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Vertrag mit MuslimenEnde des Jahres, Inshallah

Erstmals gibt es einen konkreten Entwurf für einen Staatsvertrag mit den muslimischen Verbänden. Noch 2012 könnte der Vertrag abgeschlossen werden.

Hier in Hamburg gibts ihn mittlerweile schon, in Bremen zumindest schon mal auf dem Papier: den "Staatsvertrag" für Muslime. Bild: dpa

BREMEN taz | Ein Staatsvertrag mit den Muslimen wurde nun auch in Bremen zu Papier gebracht. Noch ist er nicht beschlossen, noch wird er diskutiert. Aber: Nach jahrelangen Verhandlungen formulieren nun 16 Artikel das Verhältnis des Landes Bremen zu den islamischen Religionsgemeinschaften. Die islamischen Verbände Schura, Ditib und Vikz prüfen derzeit den Entwurfstext, ebenso die Senatsressorts. Wenn dann der Senat und danach die Bremische Bürgerschaft zustimmt, könnte der Vertrag noch dieses Jahr in Kraft treten.

Dass Hamburg als erstes Bundesland bereits im August einen Vertrag vorlegte, hat die Verhandlungen in Bremen nicht nur politisch beschleunigt: Ein großer Teil der Formulierungen wurde übernommen. Opferfest, Ramadanfest und Aschura werden als Feiertage anerkannt, so dass ArbeitgeberInnen ihren muslimischen Angestellten an diesen Tagen Urlaub gewähren müssen. Zur Weiterentwicklung des Faches „Biblische Geschichte“, welches weiterhin auf „allgemeiner christlicher Grundlage“ basiert, sollen Muslime die Möglichkeit bekommen, Stellung zu nehmen. Das Recht auf muslimische Bestattungen auf öffentlichen Friedhöfen wird festgeschrieben und Moscheen sollen auch mit Minarett und Kuppel errichtet werden können.

„Vieles, was nun aufgeschrieben wurde, wird bereits gelebt“, sagte Senatssprecher Hermann Kleen. „Wir fangen nicht bei Null an.“ Minarette etwa seien ohnehin erlaubt, der Senat wolle aber „eine Botschaft senden, die in die Gesellschaft hineinwirkt“.

Im Gegensatz zum Hamburger Vertrag nimmt der Bremer Entwurf Muslime weniger deutlich in die Pflicht. In Artikel 1 etwa betont der Hamburger Vertrag die „Achtung und Toleranz gegenüber anderen Religionen“ und die „Neutralität des Staates gegenüber der Religion“. Diese Sätze wurde für Bremen gestrichen.

„Es gibt in Bremen mehr Vertrauen“, sagt Yilmaz Kilic, Ditib-Vorsitzender für Niedersachsen und Bremen. In Bremen sei die Integration und die Zusammenarbeit mit dem Senat weiter, „das spiegelt sich auch in dem Vertrag wider“, so Kilic.

Für die grüne Integrationspolitikerin Zahra Mohammadzadeh sollte die Trennung von Staat und Religion in dem Vertrag jedoch unbedingt festgeschrieben werden: „Ich war überrascht, dass es herausgenommen wurde.“ Sie will aber auch dafür streiten, dass in dem Vertrag auf das Kopftuch eingegangen werde. „Der Punkt fehlt, ist aber sehr wichtig, weil Frauen mit einem Kopftuch Probleme in der Gesellschaft haben.“ Im Hamburger Vertrag heißt es in einer Ergänzung, dass muslimische Frauen „nicht wegen einer ihrer religiösen Überzeugung entsprechenden Bekleidung in ihrer Berufsausübung ungerechtfertigt beschränkt“ werden sollten. Solche Formulierungen könnten „Brücken bauen“, so Mohammadzadeh.

Weniger Probleme mit dem Entwurf hat der Fraktionsvorsitzende der CDU, Thomas Röwekamp, der seiner Fraktion bereits empfahl, dem Vertrag zuzustimmen. Ein Vorstoß, bei dem nicht alle ChristdemokratInnen gleich mitziehen. Die CDU-Kirchenpolitikerin Elisabeth Motschmann sagte der taz: „Ich bin nicht der Meinung, dass wir einen Staatsvertrag brauchen.“ Und der jetzige Entwurf sei „noch sehr diskussionsbedürftig“. Sie will klare Bekenntnisse, allen voran zur Gleichberechtigung der Frau. Dies von den Muslimen zu fordern, sei berechtigt, denn: „Das Christentum ist durch die Aufklärung gegangen, der Islam bisher nicht“, so Motschmann.

Das Bekenntnis zur Gleichberechtigung der Geschlechter und vollständigen Teilhabe steht in dem Bremer Entwurf allerdings bereits weit oben in Artikel 2, zusammen mit einer Erklärung gegen jede Art der Diskriminierung.

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3 Kommentare

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  • A
    Aufklärer

    Frau Elisabeth Motschmann macht sich lächerlich.

    Ausgerechnet sie verlangt von den Muslimen "klare Bekenntnisse", allem voran zur Gleichberechtigung der Frau.

     

    - Im Islam gibt es das Recht auf Scheidung und auf religiöse Wiederverheiratung.

    - Katholiken verweigern die Wiederverheiratung

    (und schließen geschiedene Schäfchen sogar von der Kommunion aus).

     

    - Im Islam sind die Prediger verheiratet.

    - katholische Pfarrer werden zum Zölibat gezwungen. (abgesehen von der hohen Rate an Päderasten)

     

    - In Moscheen mit Frauenbereich gibt es weibliche Predigerinnen.

    - In Kirchen ist den Frauen das Predigen verboten.

     

    - Islam: "Am besten unter Euch Männern ist der, der die Frauen am besten behandelt."

    - Christentum: "Das Weib sei dem Manne untertan".

     

    - Islam: Die Brautgabe ermöglicht der Frau finanzielle Unabhängigkeit.

    - Christentum: Frau muß Mitgift mitbringen.

     

    - Im Islam ist Geburtenregelung erlaubt.

    - Die katholische Kirche verbietet die Pille.

     

    Frau Motschmann sollte m.E. eher von den Katholiken "Aufklärung" fordern!

    Was will diese Frau eigentlich?

    Die o.g. katholischen Prinzipien dem Islam anhängen, oder was?

  • IW
    Ich will Demokratie

    @Friedrich Walz

    Ihren Bedenken kann ich nur zustimmen: Auch wenn ich eigentlich die Kopftuchdebatte müssig finde, weil es eigentlich um die durch diese symbolisierten Werte geht, die eigentlich viel mehr diskutiert werden müssten, kann man aber nur anmerken, dass das Kopftuch kein religiäöses Symbol sein kann, sondern ein kulturelles, weil es etwas zu tun hat mit Geschlechterdefinitionen - die im Übrigen nicht unbedingt mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

    Das wundersame ist ja, dass diese Kleiderordnung nicht für Männer gilt. Man muss es einfach mal rumdrehen; dann wird klar, was die Zielrichtung all dueser vermeintlich religiösen Vorschriften ist. Aber nur zu, man sollte durchaus die mühsam erkämpfte Demokratie (dafür haben viele Menschen sehr viel gegeben, mitunter ihr Leben) weiter so untergraben.

  • FW
    Friedrich Walz

    Staatsvertrag in Bremen mit den Muslimen

     

    Als ich diese Ankündigung las dachte ich, es kann nicht wahr sein! Wie kann es im Jahre 2012 sein, dass ein hochrangiger Vertrag zwischen einem Land und einer Religionsgemeinschaft geschlossen wird. Ich dachte das Mittelalter greift zu den Posaunen und versucht uns einzublasen, dass ein Vertrag zwischen der Irrationalität (Religionen) und dem über Jahrhunderte, mühsam gegen die Kirchen erkämpften Rechten und Freiheiten des Einzelnen, vertreten durch seinen Staat (hier Land) notwendig sei. Wenn ein solcher Vertrag zustande kommt, ist er ein klarer Rückschritt. Die Religionen, egal welcher Couleur, nutzen die Angst der Menschen vor ihrer Sterblichkeit, vor der Unbestimmtheit der Zukunft, vor den Ungerechtigkeiten im Leben, vor Leiden, um ihnen eine würdevolle Alternative nach dem Tod anzubieten. So ist die Hoffnung darauf für viele der einzige Trost in ihrem Leben. Fast jede Religion erhebt dabei den Anspruch die einzige Wahrheit zu kennen, so irrational und nur durch Glauben zu erreichen sie auch sein mag. Wie viel unglaubliches Leid haben diese Wahrheitsfanatiker im Laufe der Menschheitsgeschichte schon über sogenannte Ungläubige gebracht. Die Geschichte hat gezeigt, dass es meist um Macht, Einfluss oder Reichtum der jeweiligen Kirchenfürsten ging oder derer, die sich der Gläubigen bedienten.

    Auch der Abbruch der wesentlichen Bildungsgrundlagen in Europa erfolgte durch das aufkommende und über fast zwei Jahrtausende erstarkende Christentum. Wie mühselig und oft tödlich (Jan Hus) gestaltete sich in der Renaissance die Wiederaneignung und Weiterentwicklung vergangenen Wissens. Ist den Religionsgemeinschaften doch klar, dass gerade die Bildung Aller ihr Todfeind ist.

    Daher kann und muss die einzige Lehre aus der Geschichte sein: eine klare Trennung von Staat und Religion.

    Niemand darf mehr durch irrationales Gedankengut Recht und Gesetz beeinflussen. Keine Gruppen, welcher Art auch immer dürfen durch irgendwelche Verträge Sonderrechte genießen. Das Grundgesetz und die allgemeinen Menschenrechte müssen das Maß sein und sonst nichts.