ZDF-Krimi „Eine Frau verschwindet“: Ein Gehirn verschwindet
Ein Krimi, der mehr sein will als ein Krimi, endet arg konstruiert: „Eine Frau verschwindet“ verhebt sich am eigenen Anspruch.
Zu der Quotenerfolgsgeschichte deutscher Fernsehkrimis gehört auch, dass deutsche Schauspieler des Öfteren mal die Helden auf ausländischen Schauplätzen geben: Joachim Król und Uwe Kockisch als Commissario Brunetti in Venedig, Henry Hübchen als Commissario Laurenti in Triest. Sylvester Groth als Inspektor Barbarotti in Westschweden.
Mit dem Krimi „Eine Frau verschwindet“ spielt nun heute im ZDF mit Peter Haber ein schwedischer Schauspieler einen niederländischen Kommissar in Amsterdam – in der Verfilmung eines deutschen Kriminalromans. Was auf den ersten Blick etwas umständlich erscheint, erweist sich als eine durchaus hinnehmbare Wahl.
Król, Kockisch oder Hübchen mussten stets nur ein schlichtes „Ciao“ intonieren – und schon war es vorbei mit der ganzen Italianità. Gut, der Akzent von Haber – hierzulande bekannt aus der schwedisch-deutschen Koproduktion „Kommissar Beck“ – geht bei genauerer Anhörung auch nicht als Niederländisch durch. Er ist aber auch lange nicht so spielverderberisch wie ein akzentfreies oder gar leicht berlinerndes Deutsch, das einem dann als Italienisch verkauft wird.
„Eine Frau verschwindet“ (Buch: Markus Busch) basiert auf der recht erfolgreichen Romanreihe „Und vergib uns unsere Schuld“ des Berliner Schriftstellers Claus Cornelius Fischer. Die Hauptfigur, Kommissar Bruno van Leeuwen, ist ein typischer Vertreter des modernen europäischen Ermittlers: so ein sensibler Melancholiker, wie man ihn etwa auch aus den Büchern von Jan Costin Wagner (2010 Deutscher Krimipreis für „Das Schweigen“) kennt und also kein „hardboiled detective“ der alten angloamerikanischen Schule.
Nur solides Handwerk
In der Anfangsszene beugt sich der Kommissar über den toten Jungen, sieht ihn sich an, sieht auf. Fragt: „Wo ist das Gehirn?“ Als Gegenspieler wird dann ohne Umschweife der Wissenschaftler Josef Pieters (Tobias Moretti) positioniert: „Sein eigentliches Fachgebiet ist die Erforschung veränderter Hirnzustände.“ Für den Kommissar natürlich eine nicht unwichtige Information – und zwar nicht nur wegen des verschwundenen Gehirns.
Seine Frau, der Filmtitel spielt schon darauf an, hat die Alzheimer-Krankheit. Der Krimi will denn auch mehr sein als nur Krimi und versucht sich an einer Studie ihres Verfalls. Leider will der Film da zu viel. Eine zweite Julie Christie, 2008 Oscar-nominiert für ihr Spiel einer Alzheimer-kranken Frau in dem Film „An ihrer Seite“, ist die sich redlich mühende Maja Maranow nicht.
Das Ende ist dann ein bisschen enttäuschend, weil doch arg konstruiert. Doch halb so schlimm – das Duell zwischen dem Kommissar und seinem diabolischen Antipoden knistert in den Szenen ihres Aufeinandertreffens spannend genug.
Regisseur Matti Geschonneck hatte in diesem Jahr mit „Liebesjahre“ und „Das Ende einer Nacht“ Grimme- und Deutscher-Fernsehpreis-würdige Meisterwerke abgeliefert – „Eine Frau verschwindet“ ist im Vergleich dazu solides Handwerk.
„Eine Frau verschwindet“: 20.15 Uhr, ZDF
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