an dieser Stelle vielleicht nicht unerwähnt lassen, dass wenn ein Mitglied der Piratenpartei seinen Mitgliedsbeitrag nicht zahlt, ihm nicht die Parteimitgliedschaft, sondern lediglich das Stimmrecht entzogen wird.
Wenn man nun die Zuwendungen nach der Anzahl Mitglieder bestimmt, wären also jene im Vorteil, die gar keinen Mitgliedsbeitrag erheben. Besonders kritisch, wenn sich eine Partei nur durch Staatseinnahmen finanzieren könnte.