So klingt das Klima in Berlin

Die Bundeskulturstiftung hat ihren Sinn für Humor entdeckt. Oder, um nicht unhöflich erscheinen zu wollen: Sie gibt ihn derzeit recht deutlich zu erkennen. Aktueller Beleg ist eine Schallplattenveröffentlichung, entstanden im Rahmen des Projekts „Überlebenskunst“, das die Stiftung 2011 gemeinsam mit dem Haus der Kulturen der Welt veranstaltet hat. Das auf Vinyl – also potenziellen Sondermüll – gepresste Erzeugnis trägt den Titel „Überlebenskunst – Berlins internationale Musikszene vertont den Klimawandel“.

So weit, so lustig. Oder eben auch nicht. Die Wortwahl ist jedenfalls schon mal ein wenig aufgeblasen, selbst wenn man da ein Augenzwinkern herauslesen mag: „Vertont“ werden in der Regel andere Kunstwerke, vornehmlich solche, die auf Text beruhen. Nun kann man den Klimawandel mit ein wenig Fantasie ebenfalls als Kunstwerk betrachten, schließlich spricht sehr viel dafür, dass er von Menschenhand gemacht ist. Und irgendwie ist ja ohnehin alles Text.

Aber was machen die Musiker, um den Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und dessen Folgen zum Klingen zu bringen? Sie schreiben Songs, mal im Punkgewand, mal als Calypso, und manchmal singt ein Chor Volksliedhaftes über Frequenzen von elektronischem Gerät. Die musikalischen Strategien sind mithin eher beliebig gewählt. Ein Titel wie „Developing Country Blues“ lässt zumindest eine politische Richtung erkennen. Einige Künstler verfolgen in ihren Beiträgen so etwas wie ein Konzept: Das September Collective, bestehend aus Barbara Morgenstern, Stefan Schneider und Paul Wirkus, konfrontiert den von Morgenstern geleiteten Chor der Kulturen der Welt (die „Natur“) mit der klimaschädlichen Maschinenwelt, repräsentiert durch Synthesizer und Ähnliches. Ob derlei schlichte Polarisierungen den Erkenntnisgewinn fördern?

Detlef Diederichsen vom Haus der Kulturen der Welt lässt in seinem Geleitwort immerhin durchblicken, welche Art von „Überlebenskunst“ angestrebt wird: Das Klima ist eh nicht zu retten, dafür kann man wenigstens den darbenden Popmusikern unter die Arme helfen und mit unkonventioneller Projektförderung etwas zu ihrem Fortbestand tun.

Das wäre tatsächlich ein geschickter Ansatz, doch um auf Dauer Mittel zu garantieren, müssten die Konzepte vielleicht etwas spezifischer ausgearbeitet werden. Sonst schaltet sich irgendwann der Bundesrechnungshof ein.

TIM CASPAR BOEHME

■ V. A.: „Überlebenskunst – Berlins internationale Musikszene vertont den Klimawandel“ (Haus der Kulturen der Welt)