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Die WahrheitFreundlich zu Schwulen

Kolumne
von Robert Niemann

Ein Hotel, das damit wirbt, „gayfriendly“ zu sein, hat nichts gegen Schwule und Lesben. ...

E in Hotel, das damit wirbt, „gayfriendly“ zu sein, hat nichts gegen Schwule und Lesben. Das jedenfalls ist die Bedeutung von gayfriendly in Deutschland. Was aber bedeutet es in Apulien, Süditalien, wo der demonstrativ heterosexuelle Mann bis heute unangefochtenes kulturelles Leitbild ist?

Zunächst kann unser Strandhotel südlich von Bari gar nicht zeigen, was alles an Randgruppenfreundlichkeit in ihm steckt, weil sich keine Randgruppenvertreter blicken lassen. Doch dann, am dritten Tag, geschieht es. Mit bis zum Bauchnabel ausgeschnittenen Shirts flipfloppen zwei junge Engländer durch das Restaurant und lassen Zweifel erst gar nicht aufkommen – ja, die sind gay. Tagsüber liegen sie einträchtig am Pool, sonst passiert nichts. Das Personal ist gut geschult und lässt sich nichts anmerken.

Unsere Kinder, acht und elf Jahre alt, halten es wie die Ober und schenken den beiden kaum Beachtung. Bis eines Tages, wir sitzen beim Frühstück, am Tisch hinter uns nicht das schwule Pärchen wie normalerweise Platz nimmt, sondern nur einer der beiden, einer fehlt. Ich mache mir sofort Sorgen. Haben die Ober vorhin nicht so merkwürdig gegrinst? Braucht das Personal möglicherweise einen Aufbaukurs, Thema: „Gayfriendly – jetzt auch gewaltfrei“? Wo ist der zweite Engländer?

Dann taucht er aber endlich auf. Uff. Meine Tochter beugt sich zu mir und flüstert: „Gestern hat der da den anderen geküsst, Papa!“ Ich reagiere sofort: „Pass auf deinen Joghurt auf und kleckere nicht rum!“ – „Aber ich esse doch gar keinen Joghurt!“ Stimmt. „Das war auch nicht konkret gemeint, das war eine allgemeine Lebensregel!“, erwidere ich eilig. „Und außerdem hat der eine den anderen nicht geküsst, sondern er hat ihm was ins Ohr geflüstert!“

„Er hat ihn geküsst!“, insistiert meine Tochter. „Auf den Mund!“ Ich überlege kurz. Eigentlich ist sie mit acht Jahren alt genug. Man kann mit ihr schon vernünftig reden.

„Nun, weißt du“, sage ich, „Engländer sind bekannt dafür, dass sie Flüstern und Küssen verwechseln. Es hat mit dem Nebel auf der Insel zu tun. Und Ohr und Mund können sie schon gar nicht auseinander halten, die Mund-Ohr-Schwäche, mouth-ear-disease, sprich das mal nach, du hast doch schon Englisch, das ist eine typische Krankheit dort, es ist wie Elfmeter verschießen oder wie Lamm mit Minzsoße oder wie …“

Plötzlich werde ich unterbrochen. „Es gibt Männer, die Männer lieben. Und dann küssen sie sich auch!“ Das war meine Frau. Ich starre sie an. Wenn in Situationen wie dieser der eine Elternteil dem anderen zuvorkommt, dann bedeutet es nicht immer: „Ich weiß etwas, was du nicht weißt!“ Sondern es offenbart sich, dass die Erziehungskonzepte eben doch nicht vollständig deckungsgleich sind.

„Es gibt Männer, die Männer lieben. Und dann küssen sie sich auch!“ – was sollen die Kinder denn mit einer solchen Antwort anfangen? Wie sollen sie jemals ein normales Verhältnis zu Schwulen entwickeln? Ganz zu schweigen von einem realistischen England-Bild!

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