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Ultimate Frisbee in DeutschlandDie Fairplay-Welt ist eine Scheibe

Ultimate Frisbee ist eine der fairsten Teamsportarten der Welt. Das liegt daran, dass es keine Schiris gibt. Das Geschehen regeln die Spieler und der „Spirit“.

Spiel ohne Schiri: Die Nationalspieler Jakob Burr (r.) und Holger Beuttenmüller im Finale der Deutschen Meisterschaft im Ultimate Frisbee. Bild: Lars-Ole Müller

FRANKFURT/M. taz | Kurz täuscht der Spieler einen Wurf mit der Vorhand an, um die Frisbeescheibe dann etwa 50 Meter zu seinem Teamkameraden zu befördern. Doch kurz bevor dieser sie fangen kann, wird er von seinem Verteidiger hart am Arm getroffen. „Foul!“ ruft er laut und die Zuschauer bekunden ihre Zustimmung. Doch ein Pfiff vom Schiedsrichter bleibt aus.

Das ist keine krasse Fehlentscheidung, sondern ganz normal, denn beim Ultimate Frisbee, einer aus Amerika stammenden Teamsportart, die Anleihen bei Basketball und American Football hat, gibt es keinen Schiedsrichter. Alle Regelverstöße werden von den Spielern untereinander geklärt, kommt es zu keiner Einigung, wird die letzte Aktion wiederholt. „Spirit of the Game“ (Geist des Spiels) heißt das wichtigste Prinzip beim Ultimate, einem Sport, der viel mehr beinhaltet, als das Werfen einer Plastikscheibe im Park.

Gespielt wird sieben gegen sieben auf einem schmaleren Fußballfeld mit je einer Endzone pro Team. Wird eine Scheibe in dieser Zone gefangen, erhält das angreifende Team einen Punkt. Dabei darf mit der Scheibe nicht gelaufen werden, und jeder Spieler darf sie nur zehn Sekunden in der Hand halten. Kommt ein Pass nicht an, etwa weil die Scheibe den Boden berührt oder ein Verteidiger sie abfängt, wechselt das Angriffsrecht. Ultimate ist weitestgehend berührungslos.

Gemeinsam statt gegeneinander

Für den Fairnessgedanken des „Spirit of the Game“ wurde Ultimate Frisbee zur Botschafterdisziplin des Fairplays der alternativen Olympischen Spiele „World Games“ ernannt. Das Prinzip ist als erster und wichtigster Paragraf in den Regeln hinterlegt. Nach jedem Spiel reden beide Teams in einem so genannten Spirit-Kreis noch einmal gemeinsam über den Spielverlauf.

Nach einem Spiel finden die Teams zusammen und lassen es Revue passieren. Bild: Lars-Ole Müller

„Der Spirit of the Game ist die grundlegende Vereinbarung aller Spieler, eigenverantwortlich auf Augenhöhe miteinander umzugehen. Er gibt eine Einstellung vor, die selbst unter Adrenalin den Respekt vor dem Gegener und die Freude am Spiel für wichtiger erachtet als den Siegeswillen“, sagt Jörg Benner, Geschäftsführer des Deutschen Frisbeesport-Verbandes. Selbst auf den deutschen Meisterschaften, die Mitte September in Frankfurt am Main stattfanden und an denen über 700 Aktive in 44 Teams antraten, gibt es keine Schiedsrichter.

Die Mitglieder der Frisbeegemeinde verstehen sich als große Familie. Man kennt und respektiert sich. Frisbee ist weitestgehend unkommerziell, auf Turnieren herrscht Festivalstimmung. Es wird am Spielfeldrand gezeltet, Verpfegung gibt es oft zum Selbstkostenpreis.

Ultimate weist neben dem Fairplaygedanken noch weitere Besonderheiten auf, die es von anderem Teamsport wie Fußball unterscheiden. Neben Korfball ist es die einzige Teamsportart, bei der auch Meisterschaften im Mixed, also mit Mannschaften in denen Männer und Frauen zusammenspielen, ausgetragen werden.

Doch der größte Vorteil von Ultimate Frisbee ist zugleich ein Defizit. Ohne Schiedsrichter sind Entscheidungen teilweise umstritten, Diskussionen zwischen den Spielern können sich in die Länge ziehen. Ein unberechtigt angezeigtes Foul kann ein Spiel entscheiden.

„Manchmal würde ich mir Schiedsrichter wünschen. Dann gäbe es weniger Diskussion und alles würde schneller gehen. Man muss auch die Vorteile von Schiris bedenken, obwohl dann wohl viel mehr geschauspielert werden würde“, sagt Felix Golli, der für Hannover spielt. In der in den USA dieses Jahr neugegründeten Profiliga gibt es nun deshalb doch offizielle Regelhüter, die Fouls anzeigen können. Einige Regeln wurden zudem angepasst, um den Sport zuschauerfreundlicher zu gestalten.

Wieviel Geld veträgt ein Sport?

Durch den unkommerziellen Charakter und weil Ultimate bisher vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) nicht anerkannt wird, müssen Spieler ihre Turnier- und Reisekosten größtenteils selber tragen, das gilt auch für die Nationalmannschaften. Viele junge Spieler können sich das nur schwer leisten. „Ein Turnier ist immer wie ein Urlaub: sehr nett, aber auch teuer,“ sagt der 23-jährige Golli. Für die Junioren-Bundesauswahl und junge Nationalspieler gibt es immerhin einen Förderverein.

Ultimate ist derzeit im Umbruch. Eine Aufnahme in DOSB und IOC ist angedacht, was vor allem finanzielle Unterstützung mit sich brächte. Diese wäre aber mit Auflagen wie Dopingkontrollen und Spielerpässen verbunden, die von einigen Spielern als unnötige Bürokratisierung abgelehnt werden. Außerdem gibt es seit Kurzem ein Unternehmen, das Turniere wie die nationale Meisterschaft gewinnorientiert ausrichtet und mit dem Slogan „We bring Ultimate Spirit to Business“ wirbt.

Daran gibt es zwar von Spielerseite Kritik, alternative Ausrichter fehlen auf Grund von mangelnden Sportanlagen mit ausreichender Größe allerdings oft. Zudem gibt es bisher kaum Sponsoren. Ob diese kommerziell agierenden Unternehmen mit der Spielphilosophie vereint werden könnten, ist zudem unklar. Da scheint es fast paradox, dass sich ein großer Spielwarenkonzern den Begriff „Frisbee“ rechtlich geschützt hat, sodass die Sportart ofiziell nur noch „Ultimate“ heißen darf.

Die Schritte zur Professionalisierung des Sportes stoßen auf geteiltes Echo. Während den diesjährigen Meisterschaften hat am Ende der Sport und der Spirit of the Game im Mittelpunkt gestanden. Bei den Frauen hat sich Köln durchgesetzt, bei den Herren haben die Heilbronner ihren Titel verteidigen können, auch ohne Schiedsrichter und großes Sponsoring.

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5 Kommentare

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  • D
    Daniel

    Für alle die nach Schiedsrichtern rufen, sei die folgende Kampagne empfohlen um sich fortzubilden:

     

    http://wfdf.org/sotg/about-sotg/77-be-calm-strategy

  • S
    Stefan

    Ein paar Kommentare.

     

    1. Wo hat den Ultimate (wegen Markenrechten am Begriff Frisbee spricht man m.W. von Ultimate) Anleihen vom Basketball?

     

    2. Nicht nur im Ultimate und im Korfball sondern auch im Floorball werden mixed Meisterschaften gespielt.

  • U
    Ultimater

    Hallo Robse,

     

    zunächst: Ich bin auch ein Fan des Spirit of the Game und wünsche mir, dass niemals Schiris im Ultimate eingeführt werden.

     

    Dennoch finde ich deinen Kommentar ein wenig übertrieben. Du tust so, als hätte das Spielen ohne Schiedrichter keine Nachteile und alles ist auf dem Frisbeefeld nur Friede Freude Eierkuchen.

     

    Dem ist doch ganz klar nicht so!

     

    Der Autor hat doch Recht wenn er folgendes zum Thema Ultimate Frisbee sagt:

     

    1. Entscheidungen sind umstritten.

    2. Diskussionen dauern teilweise lang.

    3. Ein unberechtigt angezeigtes Foul kann Spiele entscheiden.

     

    Das ist im Frisbee ganauso wie im Fußball(Basketball etc.)!

     

    Du hast vollkommen Recht, wenn Du sagst, dass es ein großer Vorteil ist, wenn die Verantwortung Regelverletzungen anzuzeigen bei den Spielen liegt. Absichtliche Fouls/Schwalben/versteckte Fouls sind beim Ultimate selten.

     

    Trotzdem ist es Aufgabe eines Journalisten auch auf die negativen Seiten einzugehen.

  • RB
    Robse - Berlin

    "Doch der größte Vorteil von Ultimate Frisbee ist zugleich ein Defizit. Ohne Schiedsrichter sind Entscheidungen teilweise umstritten, Diskussionen zwischen den Spielern können sich in die Länge ziehen. Ein unberechtigt angezeigtes Foul kann ein Spiel entscheiden."

     

    Sehr geehrter TAZ-Autor. Ich empfinde diesen Absatz aus meiner Sicht als nicht sinnvoll. Das Folgende klingt sarkatisch und ging mir genauso als Erstes durch den Kopf, als ich den Artikel gelesen habe.

     

    SARKASTISCH

    Es stimmt, denn im Fußball, wo ein Schiedsrichter anwesend ist, gibt es keine Diskussionen. Warum auch? Ganz im Gegenteil werden Entscheidungen des Unparteiischen sofort und ohne Widerspruch akzeptiert. Ganz anders im Ultimate, wo sich wahre Rudel um die Spieler bilden und aufgeregt und aggressiv, anfassend, drohend und ohne Respekt voreinander umgehen. Im Fußball kann das Spiel sofort weiter laufen. Das ist auch logisch, denn im Fußball gibt es keine strittigen Entscheidungen. Schiedsrichter sind dafür bekannt, dass sie immer die richtige Entscheidungen treffen. Das wird von Spielern, Fans und Experten mit Superzeitlupe immer wieder bestätigt. Deshalb kommt es nicht vor, dass ein unberechtigter Foulelfmeter ein Spiel entscheidet.

    Das war sarkastisch und bedeutet, dass dies nicht ernst gemeint war. Im Fußball treten solche extrem negative Verhaltensweisen auf.

     

    DAHER NOCH MAL NICHT SARKASTISCH:

    Ultimate beweist seit Jahren, dass bis zum höchsten Niveau ohne Schiedsrichter gespielt werden kann. Das ist Teil des Sports und der Kultur im Ultimate. Ultimate kennt kein Trikotziehen, Spucken, Nachtreten und Bedrohungen. Der gegenseitige Respekt und Spaß am Spiel stehen immer im Vordergrund. Gibt es strittige Situationen, kann man darüber reden, sich weitere Perspektiven einholen, und wenn es nicht geklärt werden kann, geht die Scheibe eine Position zurück. Weil man darüber redet, können beide Parteien damit leben. Das ist eine wunderbare Sache. Ein Schiedsrichter nimmt einem diese Möglichkeit.

     

    UMGEDACHT

    Der Schiedsrichter selbst ist das Problem! Ein Schiedsrichter sorgt nicht für ein faires Spiel, sondern das Gegenteil. Er provoziert nicht-faires Verhalten, denn wer das clever tut, kann sich einen Vorteil verschaffen. Die Entscheidung des Schiedsrichters wird Teil des Verhaltenskalküls eines Spielers.

     

    Ohne Schiedsrichter sind alle Spieler selbst für Ihr handeln verantwortlich. Ich erinnere mich, dass zu einem Fußballspiel gegen ein aggressives Team der Schiedsrichter nicht kam. Wir wollten echt nicht spielen, taten es dann aber doch. Es geschah etwas wundersames. Alle Spieler waren vorsichtiger, beachteten das Abseits und die Fouls. Es war ruhig und respektvoll. So etwas hatte ich lange nicht erlebt. Als der Schiedsrichter dann später doch noch kam, ging auf einmal bei jeder Flanke sofort der Arm hoch: "ABSEITS!". "Hey Schiri, bist Du blind, oder was?". Aggression pur bis in die unterste Liga. Warum ist das so?

     

    Mit dem Schiedsrichter gibt man die eigene Verantwortung ab. Was der Schiedsrichter sieht und entscheidet, ist richtig. Damit ist es auch nur ein Foul, wenn es gesehen wird. Die spielt nicht gemeinsam mit der anderen Mannschaft. Sie werden zum Gegner.

     

    Im Ultimate ist dieses Denken fremde. Wir spielen miteinander, und klären die Probleme im respektvollen Umgang miteinander direkt auf dem Feld. Wir vertrauen einander. Weil wir das tun, fördern wir dieses positive Verhalten bei allen Spieler/innen.

  • M
    martin

    Das haben wir früher im Sportunterricht gespielt. Dass es sich um ein berührungsloses Spiel handelt, hatte uns der Sportlehrer aber leider nicht verraten. Deswegen sahen die meisten Schüler danach aus, als wären sie gerade in einen wütenden Mob geraten.