piwik no script img

ADAC umwirbt KinderZielgruppe Kettcar

Der Lobbyverband streckt seine Fühler in Richtung Nachwuchs aus – mit befristet kostenlosen Angeboten. Danach greifen automatisch Folgetarife.

Der ADAC freut sich über jedes Mitglied, das gerne hinter einem Lenkrad sitzt. Bild: dpa

BERLIN taz | Kinder sind die Autofahrer von morgen. Das ist der Grundgedanke beim „Starter-Tarif“ des Allgemeinen Automobilclubs Deutschland (ADAC). Auf Jugendmessen und im Internet lockt der Lobbyverband mit dem kostenlosen Angebot Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Selbst Grundschüler können so ADAC-Mitglied werden, ohne dass die Eltern einwilligen müssen. Der Haken: Mit dem 18. Lebensjahr wird aus dem „Starter-Tarif“ automatisch ein Folgetarif, der wiederum ein Jahr später kostenpflichtig wird.

Verschiedene Medien veröffentlichten bereits konkrete Fälle. So sollen Kinder etwa geglaubt haben, an einem Gewinnspiel teilzunehmen, als sie die Mitgliedschaft abschlossen. Verbraucherschützer kritisieren den ADAC deswegen. „Solche Mitgliedschaften bilden Verträge in die Zukunft“, sagte Sabine Fischer-Volk von der Verbraucherzentrale Brandenburg der taz.

Zehnjährige planten nicht weit in die Zukunft und könnten meist nicht einschätzen, welche Konsequenzen ein Vertragsabschluss für sie hat. „Der ADAC hat hier seine Vertrauensstellung in der Bevölkerung ausgenutzt. Das ist das Allerletzte.“

Der ADAC hält die aktuellen Tarifregelungen dagegen für unproblematisch. Der „Starter-Tarif“ bringe minderjährigen Mitgliedern nur Vorteile, und bei der Anwerbung auf Messen gelte ein strikter Verhaltenskodex, heißt es aus der Zentrale in München. Acht Wochen vor Umstellung des Tarifes würden die Mitglieder schriftlich über die Änderung informiert.

Im Vereinsrecht nicht vorgesehen

„Aufgrund der frühzeitigen Information kann jedes Mitglied frei entscheiden, ob es Mitglied bleiben möchte oder nicht“, erklärt Pressesprecher Jürgen Grieving. Den Mitgliedern eine Verlängerung anzubieten, statt den Tarif automatisch zu überführen, sei im Vereinsrecht nicht vorgesehen.

Den Verbraucherschützern reicht das nicht. Sie halten den „Starter-Tarif“ auch für juristisch zweifelhaft. Da der Vertragsabschluss von Minderjährigen getätigt wird und eine Gegenleistung in der Zukunft beinhaltet, sei eine Einwilligung der Eltern oder ein erneuter Vertragsabschluss erforderlich. „Man kann die Auffassung vertreten, dass diese Verträge schwebend unwirksam sind“, sagt Christian Gollner, Rechtsreferent der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • ML
    Mathias Leenders

    Natürlich könnte des nun volljährige Kind die unterbliebene Zustimmung eines gesetzlichen Vertreters selbst nachholen. Diese kann jedoch nicht unterstellt werden, so dass der Vertrag weiterhin schwebend unwirksam sein dürfte.

     

    Es haben schon andere Anbieter versucht, kostenlose Verträge nachträglich kostenpflichtig zu machen, wenn man nicht widerspricht. Soweit ich weiß hat das nicht geklappt.

     

    Sonst könnte der Anbieter einem Noch-Nicht-Kunden auch einen Brief in den Kasten werfen: "Wenn Sie nichts unternehmen sind Sie in 8 Wochen automatisch unser zahlendes Mitglied."

  • F
    Flitzpiepe

    @ Daniel *quatsch*

    wie will denn der ADAC einen wirksamen Vertrag mit der Unterschrift eines minderjährigen begründen? Der Vertrag wird auch nicht einfach dadurch gültig weil man zwischenzeitlich geschäftsfähig geworden ist. Lies Dir nochmal Dein BGB durch vielleicht findest Du noch etwas anderes über Verträge. Mit Nichtzahlung der ADAC Mitgliedschaft (aka Widerspruch) sind die ursprünglich schwebenden Verträge endgültig unwirksam geworden. Was anderes ist es bei mehrfacher Zahlung... aber das ist dann wieder ne andere Konstellation und schon tausendfach geklärt.

  • D
    Daniel

    Es ist zwar richtig, dass der Vertrag anfangs schwebend unwirksam ist, da durch die Zahlungspflicht in der Zukunft ein nur rechtlicher Vorteil (§ 107) wohl nicht gegeben ist. Aber die Verträge sind dann nicht mehr schwebend unwirksam, wenn die Jugendlichen volljährig werden (§ 108 III). Insofern ist der letzte Satz Quatsch, weil zum Zeitpunkt der Zahlungspflicht ein gültiger Vertrag vorliegt. Ich glaube, der ADAC hat hier an alles gedacht. Die Frage ob das "moralisch" einwandfrei ist, beantwortet das natürlich nicht.

  • H
    hiro

    Wo ist das Problem? Als Kinder bezahlen sie nichts. Wenn es kostenpflichtig wird, bekommen sie vorher einen Brief, auf den sie so oder so reagieren müssen: Entweder Bankverbindung mitteilen oder kündigen.

     

    Ist es einem 18jährigen heutzutage nicht mehr zumutbar, auf einen Brief zu reagieren und aus dem Verein auszutreten?

  • H
    Haggi

    Gut, dass ich diesen Laden verlassen habe. Zweifelhaftes Geschäftsgebaren, Lobbyismus gegen Tempolimit, ein überteuerter Schutzbrief und nervige Werbung. All das braucht man nicht, auch keine ADAC-Reisekarten etc., seitdem es Navi und Google/Bing Maps gibt. Austreten und Geld sparen!

  • HM
    Hannes Männel

    Lieber Herr Quer-Ulantin,

     

    bei der Geschichte geht es eben nicht um Auto, Bahn oder Fahrrad - sondern darum, dass Minderjährige geködert werden, damit aus ihnen (wenn sie es nicht merken und rechtzeitig aktiv werden) später zahlende Mitglieder werden.

     

    Das wäre auch nicht in Ordnung, wenn es ein Fahrrad- oder Fußgängerverein machen würde.

     

    Außerdem müsste sofort die Rechtslage angepasst werden, damit solche mit Minderjährigen geschlossenen Verträge auch juristisch das werden, was sie nach gesundem Menschenverstand sind: nichtig.

  • E
    Evan

    Mit der ADAC reicht es mir bis zum Hals aber ich bleibe doch einfaches Mitglied.

     

    Gruende gegen ADAC Mitgliedschaft:

    Die ADAC versucht immer mit freunlichen Druck etwas an Mitglieder zu verkaufen, z.B. Plus Mitgliedschaft, Rechtschutz, usw. es versucht immer Geld heraus zu schlagen. ADAC betaetigt sich in zweifelhafte Felder, z.B. Reisebuero, Verkauf von Kleidung und Zubehoer: Wie koennen Sie objektif bleiben? In ganzen ist der ADAC ein verstecktes und knallhartes Wirtschafts-unternehmen.

     

    Gruende fuer ADAC-Mitgliedschaft:

    Sehr gutes Netz von Filialen; beste Kartenmaterialien; Publikationen; Beratungsstellen (technisch) wie auch uebers Internet zu kriegen.

  • Q
    quer-ulantin

    Bei diesem Verein wundert mich gar nichts mehr - die könnten doch auch frischgebackenen Eltern ein Rundumsorglospaket ins Haus schicken - schließlich muss der Nachwuchs doch von Geburt an aufs richtige Fortbewegungsmittel getrimmt werden!