Vielleicht Punktsieger

Der VfB Stuttgart verlässt auch gegen zehn Münchner seine auf Sicherheit bedachte Linie nicht und kommt so zu seinem zehnten Unentschieden in dieser Saison. Zumindest Trainer Trapattoni freut das

AUS STUTTGART OLIVER TRUST

Als Giovanni Trapattoni vom Podest stieg und zum x-ten Mal die Hände von Felix Magath geschüttelt hatte, sah er immer noch glücklich aus. Wie ein Großvater, der zur Weihnachtszeit alle seine Kinder und Enkelkinder am warmen Ofen versammelt hat und geherzt und umarmt wird, was das Zeug hält. Er schwärmte vom Unentschieden gegen den deutschen Rekordmeister Bayern München und verstieg sich zu eigenwilligen Vergleichen. „Im Boxen wären wir vielleicht als Punktsieger hervorgegangen, aber im Fußball wird anders gewertet“, sagte der 66 Jahre alte Italiener und lächelte. Er mache sich keine Sorgen darüber, dass der den Wunsch des Präsidenten Erwin Staudt nach zehn Punkten vor der Winterpause nicht erfüllen könne. „Nein, wirklich nicht.“

Während die Stuttgarter nach einer Partie auf nicht besonders hohem Niveau zwischen Frust und gespielter Zufriedenheit pendelten, herrschte um die Vertreter der Aktiengesellschaft FC Bayern München drangvolle Enge. Immerhin: Man tat sich nicht gegenseitig weh. Die Kommentare waren geprägt von Sanftmut und Verständnis, für jeden, Freund und Feind. Es war der Abend der Komplimente und jeder schien froh, unbeschadet aus dem Spiel gekommen zu sein. Die Bayern hatten nicht die Kraft, an diesem Tag zu glänzen und vor allem den Erzrivalen aus Stuttgart standesgemäß in die Schranken zu weisen, wie sie es in den vergangenen Jahren oft so gern getan hatten. Und ihr ehemaliger Trainer Trapattoni ist ein glühender Verehrer des Sicherheitsfußballs, selbst wenn es gegen nur zehn Gegner geht wie lange am Samstag, weil Sebastian Deisler schon in der 42. Minute nach einer Tätlichkeit gegen Ludoovic Magnin von Markus Merk die Rote Karte sah. Trapattoni setzte auch danach weiter auf Sicherheit und erspielte sich sein zehntes Unentschieden, was so früh in der Saison ein beachtlicher Wert ist.

Eng war es, als Uli Hoeneß noch einmal erzählte, er habe ja schon erzählt, dass sein Vertrag mündlich verlängert sei, und es mehr dazu eigentlich nicht zu erzählen gäbe. Der Verein werde sich melden, wenn eine Unterschrift zu verkünden wäre. Er klang dabei so beiläufig wie nur möglich. Eng war es auch, als Sebastian Deisler kam und den Gesichtsausdruck eines Sünders vor sich her trug. „Eine Dummheit, die so nicht passieren darf“, sagte er. Deislers Unbeherrschtheit ist mit dem Geschehen auf dem Rasen nicht umfassend zu erklären. Es muss an einer betriebsinternen Gereiztheit der Bayern gelegen haben. Auch Oliver Kahn sah gelb, weil er völlig überzogen protestierte, und auch so manch anderer Münchner zeigte sich auf dem Feld gereizt.

„Vielleicht“, sagte Michael Ballack, der nach dem 5. November das erste Mal wieder mitwirkte, „haben wir zu schnell das Unentschieden akzeptiert.“ Der Mann, der seit Wochen für Aufregung sorgt, weil er seinen Vertrag in München nicht verlängert und nicht erzählen will, wonach ihm der Sinn steht, sah viele „Ballverluste und Abspielfehler“, die man bis Mittwoch, wenn es in der Champions League gegen Brügge geht, abstellen müsse. Außerdem: Von seiner Unterschrift bei Real Madrid wisse er nichts. Auch da gäbe es nichts Neues.

Selbst die so streitlustige Bayern-Führungsetage warf keinem mehr Vorwürfe an die Brust. Den Oberen des VfB Stuttgarts nicht, denen sie vorgeworfen hatte, sich nicht genug um Giovanni Trapattoni zu kümmern. Erwin Staudt beeilte sich derweil zu verkünden, er stünde hinter dem Trainer – ohne jeden Zweifel. Beide, so sah es aus, verharrten im Istzustand, der keinen von den Sitzen riss. Am Ende des Tages, an dem Trapattoni in so viele bekannte Gesichter lächelte und so viele Hände schüttelte, war alles wie zuvor: Die Schwaben finden sich keinen Schritt weiter – und die Bayern sind weiter Tabellenführer. Nur Felix Magath hatte noch etwas auf dem Herzen. Der Trainer bat um Milde für Sebastian Deisler: „Ich hoffe nur, dass ein Spieler für einen Fehler nicht so bestraft wird, dass andere einen Vorteil daraus haben.“