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NRW-Grüne misstrauen Steinbrück„Rückkehr des Untoten“

Die NRW-Grünen haben keine guten Erinnerungen an Ex-Ministerpräsident Peer Steinbrück. Von einer Ampel wollen sie schon gar nichts wissen.

In dieser Koalition fühlten sich die Grünen oft marginalisiert: Ministerpräsident Peer Steinbrück und seine Umweltministerin Bärbel Höhn 2003. Bild: dpa

DÜSSELDORF taz | Wer mit führenden Grünen in Nordrhein-Westfalen über Peer Steinbrück spricht, blickt in skeptische Gesichter. „Neben Steinbrück bleibt sehr viel Raum für unsere Themen“, formuliert es der grüne Landesvorsitzende Sven Lehmann diplomatisch.

Auch seine Vorgängerin Daniela Schneckenburger klingt wenig begeistert, wenn der Name des ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten fällt. „Steinbrücks Nominierung zum Kanzlerkandidaten ist eine Entscheidung der SPD“, sagt die heutige Dortmunder Landtagsabgeordnete. „Ob es eine gute Entscheidung war, wird sich zeigen.“

Deutlicher wird Landesvorstandsmitglied Robert Zion. In NRW hätten alle Grünen nach Steinbrücks Nominierung die Hände über den Kopf zusammengeschlagen. „Seine Charaktereigenschaften sind uns noch allzu gut bekannt“, sagt der Parteilinke. Andere Grüne drücken ihre tiefe Abneigung noch unverblümter aus, sprechen von der „Rückkehr eines Untoten“.

Sie haben nicht vergessen, wie der cholerische „Grünenfresser“ mit seinen permanenten Attacken auf den kleineren Partner 2005 die rot-grüne Koalition im Land an die Wand gefahren hat. Ebenso gut in Erinnerung ist an Rhein und Ruhr auch Steinbrücks Liebäugeln mit der FDP, die er während seiner Regierungszeit nur allzu gerne gegen die Grünen eingetauscht hätte.

Absurde Ampel

Entsprechend gereizt reagieren viele NRW-Grüne auf die neuen rot-gelb-grünen Gedankenspiele des SPD-Kanzlerkandidaten. Eine Ampel im Bund bezeichnet Landeschef Lehmann als „absolut absurde Vorstellung“. Schließlich wollen die Grünen im Wahlkampf mit den Themen Klimaschutz und Energiewende, Gerechtigkeit und Umverteilung punkten. Da gebe es keine inhaltlichen Schnittmengen mit den Freidemokraten.

Strategisch gilt eine Ampel sogar als gefährlich: Eingeklemmt zwischen dem industriefreundlichen Beton-Sozi Steinbrück und den Neoliberalen von der FDP wäre der sozial-ökologische Gestaltungsspielraum allzu gering, ist aus Düsseldorf zu hören. Die NRW-Grünen werben deshalb für einen „Kurs der Eigenständigkeit“ im Bundestagswahlkampf. Damit sei die Partei in den vergangenen Wahlkämpfen gut gefahren. „Wir sind kein Anhängsel der SPD“, mahnt Daniela Schneckenburger.

Ein definitives Nein zur Ampel wie im Bundestagswahlkampf 2009 aber wollen die NRW-Grünen bei ihrer Bundesspitze nicht durchkämpfen. „Wir machen keinen Negativwahlkampf“, sagt Robert Zion. Auch ohne vorherigen Unvereinbarkeitsbeschluss werde es jedoch trotzdem keine Ampelkoalition geben. „Die ist bei den Grünen nicht durchsetzbar“, ist er überzeugt.

Option Rot-Rot-Grün

Zion plädiert stattdessen für ein anderes Bündnis: „Ich bin für Rot-Rot-Grün.“ Die Zeit sei reif für einen Politikwechsel. Der sei jedoch nur mit der Linkspartei möglich, falls es für Rot-Grün alleine nicht reiche. Das Problem: Eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei hat Steinbrück bereits definitiv ausgeschlossen. Nach Ansicht Zions ein fataler Fehler: „Dessen Line führt schnurstracks in die große Koalition“, warnt er.

Es gebe noch eine Alternative: Schwarz-Grün. Das wäre immer noch besser als eine Ampelkoalition unter einem Kanzler Steinbrück, sagen führende Landes-Grüne hinter vorgehaltener Hand. Doch realistisch sei das nicht. So bleibt den NRW-Grünen nur noch das Prinzip Hoffnung. „Wir kämpfen für Rot-Grün“, macht sich der Landtagsfraktionsvorsitzende Reiner Priggen Mut – auch wenn beide Parteien zusammen in den aktuellen Umfragen gerade mal auf 40 bis 42 Prozent kommen. „Wer weiß“, sagt Priggen, „wie es in einem Jahr aussieht.“

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13 Kommentare

 / 
  • MN
    Mein Name

    SPD und Grüne können nur darauf hoffen, daß Herr Riexinger und Frau Kipping die Partei Die Linke ebenso aus dem Deutschen Bundestag manövrieren wie das bei Herrn Bartsch und der damaligen PDS im Jahr 2002 der Fall war.

  • E
    eksom

    Den Grünen fehlt es anscheinend am Selbstvertrauen.

    Mit Steinbrück als unmöglicher Kanzler würde die grüne Politik komplett "an die Wand gefahren" werden.

    Es wäre ein fataler Fehler der Grünen, wenn Sie sich vor den "Karren der SPD spannen" lassen würden.

    Auf kommunaler Ebene haben die Grünen schon genügend negative Erlebnisse. Z. B. in Dortmund.

    Die SPD nutze bisher immer wieder geschickt die Themen und und die Innovationen der Grünen für sich aus und ließ aber die Grünen im entscheidenden Moment -wie ein heiße Kartoffel- fallen. Damit sollte endlich Schluss sein! Das Potential der Grünen liegt bei 19%- bis 25%, aber Sie sind (noch) sehr schlechte "Verkäufer". Eine "Politikmarketingkur" (angefangen von ganz oben (Bundestagsabgeordnete) bis ganz unten (OV-Vertreter/Innen)würde für die wichtige Fort- und Umschulung zu "Profipolitikverkäufer/In" sorgen.

    Die Grünen müssen endlich kapieren, dass 75% aller Entscheidungen (damit auch politische!) emotional gefällt werden. Mit guten Inhalten und guten Themen aber erreicht man leider nur 25% der Entscheidungsträger/Innen.

  • M
    Martin-AC

    Steinbrück als Kanzler?

    Mir war schon klar das Peer Steinbrück der auserwählte wirt vom SPD Seite als er auf den Bilderberger Treffen war.

    Nur Schade das die Presse hier nichts mehr von weist!

    Steinbrück weist Kritik an seinen bezahlten Vorträgen vor Bankern als "absurd" und "dämlich" zurück.

    Die Idee des "gläsernen Abgeordneten" lehnt er ab: "Ich glaube, dass es Transparenz nur in Diktaturen gibt".

    Die Frage, was Steinbrück letztes Jahr bei den Bilderbergern machte, bleibt natürlich unbeantwortet :-(

  • K
    kroete

    Da hilft keine politische Farbenlehre jenseits von Schwarz/Gelb oder Rot/Grün, bleiben die politischen Inhalte farblos, kann ein Herr Steinbrück noch so zornesrot sozialdemokratische Korrekturen der eigenen Fehlpolitik postulieren, die ihm kaum jemand abkauft, hat seine "Weiße Weste" zu viele neoliberale Flecken.

    Wer tiefrot denkt, kann nicht das neue Kirchenpurpur wählen, hadert vielmehr mit den Linken, um dann oft die Grünen zu wählen, die so als kleineres Übel stark gemacht werden dürften.

    Bleibt zu hoffen, daß die Partei der Radikallobbyisten an der 5% Hürde scheitert, die Piraten sich in den unendlichen Weiten des Netzes ebenfalls verheddern, ein klares Votum für Innovationen aus den Urnen aufersteht, selbst mit einem eloquenten Untoten als "Abkanzler".

  • MM
    Michael Mahlke

    Ist doch klar, nach der nächsten Wahl gibt es eine neue grosse Koalition mit Merkel und Steinbrück - oder zweifelt da noch jemand dran?

  • D
    Detlev

    Was die Grünen hier mehr oder weniger offen sagen, ist klar: Peer Steinbrück ist ein Wirtschaftsliberaler, eine Art SPD-Lambsdorf ohne große ökologische oder sozialpolitische Ideen. Und wenn er welche hätte, wären sie wohl für linke und grüne Wähler eher eine Art Brechmittel.

    Man muss fairerweise aber erwähnen, dass Steinmeier und Gabriel fast das gleiche Kaliber sind. Vielleicht muss man sich einfach über Steinbrück freuen: Er nervt bei der CDU und FDP, bei ehemaligen Stammwählern und links-liberalen Wählergruppe flopt er, er könnte ein Rot-Grün unfreiwillig erzeugen, wo das Grün deutlich stärker wird als jemals in der Geschichte.

  • MB
    Marius B.

    Schwarz-Grün... tja, angesichts Steinbrücks Kandidatur _scheint_ das tatsächlich eine bessere Alternative zu sein. Aber nur vielleicht... Auch wenn ich den Willen zur Macht durchaus verstehen kann, denn wer nicht regiert, kann keine Gesetze schreiben, aber angesichts dieser Optionen sind vier Jahre Opposition vielleicht vorzuziehen. Das kann eigentlich nur heißen, dass man die Grünen auch als Grüner nicht wählen darf.

    Auch wenn man Angst hat, dass der Atomausstieg wieder gekippt wird..

  • JO
    James Overstolz

    In einem Jahr wird die CDU nicht so gut dastehen, von der FDP ganz zu schweigen. Aber in einem Jahr wird auch Steinbrück arm aussehen - bei jenen, die ihn im Moment noch für durchsetzungsfähig halten. Ich mag ja seine Direktheit. Warum gibt es keine durchsetzungsfähigen Linken in der SPD? Die sogenannte Transparenz von Schwarzgelb ist jedoch eine Lachnummer.

    SPD und Grünen schwächen sich im Moment durch ihre Zustimmung zu Merkels angeblicher Eurorettung selbst.

    Vielleicht haben die Grünen es auch nur noch auf die spärliche Mittelschicht abgesehen, die sich das Sparen im Gegensatz zu den Arbeitslosen noch erlauben kann. Denn die brauchen einen flüssigen, von am Gemeinwohl orientierten Banken und Sparkassen finanzierten Aufschwung, keine rigide Schuldenbremse mitten in einer globalen Rezession.

  • A
    achnö

    Schwarzgrün ist zwar widerlich, gefühliges neoliberales Elite- und Ökogesäusel und alle gehen in die Kirche, und schwarzgrün war zb. auch in Hamburg realpolitisch ein ziemliches Desaster und überhaupt keine gute Erfahrung.

     

    Aber eine Steinbrückampel mit FDP ist als Konzept ja derart abstoßend und underwhelming, das wohl nun auch darüber bald wieder nachgedacht werden wird. So schlimm ist die Merkel ja nun auch nicht. Sonst würde ihr die SPD ja auch nicht dauernd zustimmen.

     

    Währenddessen sitzt seit mehr als 10 Jahren eine strukturelle linke Mehrheit in diesem Land vor ihren linksliberalen Zeitungen, wählt jedesmal die Ideen, die sie richtig findet, und versteht dann jedesmal die Welt nicht mehr: Was ist denn jetzt mit der Demokratie, so wie wir es in der Schule gelernt haben? Warum müssen denn immer die CDU und die FDP geistig mitregieren, selbst wenn sie gerade gar nicht gewählt wurden?

     

    Diese Loser-SPD wird in Wirklichkeit natürlich wieder "Juniorpartner" unter Merkel, dann eben wieder mit dem anderen Stein-Typen. Überraschung! Deja vu! Diese Partei braucht echt kein Mensch mehr, sie hat sich historisch überlebt, die Seeheimer Agendafritzen mit ihrer von Tony Blair abgekupferten Politik waren ihre Totengräber.

     

    Sie ist heute nur noch entkernte Kulisse, abgeschmacktes Vehikel für paar Karrieren von drittklassigen Ex-Jusos und ranschmeißerischer Ansprechpartner für Finanz-Lobbyisten. Ihr eigenes treudoofes Klientel verarscht sie jedes mal aufs neue. Ihr "linker Flügel" ist ein einziger Running Gag. Jetzt wird den armen Gimpeln, die da ihr Leben lang geschuftet haben, eben die Rente gekürzt. Liegt natürlich nur an der "Demographie" und keinesfalls an Schröders und Steinbrücks Liberalisierungs-Politik, die direkt in die Krise führte und nur paar wenige reicher machte, ganz klar.

     

    Die Grünen sind in dem Fall wohl die schicke Karotte, die Steinbrück den Wählern vor die Nase hängen will, denn er selbst hat ja nur CDU und FDP im Angebot. Die Karotte wird nach der Wahl dann schnell wieder weggezogen, Steini I kriecht dann wieder unter Merkels Rock, und Steini II geht dann eben "in die Wirtschaft" - was wetten?

  • AB
    Arno Besendonk

    Die Kälbermöderin möchte ich in der Politik auch nicht wiedersehen!

  • FK
    Fred Kirchheimer

    Na, da wird schon wieder ereifert, ohne auch nur eine Sekunde daran zu dehnken, daß es nicht auf die Einstellung irgendwelcher Berufspolitiker ankommt, sondern ausschließlich auf das Votum der Wähler.

     

    Was interessiert die Empörung von Enttäuschten?

    Die sollen zum Psychiater gehen und nicht hier herumheulen.

     

    Die Bundestagswahlen müssen doch erst einmal zeigen, welche Partei wieviele Stimmen bekommen hat. Und dann schauen wir uns an, welche Abgeordneten denn in den Bundestag gekommen sind.

     

    Und dann kann über mögliche Koaltitionen geredet werden. Und wirklich erst dann.

    Und wenn es dann (für die Grünen) möglich ist, in die Regierung zu kommen, dann wird die Machtgeilheit immer mächtiger sein, als irgendwelche Kränkungen in der Vergangenheit! Gleichen wir in einem Jahr diesen Artikel mit der Realität ab und das Buch der Heuchelei wird wieder um eine Seite dicker.

  • R
    reblek

    "Wir sind kein Anhängsel der SPD", mahnt Daniela Schneckenburger. - Aha, sie "mahnt". Warum und wen wohl? In NRW sah da unter Rau, Clement und Steinbrück ganz anders aus. Da wurde jede Kröte geschluckt, die von der SPD über die Straße getrieben wurde.

    "Dessen Line führt schnurstracks in die große Koalition", warnt er. - Was will Steinbrück denn anderes? Er hält es mit dem Wirrkopf Müntefering: "Opposition ist Mist." Als ob der wüsste, was Opposition ist und wie sie aussehen müsste. Regieren kann jeder Trottel, wie erdweit zu besichtigen ist. Aber eine Opposition, die das Ferment der Demokratie wäre, muss mit der Lupe gesucht werden, weil alle zu den Fleischtrögen drängen.

    "Wir kämpfen für Rot-Grün." - Aha, die SPD ist bekanntlich "Rot". Dass ich nicht lache. Aber da gibt es sicher Zwischentöne, so wie bei "Grün", das mittlerweile längst Olivgrün geworden ist.

  • B
    bull

    Die SPD will doch gar nicht mehr regieren.Warum sollte Sie auch die Verantwortung für das sich abzeichnende Finanzdebakel in der Euro Zone übernehmen.Das war und ist CDU Verantwortung.Die haben diese Euro Scheisse eingefädelt.Da wollte sich halt der Kohl für die Geschichtsbücher verewigen.Alle haben gewusst dass das damalige Ostmark Westmark Umtausch Verhältnis ein absoluter Schmarrn war,und alle haben gewusst dass die Einführung des Euro ohne gemeinsame Wirtschafts und Haushaltspolitik ein Himmelsfahrtkommando darstellt.Es ist trotzdem probiert worden,und Millionen von Menschen müssen die Folgen dieses Experimentes ausbaden.Mit Billillöhnen oder auch gar keinen Löhnen.