BERNWARD JANZING ÜBER DAS GEPLANTE NORDSEE-NETZ FÜR ÖKOSTROM
: Schädliche Gigantomanie

Wer im Stromsektor das Ziel einer europäischen Vollversorgung mit erneuerbaren Energien im Auge hat, kommt nicht umhin, leistungsfähige Hochspannungskabel zu verlegen. Denn je größer das Netzgebiet ist, umso besser lassen sich die witterungsbedingten Schwankungen der Stromerzeugung ausgleichen. Das steht außer Frage.

Dennoch ist das jetzt lancierte Nordsee-Projekt der europäischen Regierungen von einer Gigantomanie geprägt, die zumindest mal unnötig, wenn nicht sogar schädlich ist. Schließlich ginge alles auch viel unspektakulärer – und auch schneller. Denn was das europäische Netz braucht, um fit zu werden für das anstehende Zeitalter der erneuerbaren Energien, sind vor allem leistungsfähige internationale Kabelverbindungen, sogenannte Interkonnektoren.

Ein solches Beispiel ist das norwegisch-schweizerische Konsortium NorGer, das Deutschland und Norwegen binnen fünf Jahren mit einer Hochspannungsgleichstromtrasse verbinden will. Das Geschäftsmodell beruht schlicht darauf, dass man die Preisdifferenzen am Markt ausnutzt: Ist der Strom in Deutschland gerade billig, lohnt sich der Verkauf in Norwegen. Ist er in Norwegen billiger, bringt man ihn nach Deutschland. Aber solche Kabel lassen sich politisch eben nicht so gut verkaufen wie ein Großprojekt, selbst wenn es noch so vage ist. Und so drängt sich der Eindruck auf, dass sich hier Politiker vor allem selbst zu schmücken suchen.

Stutzig machen sollte auch der angekündigte Zeitplan von zehn Jahren. Denn der Ausbau der nötigsten Trassen ließe sich viel schneller realisieren. Zu befürchten ist, dass die Ankündigung des Riesennetzes nun an anderer Stelle dringend nötige Ausbauten der Offshore-Windkraft bremst. Aber vielleicht ist das von einigen der Akteure sogar gerade gewünscht.

Der Tag Seite 2