Hoffentlich erwischt’s mein nicht

betr.: „Das bekommen wir rechtsstaatlich in den Griff“, Interview mit Hans Peter Bull, taz vom 28. 11. 05

Ach wie beruhigend, dass die große Mehrheit nicht verdächtig sein wird. Wenn nur einige zehn- oder hunderttausende oder eine Million in die Netze der Fahnder geraten, bei zunehmender vorsorglicher Ermittlungstätigkeit der Behörden plus schleichender Beweismittelumkehr, und das bei sehr ungleicher Verteilung von Zeit, Kosten und Manpower, dann sind natürlich die Grundrechte für all die Nichtbetroffenen zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Toll. Aber hoffentlich erwischt’s mein nicht.

Und dass der Preis, nicht mehr wie Robinson leben zu können, der gläserne Bürger ist, etwas derartig Törichtes habe ich selten gelesen. Getoppt wird dies aber noch durch die Aussage, Technik und Wirtschaft hätten die Grundrechtsverteidigung des Bundesverfassungsgerichts „überholt“ und deswegen: sorry Datenschutz.

UWE SCHOLZ, Hamburg

„Das Mautsystem ist kein Überwachungssystem für alles und jeden. Wenn eine vorhandene technische Möglichkeit für hochrangige andere Zwecke genutzt wird, braucht daraus noch lange kein Klima der Unfreiheit zu entstehen. Es wird eben nicht jeder auf Schritt und Tritt beobachtet.“ Da kann man doch noch hinzufügen:

Der genetische Fingerabdruck ist kein Überwachungssystem für alles und jeden. Wenn eine vorhandene technische Möglichkeit für hochrangige andere Zwecke genutzt wird, braucht daraus noch lange kein Klima der Unfreiheit zu entstehen. Es wird eben nicht Gen für Gen auf Krankheiten überprüft. Die Folter ist keine Verhörmethode für alles und jeden. Wenn eine vorhandene technische Möglichkeit für hochrangige andere Zwecke genutzt wird, braucht daraus noch lange kein Klima der Unfreiheit zu entstehen. Es werden eben nicht jedem Schmerzen und psychische Qualen zugefügt. Der Einsatz von Atomwaffen ist keine Vernichtung von allem und jedem. Wenn eine vorhandene technische Möglichkeit für hochrangige andere Zwecke genutzt wird, braucht daraus noch lange kein Klima der Unfreiheit zu entstehen. Sie werden eben nicht überall und in uneingeschränkter Menge eingesetzt. Weil, „wir müssen nur unterscheiden, wann der Einsatz für den Einzelnen harmlos ist und wann nicht. Das können wir rechtsstaatlich in den Griff bekommen.“

Wenn das so ist, warum führen wir dann eigentlich noch Diskussionen um ethische, moralische oder auch „nur“ datenschutzrechtliche Fragen, wenn doch alles, was wir für ein glückliches und zufriedenes Miteinander brauchen, der Rechtstaat ist, den wir doch eigentlich schon haben? Vielleicht, weil es eben doch noch Menschen gibt, die glauben, dass der Zweck eben nicht die Mittel heiligt – auch nicht bei so vermeintlich trivialen Dingen wie dem Nutzungsumfang des Mautsystems. THYRA PARTHEN, Frankenberg

Machen wir uns doch nichts vor. Es war doch immer geplant, Toll Collect für mehr zu nutzen als für ein reines Lkw-Maut-System. Allein die technischen Vorgaben sprechen eine eigene Sprache. Wenn Lkws in Deutschland max. 80 km/h fahren dürfen (und kaum mehr als 100 km/h können), was brauchen wir ein System, das bis Tempo 200 km/h inklusive Spurwechsel funktioniert? Natürlich war mehr geplant, und jetzt wird eben nachträglich – Stück für Stück und vor allem Hand in Hand – eine „demokratische“ Legitimierung geschaffen. CARSTEN WINDT, Hamburg

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