Ein Sozialdemokrat wird Chefspion

Die Spitze des Bundesnachrichtendienstes wird geräuschlos neu besetzt, ganz ohne Streit zwischen SPD und CDU

BERLIN taz ■ Die jüngsten Auseinandersetzungen um den milliardenteuren Umzug des Bundesnachrichtendienstes (BND) dürften mit dem gestrigen Amtsantritt von Ernst Uhrlau als neuem Chef des Auslandsgeheimdienstes vom Tisch sein. Kaum einer hat sich so dezidiert dafür ausgesprochen, den Sitz des Geheimdienstes von Pullach bei München nach Berlin zu verlegen, wie der studierte Politikwissenschaftler Uhrlau.

So sagte der Sozialdemokrat, der unter Rot-Grün sieben Jahre lang als Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt firmierte, im Rahmen des Architekturwettbewerbs für die neue Zentrale: „Wir holen den Geheimdienst prominent nach Berlin und verstecken uns nicht in einer städtischen Randlage.“ Berichte, wonach der für Oktober 2006 geplante Baubeginn und der anschließende Umzug am Ende mehr als 1,7 Milliarden Euro kosten könnten, wies der 58-Jährige als „unseriös“ und „unrealistisch“ zurück. Solche Zahlen würden gezielt gestreut, um den Umzug zu verhindern. Mit der Verlegung ende „ein Stück Unnormalität“. Kein anderer Geheimdienst der Welt sei so weit von Regierung und Parlament entfernt wie der BND. Mit der Ernennung Uhrlaus wird die Spitze der deutschen Nachrichtendienste umgebaut – ohne viel zu ändern. Der bisherigen BND-Präsident, August Haning, ist von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zum Staatssekretär ernannt worden – Uhrlau wiederum wird in seiner Funktion als Geheimdienstkoordinator vom bisherigen stellvertretenden Kölner Verfassungsschutzchef Klaus-Dieter Fritzsche ersetzt.

Erstaunlicherweise hatte die SPD mit dieser Personalie keine Bauchschmerzen. Fritsche ist CSU-Mitglied, der Jurist aus Bamberg war nach 1993 drei Jahre lang Bürochef von Bayerns Innenminister Günther Beckstein. Als „ausgewiesenen, respektablen Fachmann“ hat etwa der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz den 52-Jährigen beschrieben. Wie Uhrlau eilt auch Fritsche der Ruf voraus, in Sitzungen stets gut vorbereitet aufzutreten und nicht dazu zu neigen, sich in Szene zu setzen.

Dass Uhrlau seinen Job kann, hat er Anfang des vergangenen Jahres bewiesen. Nach drei Jahren zäher Geheimverhandlungen zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz konnte Uhrlau einen der größten Gefangenenaustausche für den Nahen Osten arrangieren. Die Aktion „Himmel blau-weiß“, die unter strengster Geheimhaltung auf dem militärischen Teil des Köln-Bonner Flughafens in Wahn abgewickelt wurde, gilt als „geheimdienstliches Meisterstück“.

Einer der ersten Wege dürfte Uhrlau nun zum ehemaligen Richter am Bundesgerichtshof, Gerhard Schäfer, führen. Schäfer wurde am Mittwoch vom geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium beauftragt, die jüngst bekannt gewordene langjährige Überwachung mehrerer Journalisten und Publizisten aufzuklären. Das Thema ist Uhrlau geläufig. So hat er als Geheimkoordinator davor gewarnt, Journalisten als „Fliegenfänger“ zu benutzen. Jetzt liegt es an ihm, das auch zu verhindern.

WOLFGANG GAST