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Rassistische Polizeiaktionen"Opfer zu Tätern gemacht"

Der Gründer der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt, Biplab Basu, über Gleichbehandlung, Rassismus vonseiten des Staats und Prozesse gegen Polizisten.

Achtung, hier kontrolliert die Polizei! Bild: dpa

taz: Herr Basu, Sie leben in Berlin, stammen aber aus Indien. Glauben Sie, dass Sie allein wegen ihres Aussehens schon mal von der Polizei kontrolliert wurden?

Biplab Basu: Ja, mehrmals. Vor Kurzem bin ich mit meiner Tochter im Zug von Prag nach Berlin gefahren, und wir wurden kontrolliert. Der Polizist konnte mir aber nicht erklären, warum er gerade uns dafür ausgesucht hat und nach welchen Kriterien er vorgegangen ist. Als ich seine Motive als rassistisch bezeichnet habe, hat er mir mit einer Anzeige wegen übler Nachrede gedroht.

Warum sind Sie sicher, dass Sie aufgrund Ihrer Abstammung kontrolliert wurden?

Handfeste Beweise dafür zu finden ist schwierig. Aber Menschen, die von Rassismus betroffen sind, merken das sofort. Wie Frauen – die merken auch, wenn sie von einem Mann angemacht werden.

Ist der Begriff „racial profiling“ nicht auch diskriminierend? Wenn Sie von Rasse sprechen, dann schließen Sie zum Beispiel Frauen mit Kopftuch aus.

Rassismus betrifft auch Menschen, die als Ausländer angesehen werden, weil sie einer bestimmten Religion zugeordnet werden. In der Europäischen Union hat sich der Begriff „ethnic profiling“ – zu Deutsch etwa „ethnische Fahndung“ – durchgesetzt. Aber dieser Begriff benennt das Problem nicht. Wir sprechen bewusst von „racial profiling“. So machen wir klar, dass es um Rassismus geht, und dieser kommt eben auch in öffentlichen Institutionen vor. Die Justiz und die Polizei behaupten, alle Menschen gleich zu behandeln. Doch das stimmt nicht.

Wie viele Fälle von racial profiling gab es dieses Jahr in Berlin?

In diesem Jahr haben sich mehr als zehn Menschen bei unserer Initiative KOP gemeldet. Wir haben sie beraten und begleiten ihre Prozesse vor Gericht. Die tatsächliche Zahl der Betroffenen schätze ich aber weit höher ein.

Biplb Basu

72, ist Mitbegründer der Beratungsstelle Reach Out und der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP).

"Racial profiling" beschreibt eine Polizeipraxis, bei der Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihres Aussehens kriminalisiert werden. Am Wochenende findet ein internationaler Kongress zum Thema in Berlin statt.

Am Freitag ab 18 Uhr wird die Veranstaltung mit drei Vorträgen eröffnet: von Biplab Basu von der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP), von der Geschäftsführerin des Londoner Institute of Race Relation, Liz Fekete, und von Frances Henry aus Kanada, die zu Rassismus und Antirassismus arbeitet. Am Samstag ab 8.30 Uhr wird zu Workshops eingeladen. Der Kongress in der Werkstatt der Kulturen, Wissmannstraße 32, ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Mehr Infos unter www.racial-profiling.kop-berlin.de. (ja)

Wie ist die rechtliche Lage der Opfer?

Schlecht. Von den Polizisten hat bisher noch keiner zugegeben, dass er jemanden wegen seines nichtdeutschen Aussehens verdächtigt hat. Oft werden die Opfer zu Tätern gemacht, wie das bei mir im Zug der Fall war. Dann haben sie direkt eine Anzeige am Hals.

Hat einer der Betroffenen schon einmal einen Prozess gewonnen?

Bisher noch nicht. Aber gerade läuft ein Prozess gegen zwei Polizisten, die einen Schwarzen geschlagen haben, weil sie ihn für den Komplizen eines Diebes gehalten haben. Den Vorfall haben sie nicht einmal der zuständigen Stelle gemeldet. Die Polizisten sind in erster Instanz bereits verurteilt worden. Am 16. Oktober findet der nächste Prozess vor dem Landgericht statt.

Sie haben den Kongress zum Thema racial profiling am Wochenende mit organisiert. Haben Sie die Polizei dazu eingeladen?

Nein.

Warum nicht?

Ziel des Kongresses ist es, Aktivisten zu vernetzen und zu stärken. Die Veranstaltung ist nicht juristisch ausgerichtet, sondern politisch.

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11 Kommentare

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  • J
    JohnBender

    @Statistiker:

    Ich erkläre es Ihnen gerne :-):

    Drogenhändler werden nicht einfach auf "blauen Dunst" kontrolliert sondern zuvor über einen gewissen Zeitraum beobachtet. Bei diesen Beobachtungen wird zu 90 - 95 % festgestellt, dass der Verkäufer ein "Schwarzafrikaner" ist, während die Käufer Personen (unterschiedlichster Herkunft)sind.

    Da Sie offensichtlich nicht vom Fach sind, bringen Sie einige Begriffe durcheinander. Käufer sind unterschiedlichster Herkunft und geben fast immer an, dass sie bei einem Schwarzafrikaner gekauft (Händler) haben. Wenn die Polizei bei einem Einsatz (z.B. Görlitzer Park) entsprechend dieser Aussagen und eigener Beobachtungen auf Schwarzafkrikaner achtet um Drogenverkäufe zu beobachten, dann ist dies nicht rassistisch.

    Sollte bei den Beobachtungen ein "Weißer" auffällig werden, dann wird auch dieser festgenommen, weil es nämlich gar nicht um die Hautfarbe der Täter geht sondern ausschließlich um die Bekämpfung von Kriminellen, die mit dem Leid von Abhängigen ihr Geld verdienen wollen.

  • N
    Noske

    Die Tottertereien auf offener Straße sind doch in Berlin schon an der Tagesordnung und .... das war 's . Es sei denn ,das Opfer ist... .

  • S
    Statistiker

    @John Bender:

     

    Sie schreiben selbst, daß es dumm, nicht sinnvoll etc. wäre, nicht nach der Erfahrung, also der Statistik zu kontrollieren, daß also "selbstverständlich" so verfahren wird. Und da sich die Statistik in der Tat nie ändern kann, wenn sie als Begründung für die Kontrollen herangezogen wird (vereinfacht ausgedrückt: wenn nur dunkelhäutige Menschen auf Drogen kontrolliert werden, wird es für die Polizei auch immer nur dunkelhäutige Drogenhändler geben, egal, wie klein der Anteil der Drogenhändler unter dunkelhäutigen Menschen überhaupt ist), ist diese Verfahrensweise ganz eindeutig rassistisch und fremdenfeindlich.

     

    Außerdem wurden in Ihren Beiträgen (sofern es sich um die gleiche Person handelt) zunächst "überwiegend dunkelhäutige Person[en]" überprüft, dann jedoch plötzlich "viele Personen (unterschiedlichster Herkunft)". Was denn nun?

  • JB
    John Bender

    @ Antirassist:

    Sie haben meinen Beitrag nicht "genau" gelesen:

    Es ging um Drogenhändler! Natürlich gibt es mehr als genug "weiße" Konsumenten. Nur ist der Konsum straffrei, das Verfahren wegen Besitz wird meistens eingestellt.

    Seien Sie sich sicher, es werden viele Personen (unterschiedlichster Herkunft) beim Verlassen der bekannten Parks kontrolliert und natürlich auch bearbeitet.

    Aber die Händler zum Beispiel im Görli sind fast ausnahmslos Schwarzafrikaner und die sind wegen der möglichen Strafe für DrogenHANDEL auch viel interessanter.

  • A
    Antirassist

    @John Bender:

     

    Ich kann ihre Argumentation teilweise nachvollziehen. Nur leider hinkt sie in bestimmten Punkten auch.

     

    Wenn ich immer nur Schwarz-Afrikaner nach Drogen kontrolliere, dann werde ich auch nie einen Weißen mit Drogen erwischen. Dies bedeutet aber noch lange nicht, dass es keine Weißen gibt, die Drogen besitzen / verkaufen ...

  • D
    D.J.

    @nAFri

     

    "Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern", in dem von Nicht-EU-Bürgern nur Pflichterfüllung verlangt wird, jedoch sie von aktiver Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen werden (z.B. aktives und passives Wahlrecht)."

     

    Das also nennen Sie Rassismus? Sorry, habe aber selten so einen Unsinn gelesen. Können Sie mir bitte ein einziges Land der Welt nennen, in dem Nichtstaatsbürger aktives und passives Wahlrecht haben?

    Wer immer "Feuer" schreit, handelt verantwortungslos, weil irgendwann die Reaktion fehlt, wenn wirklich Feuer ausbricht.

  • B
    Blaupause

    So ein Blödsinn. Ich wurde mit meiner Tochter im Zug auf dem Weg von Prag nach Dresden auch "gründlich" kontrolliert. Meine Tochter und ich sind beide blond und aus Deutschland. Hat das auch was mit Rassismus zu tun. Ich müsste mich dann aber daüber mächtig empören. Ein bisschen weniger Paranoia wäre vielleicht angebracht.

  • JB
    John Bender

    Als Polizeibeamter kann ich problemlos zugeben, warum ich eine bestimmte (hier: ausländische) Person kontrolliere:

     

    Wenn im Görlitzer Park die überwiegende Mehrheit der Drogenhändler "Schwarzafrikaner" sind, dann wäre es doch mehr als bescheuert, wenn die Polizei zum Zwecke der Bekämpfung des Drogenhandels sich um "blonde Nordeuropäer" kümmert. Also werden dort selbstverständlich überwiegend dunkelhäutige Person überprüft.

     

    Wenn auf einer Bahnstrecke, die erfahrungsgemäß zur illegalen Einreise genutzt wird, eine Polizeistreife eingesetzt wird, dann ist es doch mehr als sinnvoll, dort die möglichen Täter (hier Ausländer) zu überprüfen.

     

    Wenn erfahrungsgemäß hochwertige Kraftfahrzeuge nach Polen verschoben werden, dann wäre es doch mehr als dumm, wenn man 10 Jahre alte VW Golfs überprüft, um den Kfz-Diebstahl zu bekämpfen.

     

    Ich bin mir sicher, dass bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität am Kottbusser Tor sehr selten ältere Damen egal welcher Nationalität kontrolliert werden, da diese bisher nicht auffällig geworden sind.

     

    Wenn ein Fussballspiel von Hertha BSC stattfindet, dann wird man im Vorfeld nicht ältere Männer und Frauen sondern eher Jugendliche bzw. Männer bis 35 Jahren aus polizeilicher Sicht ins Auge nehmen.

     

    Es ist kein Rassismus, wenn in Kreuzberg ein Auto verkehrswidrig in zweiter Reihe parkt und bei der Anzeigenfertigung plötzlich der ausländische Fahrzeugführer auftaucht! Dieser regelmäßig geäusserte Vorwurf entbehrt jeder Grundlage.

     

    Das "Schlagen" eines "Schwarzen" (Zitat aus Artikel taz), weil er für den Komplizen eines Diebes gehalten wurde, muss auch nicht rassistisch motiviert sein, sondern kann natürlich auch jedem "Weißem" passieren. "Polizeigewalt" ist in diesem Artikel aber nicht das Thema

     

    Diese polizeilichen Maßnahmen haben nichts mit Rassismus zu tun, sondern sind am Einsatzziel ausgerichtet.

     

    Rassismus wäre es für mich, wenn z.B. in einer U-Bahn bei der Fahrkartenkontrolle nur Ausländer überprüfet werden. Der Begriff "Rassismus" wird aus meiner Sicht viel zu häufig für ein subjektives (vielleicht auch nachvollziehbares) Unwohlsein des Betroffenen verwendet, obwohl es dafür offensichtlich andere Beweggründe gibt.

  • N
    nAfri

    Seit 41 Jahren lebe ich hier. Mein Mutterland ist die Türkei und mein Vaterland Deutschland.

    Es wundert mich nicht, wenn manche Staatsbedienstete wie z. B. Polizeibeamte, Richter und Staatsanwälte sich rassialiert verhalten. Denn die Gesellschaftsstrukturen beinhalten viele Elemente, die rassistisch sind. Als da wären: "Residenzplicht", Arbeitsverbot für Asylbewerber, "Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern", in dem von Nicht-EU-Bürgern nur Pflichterfüllung verlangt wird, jedoch sie von aktiver Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen werden (z.B. aktives und passives Wahlrecht).

    Und wenn ich die Reaktion der PolitikerInnen auf die Mordserien der NSU vor 10 Jahren mir ins Gedächtnis rufe, dann finde ich es grotesk für mein Vaterland und das macht mich traurig. Deshalb finde ich wichtig und notwendig, dass diese Missstände immer wieder angeprangert werden.

    Ich wünsche mir, dass von diesem geographischen Fleck auf diesem Globus, von dem zwei Weltkriege gestartet wurden, endlich in den gesellschaftlichen Strukturen verankerte und beispielhaft erlebbare Friedensbotschaften in die Welt gesendet werden.

  • S
    Sowasaberauch

    Ich habe mich jahrelang bei grenzüberschreitenden Zügen immer in die Nachbarreihe von "fremd" aussehenden Menschen gesetzt. Resultat: ich wurde nie mehr kontrolliert.

    Das letzte mal gabs leider fast iemanden im Wagon, und die wenigen sahen "deutsch" aus. Also kontrollierte man gerne und ausgiebig meinen Papiere inklusiver doofer Fragen, bis der ältere einsah dass er dem jüngeren Kollegen auf die Sprünge helfen müsste: "Komm schon, sonst schaffen wir vor dem Bahnhof die Türken nicht..."

  • R
    reorient

    Ich wuensche Herrn Basu von ganzem Herzen viel Erfolg. Es waere schoen,wenn sich ein breiterer Unterstuetzerkreis bilden und das Thema Polizeigewalt und die Schwierigkeit juristischer Verfolgung auch allgemein angehen wuerde.