Der Minister und der Anti-Minister

CSU-Wirtschaftsminister Michael Glos traf gestern im Bundestag zum ersten Mal auf Linksfraktions-Chef Oskar Lafontaine. Dessen Prognose: Der neuen Regierung werde es ebenso wenig gelingen, die Erwerbslosigkeit zu verringern, wie der alten

VON HANNES KOCH

Dieses Rededuell im Bundestag gehört von nun an zu den Stücken mit hohem Unterhaltungswert: Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) gegen Ex-Finanzminister Oskar Lafontaine (Linksfraktion). Aus Anlass der Debatte über die Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel fand es gestern zum ersten Mal statt. Nachdem Glos erläutert hatte, wie er die Bedingungen für Unternehmen verbessern wolle, hielt Lafontaine ihm entgegen, dass die neue Regierung bei der Verringerung der Arbeitslosigkeit genauso scheitern werde wie die alte.

Glos verleugnete seinen bayerischen Wurzeln nicht. Mit rollendem r nahm er die Position des Mittelstandes ein, der in seiner Heimat stark vertreten ist. Die Bundesregierung wolle die staatliche Verwaltung zurückdrängen, die kleinen Betrieben überflüssige Kosten verursache. Man habe vor, die Erbschaftsteuer für mittelständische Firmen zu senken und ihnen mehr Beteiligungskapital zukommen zu lassen, so Glos. Durch diese und andere Kunstgriffe werde es gelingen, dass die Wirtschaft schneller neue Stellen schaffe als heute.

Wie schon Kanzlerin Angela Merkel am Vortag kam Glos sehr kleinteilig daher. Mit gedämpfter Stimme buchstabierte der Wirtschaftsminister den Koalitionsvertrag von „A“ wie Arbeitsplätze bis „Z“ wie Zukunftsforschung. Vorbei die Zeit, da er rhetorische Schläge in alle Richtungen austeilte und – anlässlich einer Debatte über den Missbrauch deutscher Visa durch osteuropäische Prostituierte – die politischen Gegner in der damaligen Bundesregierung als „Zuhälter“ titulierte.

Oskar Lafontaine dagegen gab den Chefökonomen der Opposition, der die großen Linien der internationalen Wirtschaft zeichnete. Die Rationalität des Programms der neuen Bundesregierung könne er nicht erkennen, erklärte Lafontaine. Schwarz-Rot würde den rot-grünen Weg nur fortsetzen, ohne ehrlich zu analysieren, warum die Arbeitslosigkeit in den vergangenen vier Jahren nicht gesunken, sondern gestiegen sei.

Dabei liege der Grund auf der Hand, so Lafontaine. Es fehle die makroökonomische Ausrichtung. Keine Regierung der Welt könne die staatlichen Haushalte sanieren, die Sozialsysteme stabilisieren und mehr Arbeitsplätze schaffen, wenn das Wirtschaftswachstum zu schwach sei. Höheres Wachstum werde erreicht, so Lafontaine, wenn der Staat und die Bürger mehr Geld ausgäben – und nicht weniger. Er plädierte dafür, die öffentlichen Investitionen auf 45 Milliarden Euro zu verdoppeln und auf die geplante Mehrwertsteuererhöhung von drei Prozent zu verzichten. Zu finanzieren sei dies zunächst durch eine höhere Verschuldung, später mit der Wiedereinführung der Vermögensteuer für Wohlhabende und Reiche, sagte Lafontaine. Wenn der deutsche Staat eine ähnliche Steuer erhebe wie etwa Großbritannien und die USA, wären 50 Milliarden Euro mehr in den öffentlichen Kassen, erklärte der Fraktionschef der Linken.

FDP-Brüderle brachte die Wirtschaftspolitik der schwarz-roten Regierung auf den Nenner, erst komme „Keynes“, und dann „Brüning“. Sollte heißen: Im Jahr 2006 genehmige sich die Bundesregierung eine massive Neuverschuldung, um eine sozialdemokratische Nachfragepolitik zu betreiben, wie sie einst der Ökonom John Maynard Keynes entworfen hatte. Danach würge man dann mit der dreiprozentigen Erhöhung der Mehrwertsteuer die Konjunktur wieder ab – ähnlich der krisenverschärfenden ökonomischen Missgriffe, die sich Reichskanzler Heinrich Brüning von 1930 bis 1932 geleistet habe. „Das kann nicht funktionieren“, sagte Brüderle über das Wirtschaftsprogramm der großen Koalition.

Fraktionsvize Thea Dückert versuchte die grüne Position in der Opposition zu markieren. Sie kreidete Minister Glos an, er habe nicht über ökologische Innovationen gesprochen, die die Abhängigkeit der Wirtschaft vom Erdöl reduzieren könnten.