LESERINNENBRIEFE
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Exponentielle Ungleichheit

■ betr.: „So ein schöner Armutsbericht“, taz vom 7. 3. 13

Warum sind Unternehmen, die sich ihre Gewinne vom Staat mitfinanzieren lassen durch Löhne, die zum Leben nicht reichen und aufgestockt werden, keine Schuldner gegenüber dem Staat? Sodass der Staat bestimmen kann, dass dort niemand mehr als das – sagen wir – Zehnfache des niedrigsten Stundenlohns verdienen darf und Gewinne zunächst als Rückzahlung an den Staat gehen und dann in einen Fonds, um im Folgejahr angemessenere Löhne zu finanzieren?

Warum subventioniert der Staat solche Unternehmen überhaupt? Warum sind Vollzeitstellen aufstockfähig? Damit es keinen Grund für die Leidtragenden gibt, Rabatz zu machen? Ich verstehe auch nicht, warum Leiharbeiter nicht per Gesetz einfach mehr Geld bekommen als die Festangestellten. Dann wäre es doch gleich wahrscheinlicher, dass sie nur in Notfällen einspringen und keine festen Arbeitsplätze verdrängen. Und es wäre ein Ausgleich für den zusätzlichen Stress des ständigen Arbeitsplatzwechsels. Ich verstehe auch nicht, warum die Gewerkschaften immer prozentuale Forderungen stellen. Das bringt denen, die es brauchen, fast nichts und steigert die Ungleichheiten exponentiell. SONJA HELLER, Werther

Nur die halbe Wahrheit

■ betr.: „Die neue Mangelwirtschaft“, taz vom 8. 3. 13

So wie Herr Niggemeyer diese bekannte gewerkschaftliche Position zum sozialen Arbeitsmarkt vertritt, ist es nur die halbe Wahrheit. Klar, es fehlen strukturell Arbeitsplätze – dann sollten die Gewerkschaften aber endlich die richtige Forderung nach der 30-Stunden-Woche aktiv unterstützen. Die Idee des sozialen Arbeitsmarktes ist es, eben für die Gruppe an Langzeitarbeitslosen, welche aus persönlichen und strukturellen Gründen nie wieder auf den Arbeitsmarkt zurückkehren würde, eine Tür zu öffnen. Fast alle Einfacharbeitsplätze in den Betrieben wurden wegrationalisiert und damit gibt es für den 50-Jährigen, der keine Ausbildung hat und seine Gesundheit in einem Knochenjob ruiniert hat, keinen Arbeitsplatz mehr.

Es geht also um die Neuschaffung von Arbeitsplätzen. Natürlich ist es sinnvoll auch Arbeitsplätze in der sozialen Infrastruktur, wo genauso rationalisiert wurde, zu schaffen. Nur mit den Konzepten des öffentlichen Interesses und der Zusätzlichkeit sind seit den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auch die Konzepte der Bürgerarbeit oder der 1-Euro-Jobs grandios gescheitert. Es muss einen über den Passiv-Aktiv-Transfer finanzierten Arbeitsmarkt für die Gruppe geben, die ansonsten dauerhaft von Erwerbsarbeit ausgeschlossen wären. Mit sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen und einem ausreichenden Mindestlohn. JÖRG SCHMIDT-ROHR, Mannheim

Deutsch-türkische Integration

■ betr.: „Den Rechtsstaat kritisieren, damit er bleibt“, „Wenn die Heimat zur Hölle wird“, taz vom 9. 3. 13

Zwei wichtige und erfreuliche Ereignisse in der deutsch-türkischen Integration: Einmal die ganz selbstverständliche Wahl von Selmin Çalışkan zur Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International. Mit dem internationalen Kampf für die Menschenrechte betont sie zugleich den Kampf um den deutschen Rechtsstaat, dem sie bezogen auf das „Racial Profiling“ eine fremdenfeindliche Tendenz bis zum Generalverdacht gegen fremdländisch aussehende Mitbürger vorwirft. Der Rechtsstaat ist aber die notwendige Voraussetzung für das gelingende Zusammenleben von türkischen und deutschen Mitbürgern. Und auf der anderen Seite die überhaupt nicht selbstverständliche Rückkehr von Semiya Simsek, der Tochter des ersten Opfers der NSU-Mordserie, in „ihre Heimat“ Deutschland. Auch sie bestätigt, wie wichtig der Kampf um den deutschen Rechtsstaat bleibt, wenn sie daran erinnert, wie sie und ihre Familie einfach nur deswegen „verdächtigt, bedrängt und ausspioniert“ wurden, weil sie türkische Einwanderer sind. Wir können uns über zwei mutige Deutschtürkinnen freuen und wollen mit ihnen „den Rechtsstaat kritisieren, damit er bleibt“. HENNING V. HOERNER, Hannover

Deutsche Flagge abgefeiert

■ betr.: „Ein Weltbild zum Kotzen“, taz vom 8. 3. 13

Was von einem Musikpreis zu halten ist, der nicht nach qualitativen Kriterien, sondern schlicht nach Verkaufszahlen vergeben wird, dürfte ohnehin klar sein. Irritierend ist aber, dass gerade MIA, die Mitte des letzten Jahrzehnts im Song „Was es ist“ unreflektiert die Farben der deutschen Flagge abfeierten, sich nun dermaßen echauffieren. Lässt sich da vielleicht zwischen den Zeilen ein „Wir sind doch viel deutscher als die“ lesen?! Könnte einem ja auch herzlich egal sein, wenn nicht Frei.Wild und ihr Gefolge nach der Rücknahme ihrer Nominierung wieder die verfolgten Underdogs markieren würden. FRANK PÖRSCHKE, Hattingen

Wer spaltet das Land?

■ betr.: „Er war schon sehr eigen“, taz vom 7. 3. 13

Ich habe da eine klitzekleine Frage in Sachen Chávez: Wieso soll er „das Land gespalten“ haben? Das ist der Jargon von Spiegel, SZ, Welt etc., die ihn jahrelang als Politclown, Populisten, Undemokraten diffamiert haben. Oder hat Obama auch „das Land gespalten“? Oder Hollande? Oder Merkel? Merkwürdige Logik der taz. Keine Frage: Das Land ist gespalten – aber das lag doch nicht an Chávez, sondern an seinen hasserfüllten Gegnern, die Angst um ihre Pfründen haben! HEINZ VESTNER, München