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Meine liebe Frau Schildt – eine Ode an die Grundschule Deutschland 2012 R: Nathalie David

Nahaufnahmen von Blumen, einer Wiese, Windrädern, ein Baby blickt in die Kamera. Neugierig auf die Welt. Die beste Voraussetzung zum Lernen, zur Aneignung von Wissen, um das Leben gut zu meistern. So beginnt ein Dokumentarfilm über eine 4. Klasse der Grundschule Rothestraße in Hamburg-Ottensen und ihre Klassenlehrerin Dietlind Schildt. Eine Hommage an das freiwillige Lernen, an die kindliche Wissbegierigkeit, und an eine Pädagogin, die in ihrer Klasse Angebote zum Lernen machte, nicht oktroyieren wollte.

Nicht den Lehrplan um jeden Preis durchziehen, egal ob alle mitkommen. Der Nürnberger Trichter, hier ist er weit weg. Wohltuend unaufgeregt erklärt sich Dietlind Schildt vor der Kamera. Mit nachdenklichen Augen schaut sie ruhig aus ihrer imposanten Lockenmähne hervor und erzählt. Aber am meisten Raum bekommen die SchülerInnen vor der Kamera. Offen und frei sitzen sie da, mal schlagfertig spontan, mal grübelnd wohlüberlegt kommen die Antworten auf Fragen, die nicht zu hören sind. Es ist eine Freude, den selbstbewussten Kindern zuzuhören, ihre klaren Blicke zu sehen. Souverän wird das System des Wahlpflichtunterrichtes erklärt, über Lieblingsfächer gesprochen. Auch auf einer Klassenreise an der Nordsee sind sie zu sehen, wie sie sich erproben, spielerisch Lernen. Drei Jungen schauen in ein Marmeladenglas, gefüllt mit Meerwasser und Krabben: „Sei still, die paaren sich!“, sagt einer konzentriert. Das Klassenzimmer wird menschenleer gezeigt. Die Kamera fährt über den Fußboden, Stuhllehnen hoch, an denen Jacken hängen, blickt unter mit allerlei Arbeitszetteln vollgestopfte Schultischfächer, fährt Regale hoch, angefüllt mit Materialien aller Art, die sich zum Basteln, Werken nutzen lassen.

Die Kameraführung ist oft nah dran. Nahaufnahme, Schnitt, Nahaufnahme. So als ob nicht mit Totalen das große Ganze erfasst werden soll, sondern als ob sich aus dem kleinen Gegenständlichen, aus dem kurzen Moment ein Mosaik des Grundschullernens ergibt. Und so ist es auch. Nur hat die Regisseurin nicht darauf vertraut, dass diese wunderbare Geschichte alleine trägt. Da gibt es Szenen, in denen ein Teddy aus dem wichtigen Buch „Émile, ou de l’éducation“ zitiert, in dem Jean-Jacques Rousseau 1762 das Ideal des freiwilligen Lernens propagierte. Zusätzlich werden noch historische Fotos von Schulgeschehen eingeblendet und, die Klasse bei einer Unterrichtsstunde zur Kaiserzeit im Schulmuseum gezeigt, völlig unvermittelt Pioniersprüche und ein historisches Klassenzimmer aus der DDR in den Film montiert. Aber die Stärken des Filmes, die heiteren Momentaufnahmen der erzählenden Kinder, sind schön zu sehen. Oder auch die in Großaufnahme gezeigten Details, wie Zeichnungen, kreative Malversuche, die wie das zu hörende kindliche Klavierspiel nicht perfekt sein müssen, um sich daran zu erfreuen. GASTON KIRSCHE

So, 17. 3., 11 Uhr, Abaton, Salvador-Allende-Platz 3. Mit Regisseurin Nathalie David