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Bahn in ReinigungsnötenSprayer schneller als Eisenbahn

Die S-Bahn beklagt sich über den steigenden Aufwand für die Entfernung von Graffiti. Andere freuen sich darüber, weil die fahrenden Wagen für viel Publikum sorgen.

Zu fleißige Sprüher: Die S-Bahn kommt mit dem Säubern der Wagen nicht hinterher. Bild: dpa

Bundespolizei und S-Bahn beklagen: In Hamburg wird wieder mehr gesprayt. „Wir haben seit letztem August ungefähr 25 Prozent mehr Aufwand für die Entfernung von Schmierereien“, sagt Sabine Brunkhorst von der S-Bahn. Das Ziel, besprühte S-Bahnen innerhalb von 24 Stunden zu reinigen, könne man momentan nicht erfüllen. Das Betriebswerk Ohlsdorf sei aufgrund der vielen Fälle mit der Reinigung überfordert.

50 Millionen Euro kosten die Bahn Vandalismus und Graffiti bundesweit jährlich. Zahlen für Hamburg will Brunkhorst nicht herausgeben. Und überhaupt: Die Bahn hält sich bei dem Thema aus Angst vor Nachahmereffekten bedeckt. Laut Kriminalstatistik sind die Strafanzeigen wegen Graffiti in Hamburg von 2010 bis 2011 um 12,7 Prozent auf 3.814 Fälle zurückgegangen.

„Ich freue mich, dass die Szene jetzt wieder auflebt“, sagt Annika Fitz, Autorin eines Buches über Streetart und früher selbst Teil der Szene. „Für mich ist das Kunst.“ S-Bahnen seien ein besonderer Platz, weil sie durch die Stadt fahren und von vielen Leuten gesehen würden. Wegen des Risikos bekomme man besonders viel „fame“, also Anerkennung, für sein Bild auf einer S-Bahn. „Wenn du ein Silberbild an eine Hauswand malst – womöglich noch mit Erlaubnis des Besitzers – dann kräht kein Hahn nach dir“, sagt sie.

Vor der Gefahr, die die S-Bahn für die Sprayer attraktiv macht, warnt Rüdiger Carstens von der Bundespolizei: „Die Täter begeben sich im S-Bahn-Bereich in Lebensgefahr – da geht es um 1.200 Volt Gleichstrom, viele unterschätzen das.“ Im Januar war ein 26-jähriger Sprayer in der Nähe des Bahnhofs Dammtor von einer S-Bahn erfasst und tödlich verletzt worden.

Man habe in den letzten Monaten festgestellt, dass die Szene wieder aktiver werde, sagt Carstens. Deshalb hat die Bundespolizei reagiert und die Zahl der Beamten aufgestockt, die nun auch nachts verstärkt auf Streife gehen. Wird ein Sprayer erwischt, wird er vorläufig festgenommen und ein Strafverfahren wegen Sachbeschädigung eingeleitet. Es drohen hohe Geldstrafen und bis zu zwei Jahre Freiheitsentzug.

Barbara Uduwerella hilft mit ihrem Projekt „HipHop Hamburg“ seit Jahren Jugendlichen, die mit einer Strafanzeige wegen Graffitis kämpfen. „Würde die Bahn fairer mit Sprühern umgehen, wäre die Motivation nicht so groß“, sagt Uduwerella. Sie spielt auf die angebliche Misshandlung des Hamburger Künstlers Oz durch Beamte der S-Bahn-Wache vor einigen Jahren an.

„Die S-Bahn will die harte Linie durchziehen“, sagt die 70-Jährige, die zu dem Thema schon als Expertin im Bundestag angehört wurde. „Damit erzeugt man Gegenaggressionen und die Sprayer wehren sich mit Heimtücke: Indem zum Beispiel Eier mit Farbe gefüllt werden.“ Diese fallen bei Kontrollen nicht auf – und verteilen die Farbe als Wurfgeschosse großflächig.

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20 Kommentare

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  • H
    hackbeil

    wenn ich während der bahnfahrt nicht aus dem fenster glotzen kann, find ich das auch doof. Aber aus dem fenster schauen und nen buntes stadtbild anschauen, ist ja auch nicht so gegeben.

    von daher, liebe leute, gebt den sprayern mehr möglichkeiten geplant flächen zu besprühen, dann siehts auch besser aus, spart geld und wir können uns alle auf die fahne schreiben, das hamburg (die db) total tolerant und farbenfroh wäre.

  • E
    Eckbrecht

    Find ich gut ,vom Künstlerischen her ,Gewissensprobleme hät ich bei dem ganzen gift was so beim spayen rumfliegt und Dosenmüll und so ,schlim ,schlim .

    ÖkoFarbe ,vieleicht auch noch ein bischen Lehm in die Dose ist gut für Wärmedämmung .

     

    Aber sich mal mit seinem Laser-beamer vor das Vier Sterne Hotel zu setzen und ein nettes Logo an die Wand Posten ,ist auch Bunt und kommt ganz anders .

    Also der Gestaltungsprozes der Umgebung verläuft auf einer art Vernissagen Ebene .

  • W
    wabohu

    mehr grafitti, weniger werbung!

    es lebe der Sprühling!

  • HM
    Holger M

    geil wie spießig und autoritär hier alle rumeiern

     

    malt alles voll !

  • G
    Gerd

    Sie haben uns schon so viel öffentlichen Raum genommen, doch wir haben Dosen und sie noch nicht gewonnen. Malt alles voll! Tag und Nacht! Farbe in den Alltag leicht gemacht!

  • G
    Gettospast

    Hiphop & grafitti is for losers!

  • EL
    es lebe der sprühling

    !!

  • C
    cemcik

    Ich finde die übermäßig vielen und häßlichen Graffitos an S-Bahnen und Häusern entlang der Bahnstrecke dumm und unangebracht, ja eklig und unpolitisch. Sie zeigen mir, dass das Pubertieren der hirnigen Kiddies von den Eltern endlich mal in sozialverträgliche Bahnen gelenkt werden muss, da der Gesellschaft immer nur Schadensersatz und Repression dazu einfällt.

  • D
    dennis

    auch wenn graffiti der übelste egotrip ist, freue ich mich (meist morgens) über die bunten wagen. ob gut oder schlecht kann jeder selbst entscheiden. aber so ein kleines "durcheinander" in dieser durch und durch steriler werdenden stadt ist einfach balsam für meine kleine verkümmerte künstlerseele. mehr davon, aber nicht dabei sterben bitte. und wenn mein monatsticket dadurch 1 euro teurer wird - meine güte. geschenkt!

  • A
    Andreas

    Wenn erwischt -> nackt an die nächste Laterne ketten und Sprayflaschen daneben stellen - oder mal beim Sprayer zu Hause vorbeischauen und die Wohnung "witlern".

  • R
    Ralf-Günther

    Solche Dinger sehen einfach nur potthässlich aus.

  • B
    Benno

    Einfach zu Hause bei den Grafity-Sprayern das gleiche machen, was sie der Bahn antun: Haustüre zerkratzen, Fenster einwerfen, Möbel besprühen und die Couch aufschlitzen.

  • B
    @Berliner

    stimmt! Die Bundeswehr löst ja am laufenden Band Probleme, in Afghanistan, am Horn von Afrika, im Kosovo,...was hatten wir damals Probleme da...und dann kam die Bundeswehr...heute ist plötzlich alles gut. Super Idee!

  • P
    pablo

    eine sinnvolle und günstigere alternative wäre es seitens der bahn ihre züge guten künstlern als leinwand zur verfügung zu stellen. und schöner aussehen täte es auch noch

  • M
    Max

    Leute wie Annika Fitz sollten wegen Anstiftung angeklagt werden, denn implizit rufen sie mit Äußerungen wie der im Artikel zitierten zum Besprayen auf. Es ist und bleibt Sachbeschädigung. Und als Bahnfahrer ärgere ich mich drüber, wenn ich wegen der Farbe nicht mehr aus dem Fenster sehen kann.

  • U
    ubu

    Da kann man nur hoffen, dass nicht nur die Bundespolizei die Sprayer aus dem Verkehr zieht, sondern dass die Justiz ebenfalls mal die möglichen Strafen ausreizt. Mit 50 Sozialstunden ist es da nicht getan.

    Abgesehen können die Verkehrsunternehmen die Schäden, die Sprayer anrichten, bei eindeutiger Zuordnung des Täters bis auf den letzten Cent von denen zivilrechtlich einklagen. Das können im Einzelfall schon mal mehrere zehntausend Euro sein.

    Und für die Sprayer, die den Ernst der rechtlichen Lage noch nicht erkannt haben: Diese Forderungen verjähren nach 30 Jahren und lassen sich auch nicht - weil Straftat - durch eine Privatinsolvenz beseitigen...

  • B
    berliner2

    @Berliner

    graffiti an s-bahnwagons wird wohl kaum unter "ausnahmesituationen katastrophischen ausmaßes" fallen.

     

    @hamburg

    das unterschreib ich so.

  • F
    Fama

    Fame, ach Gottchen!

     

    Wieso wird in diesem Artikel dieses (meist bei Jungmännern zu beobachtetende) Streben nach Ruhm nicht mal mit einem Wörtchen kritisch hinterfragt?

     

    Aus dieser blöden Sucht nach Anerkennung heraus wird so viel Mist gemacht , die Kids gefährden z. T. sich selbst und andere ...

     

    Und mal ehrlich: Viele Tags sehen doch einfach nur häßlich aus. Es erinnert mich an Köter, die überall hinpissen und ihre "Duftmarke" setzen müssen.

  • H
    hamburg

    Für mehr Graffiti.

    Für die Abschaffung der Bundeswehr.

  • B
    Berliner

    Hier könnte man doch mal die BW sinnvoll im Inland einsetzen. Die Polizei ist ja offenkundig nicht in der Lage das Problem zu lösen.