Beamten-Zulagen: Das große Schweigen

Nach der Anklage gegen den Osnabrücker OB und SPD-Schattenminister Pistorius schweigt nicht nur der Beschuldigte - mehrere Staatsanwälte sind befangen.

Schattenminister auf dem Prüfstand: Boris Pistorius. Bild: dpa

OSNABRÜCK taz | Boris Pistorius hat es nicht leicht dieser Tage. Erst bröckelt dem Osnabrücker Oberbürgermeister der halbe Verwaltungsvorstand weg. Und jetzt auch noch eine Anklage wegen Untreue. Es geht um Leistungsentgelte an Beamte. Neben Pistorius, der im Schattenkabinett von SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil den potenziellen Innenminister gibt, stehen in der Schusslinie Karin Detert, Personalchefin der Stadt Osnabrück, Ex-Landrat Manfred Hugo und Reinhold Kassing, ehemaliger Erster Kreisrat. Von 2007 bis 2010 hätten „nahezu alle“ ihrer Beamten Prämien erhalten, so die Anklage. Bezugsberechtigt seien maximal 15 von 100 gewesen, für „besonders herausragende“ Leistungen.

Pistorius schweigt. Der OB halte sich „da bewusst zurück“, sagt Stadtsprecher Sven Jürgensen. Außerdem sei er im Urlaub. Es gebe ja eine Presseerklärung. „Verwundert uns“, steht in dieser Erklärung, „befremdlicherweise“, „absurd“. Von der Anklage habe die Presse früher erfahren als Pistorius selbst, so Jürgensen. Da möge sich „jeder selbst seinen Reim drauf machen“.

Schweigsame Staatsanwaltschaft

Auch die Staatsanwaltschaft tut sich mit Auskünften schwer: Presse-Staatsanwältin Wibke Warnking muss dem Verdacht entgegentreten, die Staatsanwaltschaft mache Politik – allein, denn ihr Chef, Oberstaatsanwalt Alexander Retemeyer ist befangen. Seine Frau Beate arbeitet in der Rechtsabteilung des Landkreises. Die hatte seinerzeit Hugo und Kassing in Kenntnis gesetzt, das Gießkannenprinzip sei nicht rechtens. Hugo gab sich unbeeindruckt, die Kreispolitiker bekamen Retemeyers hausinterne Stellungnahme nie zu Gesicht. Der Kreisausschuss stimmte Hugo zu. Fall erledigt.

Beate Retemeyer sagt der taz dazu heute: „Dazu möchte ich keine Auskunft geben.“ Burkhard Riepenhoff, Pressesprecher des Landkreises, bestätigt aber: „Stimmt, die Rechtsabteilung sah das damals anders. Aber Hugo hat eben so entschieden.“

Auch Staatsanwalt Volker Brandt darf Warnking nicht assistieren – auch er ist befangen. Seit 2011 ist er Kreistagsabgeordneter der SPD. Und der Kreistag diskutiert derzeit, ob die Bezüge von den Begünstigten zurückgefordert werden können. Kuriose Situation? Brandt: „Das ist wohl wahr.“ Ob Beate Retemeyer später selbst zu diesen Begünstigten zählte? Riepenhoff: „Dazu gebe ich keinen Kommentar.“

"Es ist, wie's ist"

Warum Warnking die Pressekonferenz zur Verkündung der Anklage im Hof der Staatsanwaltschaft stattfinden ließ? „War halt gutes Wetter.“ Warum keine Fragen möglich waren? „Wir hatten uns halt für ein Statement entschieden.“ Warum ausgerechnet jetzt Anklage erhoben wird, kurz nachdem Pistorius ins Schattenkabinett berufen wurde, obwohl die Ermittlungen seit 2011 liefen? „Die Ermittlungen waren eben jetzt abgeschlossen. Es ist, wie’s ist.“

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