Eine Demo für Susanne Osthoff?
: KOMMENTAR VON STEFAN REINECKE

Seit dem 11. 9. 2001 wird von den Muslimen in Deutschland immer mal wieder ein Bekenntnis gefordert. Explodieren Bomben in Madrid oder London, prüfen manche, ob auch alle Distanzierungen der muslimischen Organisationen ordnungsgemäß vorliegen. Und die reichen selten.

Nun denken muslimische Organisationen darüber nach, ob sie eine Demonstration für die im Irak verschleppte Susanne Osthoff initiieren. Entscheiden wird man dies erst, wenn klar ist, dass man es mit islamistischen und nicht bloß kriminellen Tätern zu tun hat. Ist das ein Kniefall vor dem Bekenntniszwang, mit dem die selbst ernannten Tugendwächter der Republik auch säkularen Muslimen zu Leibe rücken? Es gibt ja ein wachsendes antiislamisches Ressentiment hierzulande, eine diffuse Wahrnehmung, in der Ehrenmorde, arbeitslose Türken, die uns auf der Tasche liegen, und islamistischer Terror zu einem Bedrohungsszenario verschwimmen.

Laufen die muslimischen Organisationen mit dieser Demonstration Gefahr, sich selbst in eine Ecke zu manövrieren, in der sie nichts verloren haben? Nein, kaum. Eine solche Demonstration wäre keine verdruckste Anpassung, sondern eine souveräne Geste. Denn es muss gerade gläubigen Muslimen am Herzen liegen, jene zu bekämpfen, die den Islam zu einer Gewaltideologie verfälschen. Unerfreulich an dem deutschen Diskurs ist nicht die Idee, dass sich Muslime mit den Verbrechen befassen sollen, die im Name ihrer Religion verübt werden. Schräg ist der zackige Ton dabei, der schrille Generalverdacht gegen „die Muslime“.

In Italien gingen Hunderttausende für die entführte Journalistin Sgrena auf die Straße, selbstverständlich unterstützt von muslimischen Organisationen. In Deutschland, wo der Sinn für Kritik ausgeprägt, für Gemeinsames eher unterentwickelt ist, sind Demos für etwas ziemlich selten. Es wäre eine schöne Pointe, wenn muslimische Organisationen eine Demo für die Rettung der Entführten initiieren würden. Noch schöner, wenn sich die christlichen Kirchen daran beteiligten. An einer Demo für die Muslimin Susanne Osthoff übrigens.

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