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Archiv-Artikel

Tod im Container

von Michael Bartsch

Von der Containeranlage am Rande der Stadt stehen nur noch Stahlgerüste und verbogene Blechwände. Erst gegen Mittag konnte die Feuerwehr den Brand vollständig löschen. „Die Helfer kamen schnell, aber leider trotzdem zu spät“, sagte Sachsen-Anhalts Innenminister Klaus Jeziorsky (CDU), der gestern sofort nach Bekanntwerden des Unglücks nach Halberstadt aufbrach.

Die Hilfe kam insbesondere für neun wohnungslose Männer nicht rechtzeitig. Sie wurden gegen 5.30 Uhr am Freitagmorgen in ihrer provisorischen Unterkunft von den Flammen im Schlaf überrascht, erstickten vermutlich an den Rauchgasen und verbrannten dann bis zur Unkenntlichkeit. Fünf Bewohner konnten sich ins Freie retten, einer alarmierte telefonisch noch den Hausmeister. Ein Überlebender muss mit Rauchvergiftungen und leichten Brandverletzungen weiter in der Klinik behandelt werden. Die Bergung der Toten kam aufgrund der großen Hitze am Brandort nur langsam voran.

Die städtische Unterkunft im Ortsteil Wehrstedt ähnelte den von Baustellen bekannten Containersiedlungen. 16 Wohncontainer mit ein bis vier Schlafplätzen waren miteinander verbunden. Die Bewohner nutzten eine Gemeinschaftsküche. Möglicherweise, so Vermutungen der Experten vom Technischen Hilfswerk und vom LKA, sei innerhalb der Verbundanlage ein Kamineffekt, ein starker Sog entstanden, der die schnelle Ausbreitung und ungewöhnliche Heftigkeit des Brandes bewirkt habe. „Das ist dann wie bei einem Tunnelbrand“, meinte ein Feuerwehrmann.

Bei der Stadt waren für die Unterkunft 15 Wohnungslose registriert, darunter eine Frau. Sie bildeten offenbar schon seit Jahren eine Wohngemeinschaft, einzelne von ihnen belegten die Container schon seit ihrer Einrichtung im Jahr 1996. „Das Bauordnungsamt hat damals eine Baugenehmigung für zehn Jahre erteilt“, sagt Ute Huch, Sprecherin der Stadtverwaltung. Die Container hätten den sicherheits- und brandschutztechnischen Bestimmungen entsprochen, und bislang habe es noch keine Probleme gegeben. Wann die letzte Kontrolle stattfand, konnte die Sprecherin allerdings nicht sicher sagen. Den „vernünftigen Zustand“ der Anlage bestätigte auch der Halberstädter PDS-Landtagsabgeordnete Detlef Eckert, der sich um eine Verbesserung der Obdachlosenbetreuung bemüht hatte. Dennoch kann nach bisherigen Erkenntnissen nur ein technischer Defekt oder Fahrlässigkeit das Feuer verursacht haben.

Am Donnerstagabend fand in den Räumen eine kleine Feier statt, sagten Überlebende aus. Elektroheizer waren in Betrieb. Polizeisprecher Ulrich Wagner erwartet ein Ergebnis der Ermittlungen frühestens heute. Es sprächen aber keinerlei Anzeichen für äußere Einwirkungen. Der spontan aufkommende Verdacht auf einen Anschlag liegt in Halberstadt nicht sehr nahe. Stadtsprecherin Ute Huch verweist darauf, dass dann eher noch die zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber als Zielscheibe von rechtsextremer Gewalt gelten müsste.

Mit 47 registrierten Personen ist die Wohnungslosigkeit in der nördlich des Harzes gelegenen 40.000-Einwohner-Stadt nicht höher als im Landesdurchschnitt. Man müsse eher von Wohnungslosigkeit als von Obdachlosigkeit sprechen, meint Schwester Marietta von der Wärmeküche der katholischen Franziskanergemeinde, die einige der Brandopfer in der Vergangenheit betreut hatte. Hier konnten sie duschen, sich einkleiden und bei Bedarf verpflegen. Eine Aufgabe, die auch am Freitagabend akut vor den Helfern und der Stadt stand. Es galt, umgehend die Unterkunft und Betreuung der Überlebenden zu sichern. Denn es hat „die Ärmsten der Armen getroffen“, so Bürgermeister Harald Hausmann. Von Psychologen betreut werden müssen wiederum die Helfer, die die Leichen geborgen und eine erste Identifizierung versucht haben.