„Schwarz-Rot wird bei allen sparen“

Zwar ist die Reichensteuer eher Symbolpolitik, doch tritt die große Koalition anders an die Bevölkerung heran als die rot-grüne Vorgängerin, sagt die Politologin Sabine Kropp. Für große Vorhaben hat die Regierung jetzt zwei Jahre Zeit

taz: Frau Kropp, Angela Merkel hat in ihrer Regierungserklärung gesagt, die derzeitige Regierung könne sich nur selbst stoppen. SPD-Politiker pflichteten ihr bei. Scheinbar glauben sie jetzt, gemeinsam durchregieren zu können. Können sie das wirklich?

Sabine Kropp: Zu Beginn der Legislaturperiode versucht eine Regierung natürlich, ein positives Image zu schaffen und Vertrauen in die eigene Politik zu erzeugen. Die jetzige große Koalition verfügt aber nicht über die Möglichkeiten, die das Regierungsbündnis zwischen 1966 und 1969 besaß. Sie hat zwar im Bundesrat eine Mehrheit, aber die ist mit 36 Stimmen nicht gerade üppig. Und um Verfassungsänderungen, wie sie bei einer Föderalismusreform notwendig sind, durchzusetzen, braucht die große Koalition eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat.

Heißt das, die Regierung ist auf die Länderregierungen mit Beteiligung der FDP angewiesen?

Immer wenn die schwarz-rote Regierung eine Verfassungsreform angehen will, wird sie die FDP brauchen. Die Liberalen haben bereits angekündigt, einer Neuauflage der Föderalismusreform zuzustimmen. Aber umsonst wird die FDP das sicherlich nicht tun.

Dann bekommen wir über Umwege doch noch Schwarz-Gelb?

Das Gewicht der FDP in der Opposition wird größer sein als das der anderen beiden Parteien. Die Grünen regieren derzeit nun mal in keiner Länderregierung mit.

Aber die Linkspartei.

Die Linkspartei hat sich dezidiert gegen einen stärkeren Wettbewerb zwischen den Ländern ausgesprochen und ist damit für die Regierung kein verlässlicher Ansprechpartner. Es gibt in der Regierung noch ganz andere Vorbehalte gegen die Ex-PDS. Außerdem sind die Länder, in denen die Linkspartei mitregiert, zu unbedeutend. Das heißt, wenn eine Partei aus der Opposition aktiv Einfluss nehmen kann auf die Regierungspolitik, dann ist es die FDP. Aber ich würde ihren Einfluss auch nicht überbewerten. Denn die meisten Vorhaben der großen Koalition, die keiner Verfassungsreform bedürfen, kann die Regierung bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen alleine durchbringen.

Welche Möglichkeiten hat die Opposition denn sonst noch?

Sehr wenige. Sie ist politisch breit gefächert, zwischen den Parteien gibt es Animositäten. Ihre Stimmenzahl reicht für eine Verfassungsklage gegen den Haushalt oder Gesetzesvorhaben nicht aus. Bundestagssitzungen kann sie aus dem gleichen Grund nicht einberufen. Für Anhörungen und Untersuchungsausschüsse müssen die drei Fraktionen zusammenarbeiten, um auf die nötigen 25 Prozent der Abgeordneten zu kommen. Auch in der Opposition werden Kompromisse geschlossen werden müssen.

Zurück zur Regierung. Die SPD-Linke stöhnte auf, als Merkel von der „neuen Gerechtigkeit“ und „mehr Freiheit wagen“ sprach. Zeigen sich da erste Bruchlinien?

Es gibt einige Materien, die im Koalitionsvertrag nicht festgeschrieben worden sind – ein beinahe klassischer Fehler. Es fehlt beispielsweise noch ein Konsens über die Reform unseres Sozial- und Gesundheitssystems. Die Vorstellungen der Parteien sind hier zu verschieden, um sich in einer sechswöchigen Verhandlung hinreichend anzunähern. Auch der Atomstreit zählt zu diesen prekären Themen.

Und die Außenpolitik? Merkel wollte die Annäherung an die USA, dann kam die Flugaffäre der CIA …

Außenminister Steinmeier agiert – auch jetzt in Washington – sehr vorsichtig. Steinmeier hat bereits betont, dass Russland für Deutschland auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird. Gegenüber den kleineren Staaten in Mitteleuropa, die sich von der Pro-Moskau-Politik Schröders übergangen fühlten, wird die große Koalition vielleicht einen etwas anderen Kommunikationsstil pflegen, sich etwa früher absprechen. Den großen Bruch wird es in der Außenpolitik wohl nicht geben.

Und in der Innenpolitik? Schröders Agenda 2010 hat Angela Merkel ja schon gelobt – wird die große Koalition die rot-grünen Sozialkürzungen fortführen?

Nein, diese Regierung tritt schon anders an die Bevölkerung heran. Man mag die Ankündigung einer Reichensteuer – durchaus berechtigt – für symbolische Politik halten. Aber es ist doch das Zeichen gesetzt worden, dass von den Sparvorhaben alle Bevölkerungsgruppen betroffen sind.

Wie lange, schätzen Sie, hält diese Koalition?

Sie wird vier Jahre durchhalten, der Erwartungsdruck ist einfach zu groß. Aber die Regierung sollte ihre großen Vorhaben in den kommenden zwei Jahren anpacken. Denn etwa eineinhalb Jahre vor der nächsten Wahl beginnt der Wahlkampf zwischen CDU und SPD. Mit ziemlicher Sicherheit wollen beide Parteien nach 2009 wieder ohne den jeweils anderen regieren.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ