sucht nach den schönsten Spielsachen

SYLVIA PRAHL

Ein Faszinosum, immer wieder: je jünger das Kind, desto unverstellter und unkorrumpierbarer der Zugang zu Musik. Da werden unerwarteterweise Giraffenaffen-mäßig auf Kid-affin getrimmte Großproduktionen als pastose Anbiederei entlarvt und mit einer abwehrenden Geste („Blöööd!“) aussortiert. Oder grauslige Hörspiele mit Erwachsenen-Gänsehautfaktor 37 wie Schnuffel und Schnuffelienchens „Der Schatz im Glitzersee“ finden begeistertes Gehör; aber da zieht wenigstens die Ausrede „Wahnsinn im Endstadium“. Umso angenehmer, wenn das Kind von einer Musik begeistert ist, die erwachsene Mithörer selbst in Repeat-Modus und am achten Tag noch geradeaus denken lässt. Dieses rare Glück beschert uns „Flügel und Katze – Musik für Kinder und Erwachsene“. Das mag vor allem daran liegen, dass die acht Stücke den Zuhörern viel Raum geben für eigene Gedanken und Entdeckungen. Die Komponistin und Pianistin Ulrike Haage hat gemeinsam mit dem Schlagzeuger Eric Schaefer und der Violinistin und Komponistin Margherita Biederbick eine gute halbe Stunde luzide, anmutige und geradezu wohltuende Musik aufgenommen. Da wird das Humpelbein der frei nach Tschaikowski tänzelnden „Kranken Puppe“ sichtbar, und beim „Pferdewalzer“ wippt die pferdevernarrte Tochter umher, als gehörte sie zur olympischen Auswahl der Dressurreiter – ohne zu wissen, dass hier Dimitri Kabalewskis Stück vom Pferd interpretiert wird. „Flügel und Katze“ ist ein Stück aus Haages Kinderoper „Reinicke Fuchs“ und hat einige Kinder dazu bewegt, mit entrückt-verzücktem Blick sachte dirigierend von einem Tanzbein aufs andere zu shuffeln, genüsslicher Booty-Schwenk inklusive. Zentrum des Albums ist der ziemlich frei nach Vivaldi gehaltene Zyklus „Das Eichhörnchen und die vier Jahreszeiten“. Eric Schaefer fungiert hier auch als Erzähler der jahreszeitenbedingten Erlebnisse eines Eichhorns, denen Dreijährige folgen können. Die Vivaldi’schen Motive sind stark reduziert, die wohltemperierte Violine und das Klavier werden von einem den Text illustrierenden Schlagwerk ergänzt. Und gerappt wird sogar auch: Eine Wasserratte reimt in „Scherze und Schlummer“ absurd Anmutendes zu einem wunderbar sinister-klöterndem Elektrobeat, von dem sich mancher Hauptstadtrapper gern etwas abschauen dürfte. Wenn sich dann im letzten Lied, „Pan“, alle Tiere zur Ruhe begeben, breitet sich bei der gesamten Hörerschaft eine friedfertige Ruhe aus, die das Nervenkostüm für neue Abenteuer von Schnuffel und Schnuffelienchen stählt (www.sanssoleil.de, 12 Euro).

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