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PKK-ProzessDer Grill des Terrors

In Hamburg steht erstmals ein PKK-Aktivist wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ vor Gericht. Doch die Beweislage ist dünn.

PKK-Aktivisten: Finger weg! Bild: dpa

Eine Straftat wird dem kurdischen Exilpolitiker Ali Ihsan Kitay aus Hamburg von der Bundesanwaltschaft nicht vorgeworfen. Das ist auch nach dem neuen Paragrafen 129 b des Strafgesetzbuchs („Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“) nicht nötig. Es reicht die ideelle Unterstützung einer von der Bundesregierung als „terroristisch“ eingestuften Organisation wie der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), die einen Guerillakrieg für das Selbstbestimmungsrecht der Kurden gegen den Nato-Partner Türkei führt. Deshalb verlangen die Bundesanwältinnen dreieinhalb Jahre Haft für den 47-jährigen Kitay. Mittwoch soll nach 30 Prozesstagen das Urteil gesprochen werden.

Mit dem 129 b-Verfahren hat der Staatsschutzsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg juristisches Neuland betreten. Kitay wird von der Bundesanwaltschaft vorgeworfen, von 2007 bis September 2008 die PKK in den Gebieten Hamburg, Kiel, Bremen und Oldenburg geleitet zu haben. Er sei vor allem für Spenden und Beitragssammlungen verantwortlich gewesen und habe zudem sichergestellt, dass genügend PKK-Anhänger aus seinem Zuständigkeitsbereich an Veranstaltungen und Demonstration teilnahmen, so die Anklage.

Kitay, der 20 Jahre in der Türkei in Haft saß und gefoltert wurde, macht keinen Hehl daraus, dass er Unterstützer der PKK ist. Seine Verteidiger Cornelia Ganten-Lange und Carsten Gericke wählten darum die Strategie, immer wieder die Legitimität der 129 b-Strafvorschrift „als hoch problematisches mit der heißen Nadel gestricktes politisches Strafrecht“ verfassungsrechtlich infrage zu stellen.

Mit diesem Paragrafen werde „Außenpolitik mit den Mittel des Strafrechts“ gemacht, so die Verteidiger. Die Prozessbeteiligten müssten sich ein Urteil über Sachverhalte anmaßen, die ihnen weitgehend fremd seien: jahrzehntelange staatliche Folter, Zerstörung der Lebensgrundlage von hunderttausenden Kurden, Bombenangriffe auf kurdische Dörfer. Diese Aspekte des bewaffneten türkisch-kurdischen Konfliktes seien von der Anklage und den Ermittlungsbeamten des Bundeskriminalamtes einseitig ausgeklammert worden, so Gericke.

Auch das Gericht war bemüht, die politischen Aspekte auszublenden. Dennoch sah es der 3. Senat um den Vorsitzenden Richter Klaus Rühle in einer rechtliche Stellungnahme als erwiesen an, dass türkische Sicherheitskräfte und Militär für Menschenrechtsverletzungen, etwa systematische Folter, sowie Kriegsverbrechen wie Giftgaseinsätze verantwortlich sind.

Obwohl das BKA so viele Telefongespräche von Kitay abgehört hat, dass das Gericht mehrere Tage für deren Anhörung brauchte, ist der eigentlichen Anklagevorwurf in vielen Punkten nicht bewiesen. Die Telefonate hätten nicht belegt, dass Kitay die gesamten Geschäfte in den vier zur Last gelegten Gebieten geleitet hat, sagt Gericke. Ebenso wenig, dass er für Spendensammlungen in Hamburg verantwortlich gewesen sei. Allerdings gibt es Telefonate, die belegen, dass Kitay 2007 dafür gesorgt hat, dass für ein Fest ein Grill aus Kiel nach Hamburg transportiert worden ist.

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9 Kommentare

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  • H
    Hans

    Es scheint so, als haben viele LeserInnen den Sachverhalt nicht verstanden und haben wohl den Bundesverfassungsschutzbericht von 2011 im Bezug auf die PKK nicht gelesen.

     

    Echt traurig, wie verblendet die Meisten Menschen durchs Leben gehen.

     

    Der Artikel ist super verfasst. Es gibt die Realität wieder. Das Pilotprojekt §129b wird wohl politisch von der Regierung geregelt. Das scheint das Demokratieverständnis des Westens zu sein.

     

    Interessant ist auch ,dass die meisten Leser die Realität im Osten der Türkei nicht kennen. Das BDP-Abgeordnete systematisch verhaftet werden und getötet werden scheinen sie nicht zu sehen.

    Das die Türkei sogar im Ausland (z.B. Frankreich) mordet (die drei Frauen in Paris), will man ebenso nicht sehen.

    Hauptsache PKK - BDP - Alkaida - gleich Terror ^^

    Das Modell der demokratischen Autonomie mit der Selbstverwaltung wird funktionieren und alle Lügen der BRD, der Türkei und der EU werden aufgedeckt.

     

    Es wird einfach zuviel böses unter den Deckmantel "Demokratie" von den herrschenden ohne zu Zögern im Verborgenen umgesetzt.

     

    Schluss mit der Lügerei und lasst Frieden einkehren!!!

    Frieden für ALLE!!!

  • H
    Hussein

    Der Prozess ist weniger interessant als das Urteil am Ende. Sollte der Mann verurteilt werden, könnte er sich mit guter Wahrscheinlichkeit durch die Instanzen klagen, denn Sympathie, Freundschaft und Mitgliedschaft in einer Terrororganisation ist nicht das Gleiche - wie will der Richter hier klar trennen? Urteil, weil der Mann nur Kurden kennt oder nur mit Kurden befreundet ist? Oder eben mit Kurden grillt?

     

    Es bräuchte schon Zeugen, die das vor Gericht bestätigen. Und wenn sie es tun würden, wäre die Frage, ob sie nicht Infiltrationsagenten des türkischen MIT sind. Dann wären ihre Aussagen auch wieder bedeutungslos.

  • A
    altinlala

    Er ist ein Terrorist. Fertig aus. Durch seine Handlungen unterstützt er die PKK und das macht ihn auch zum Mörder.

     

    Achja und wenn hier gesagt wird, dass die BDP in vielen Teilen der Türkei regiert, dann zeig das nur dass es ja wohl gar nicht so schlimm steht um die Kurden dort.

    Wenn sie wirklich soooo unterdrückt wären, dann hätte man eine solche Partei, die sich vor allem zu den Mördern der PKK bekennt, sofort verboten.

    Aber da es in der Türkei Gesetze gibt, ist es nicht der Fall.

  • P
    pelda

    Die Verfasser oben genannter Leserbriefe sollten vielleicht mal selbst in den "Osten der Türkei", das besetzte Kurdistan fahren, dann werden sie sehen, dass die PKK-nahe BDP in 90% der kurdischen Gemeinden die höchste Stimmenanzahl bei den Kommunalwahlen gewonnen hat und fast überall die Regierung stellt, dass fast jede/r die PKK unterstützt, durch alle Bevölkerungsschichten, dasselbe gilt im übrigen für das ehedem syrisch kontrollierte Kurdistan, wo die PKK-nahe PYD die syrische Zentralregierung ausgeschaltet hat. Die ewig gestrigen Groß- Türkei AnhängerInnen sollten mal der Realität ins Auge blicken und sehen, dass es durchaus Länder und Regionen geben kann, in denen Menschen mit verschiedenen Sprachen und Kulturen sich gegenseitig bereichern statt bekämpfen.

    Herr Kitay vertritt keine andere Position. Ihn an seine Folterer ausliefern zu wollen, zeigt nur die Menschenverachtung der Autoren der oben genannten Leserbriefe.

  • P
    pelda

    Die Verfasser oben genannter Leserbriefe sollten vielleicht mal selbst in den "Osten der Türkei", das besetzte Kurdistan fahren, dann werden sie sehen, dass die PKK-nahe BDP in 90% der kurdischen Gemeinden die höchste Stimmenanzahl bei den Kommunalwahlen gewonnen hat und fast überall die Regierung stellt, dass fast jede/r die PKK unterstützt, durch alle Bevölkerungsschichten, dasselbe gilt im übrigen für das ehedem syrisch kontrollierte Kurdistan, wo die PKK-nahe PYD die syrische Zentralregierung ausgeschaltet hat. Die ewig gestrigen Groß- Türkei AnhängerInnen sollten mal der Realtät ins Auge blicken und sehen, dass es durchaus Länder und Regionen geben kann, in denen Menschen mit verschiedenen Sprachen und Kulturen sich gegenseitig bereichern statt bekämpfen.

    Herr Kitay vertritt keine andere Position. Ihn an seine Folterer ausliefern zu wollen, zeigt nur die Menschenverachtung der Autoren der oben genannten Leserbriefe.

  • AF
    Anja Flach

    Das Bündnis Freiheit für Ali Ihsan Kitay ruft zur Kundgebung am Mittwoch vor dem Prozess auf, 8.00 Uhr vor dem Strafjustizgebäude, Sievekingsplatz. Wer den Prozess beobachten möchte, rechtzeitig da sein, beginnt um 9.00 Uhr Seiteneingang des Strafjustizgebäudes.

  • M
    memo

    Lieber peter müller Ich weiss mich wie Sie recherchieren aber Sie sollten mal den Osten der Türkei besuchen um zu sehen unter wem die dort lebenden Menschen (meist Kurden) am meisten leiden ob es die pkk ist die mit Terror die Kurden tyrannisiert , erpresst , mordet und durch bombenanschlage auf Schulen die Bevölkerung dumm hält Oder ob es türkische Sicherheits Dienste sind. Fakt ist das die pkk keine Interesse-Vertretung der Kurden ist und das über 80% der Kurden mit der pkk nicht zu tun haben will (dies beklagen Studien ). Jedoch kann Ich niergendswo ausser in der Taz lesen dad die Türkei giftgas gegen die Kurden einsetz Oder eingesetzt hat es gibt für ihre Behauptung keinerlei bewise. Ich selber bin oft genug in "Kurdistan" und kann ihnen nur empfehlen besser zu recherschieren bevor Sie hier propaganda für eine Terror Vereinigung machen die sich gern in europa als Opfer darstellen .....wieso schreiben Sie nicht mal über "kolaterall Schäden" der pkk bei denen kinder ums Leben kommen Oder von den Kindersoldaten in den bergen Oder den Drogen Geschäften ..... Sie sollen endlich mal lernen Zeichen pkk und den Kurden zu unterscheiden

  • S
    Serkan

    Sieht mir mehr wie ein Sündenbock aus der mal als willen der Mitarbeit gegen den Terror gezeigt wird. Mit einer Person ist noch lange nicht der Wille Deutschlands gezeigt, das etwas gegen die PKK im Lande unternommen wird. Dank der jahrelangen "Ignoranz" von Deutschland und Frankreich konnte sich die PKK weitflächig in den besagten Ländern Breit machen. Inzwischen sind sogar viele Kurden den Erpressungen und Bedrohungen verärgert. Die Türkei musste lange genug wegen der PKK Bluten und Europa trägt eine mitschuld. Ohne Frage sollten die Kurden mehr Bürgerrechte für ihre Identität bekommen. Aber wer dies als Rechtfertigung für Terror sieht, der sollte da bei der Al Kaida nicht anders denken.

  • AA
    auch ausgeklammert

    auch ausgeklammert haben die gerichte offenbar, dass es sich bei der PKK auch um eine organisierte kriminelle vereinigung handelt, die sich mit drogen- und menschenhandel, mit erpressung und mord ihr geld verdient, das sie für ihren "freiheitskampf" brauchen.

     

    da sollte der feine herr, der hier im rückzugsgebiet unterschlupf fand, eher froh sein.