Urmarmung der Mutter strikt verboten

Trotz Protesten auf höchster Ebene hat Singapur einen 25-jährigen australischen Drogenschmuggler hingerichtet

SYDNEY taz ■ Planmäßig um 6 Uhr früh ist im Singapurer Changi-Gefängnis der Australier Tuon Van Nguyen gehängt worden. In Australien protestierten zu diesem Zeitpunkt tausende Menschen in stiller Andacht. Die Kirche in Melbourne, der Van Nguyen angehört hatte, ließ die Glocken 25-mal klingen – einmal für jedes Jahr, das Nguyen gelebt hatte. Laut dem Anwalt des Mannes habe ein letzter Appell an den Singapurer Premierminister Lee Hsien Loong dazu geführt, dass Nguyens Mutter Kim ihren Sohn am Vortag noch einmal berühren durfte. Obwohl Todgeweihten sonst jeder körperliche Kontakt verboten ist, habe die Mutter durch ein Gitter für kurze Zeit die Hände ihres Sohns halten können. Außerdem durfte sie seine Wangen und seine Haare streicheln. Ihre verzweifelte Bitte um eine letzte Umarmung wurde jedoch abgelehnt.

Van Nguyen war 2002 auf einer Reise von Kambodscha nach Australien während eines Zwischenstopps in Singapur mit fast 400 Gramm Heroin festgenommen worden. Er wollte die Drogen nach Australien bringen, um Schulden seines Zwillingsbruders zu bezahlen. Singapur verhängt für den Besitz von über 15 Gramm Heroin automatisch die Todesstrafe.

In den letzten Wochen hatten in Australien die Proteste gegen die geplante Hinrichtung deutlich zugenommen. Mehrere Versuche der australischen Regierung, Singapur umzustimmen, schlugen fehl. Sogar Papst Benedict XVI. hatte sich für Nguyen eingesetzt, einen streng gläubigen Katholiken. Die Regierung von Singapur hielt aber an ihrer Position fest, die Todesstrafe sei von fundamentaler Bedeutung im Kampf gegen Kriminalität. Humanitäre Organisationen kritisieren, die automatische Verhängung der Höchststrafe sei unmenschlich und verstoße gegen internationales Recht. Laut australischem Juristenverband zeige der Fall Nguyen einmal mehr, dass jede Situation individuell beurteilt werden müsse. Nguyens Anwälte meinten, die Erfahrung der letzten Tage habe sie zu vehementen Gegnern der Todesstrafe werden lassen.

Welche Auswirkungen die Exekution auf das wirtschaftliche Verhältnis zwischen Australien und Singapur haben wird, bleibt offen. Verschiedene Kommentatoren hatten dazu aufgefordert, die Fluglinie Singapore Airlines zu boykottieren, sowie andere Firmen, die von der Regierung des Stadtstaats kontrolliert werden. Dem australischen Premierminister John Howard war vorgeworfen worden, sich beim wichtigsten Handelspartner Australiens in Südostasien zu wenig für Nguyen eingesetzt zu haben, um die bilateralen Beziehungen nicht aufs Spiel zu setzen. Howard sagte jetzt, er habe der Regierung in Singapur zu verstehen gegeben, dass die Hinrichtung „Auswirkungen auf das Verhältnis der Völker“ haben werde. URS WÄLTERLIN